Essen.. Im Interview sprechen die Regisseure Ethan und Joel Coen über ihren neuen Film „Inside Llewyn Davis“,der von einem begabten, allerdings erfolglosen Folksänger in den 60er-Jahren handelt.

Die Gebrüder Coen gehören zu den kreativsten Köpfen des Kinos. Mit ihrem schwarzen Krimi „Blood Simple“ gaben sie einst ihren Einstand. Inzwischen haben Ethan und Joel, die ihre Filme stets gemeinsam schreiben, inszenieren und produzieren 16 Werke abgeliefert.

Für „Barton Fink“ holten sie in Cannes die Goldene Palme. Für „Fargo“ und „No Country for Old Men“ bekamen sie Oscars. Mit ihrem neuen Film „Inside Llewyn Davis“, der heute in die Kinos kommt, wurden die Coens erneut in Cannes gefeiert. Erzählt wird die Geschichte eines ebenso talentierten wie erfolglosen Folkmusikers in den 60er -Jahren, der unter anderem mit einer Katze allerlei Abenteuer erlebt.

Katzenvideos sind der absolute Spitzenreiter auf YouTube. Haben Sie sich davon für Ihren Film inspirieren lassen?

Joel Coen: Absolut, der Auftritt dieser Katze wird uns einen Blockbuster bescheren! (lacht)

Ethan Coen: Man macht es eben, weil die Leute diese Videos von süßen Katzen so sehr lieben. Menschen haben ein unglaubliches Verhältnis zu Katzen.

"Eine Katze vor der Kamera ist alles andere als ein Vergnügen"

Und die ernste Antwort?

Ethan Coen: Die Hauptfigur unterhält zu Menschen ganz komplizierte Beziehungen. Im Unterschied dazu verbindet ihn mit dieser Katze eine sehr einfache Beziehung – sie ist sozusagen das tierische Gegengewicht zur menschlichen Kompliziertheit.

Joel Coen: Man denkt sich das beim Schreiben alles so hübsch aus, doch dann wird man beim Drehen mit der harten Realität konfrontiert. Eine Katze vor der Kamera ist alles andere als ein Vergnügen.

Wie groß ist der Katzenjammer für die Coens?

Joel Coen: Wir hatten in einem frühen Film bereits mit Katzen gedreht und damals schon unsere einschlägigen Erfahrungen damit gemacht. Aber offensichtlich haben wir unsere Lektion einfach nicht gelernt und es hier wider besseres Wissen wieder getan.

Immerhin hört die Katze auf denselben Namen wie damals George Clooney in „O Brother Where Art Thou“. . .

Ethan Coen: Stimmt, beide heißen „Ulysses“. Wir haben beim Name der Katze jedoch weniger an Clooney als an James Joyce gedacht. Tatsächlich kann man beide als Avatare derselben Sache sehen.

Wie entwickeln Sie Ihre Stoffe? Wie sieht der Arbeitsprozess der Coen-Brüder aus?

Ethan Coen: Wir reden über Dinge, spielen mit Ideen herum oder unterhalten uns über ein Buch oder einen Film. Aus dieser sehr freien Form der Konversation entsteht irgendwie die Idee zu einem Film.

Joel Coen: Wenn Sie uns dabei heimlich beobachten würden, kämen Sie niemals auf die Idee, dass hier ein Film entsteht.

Welche Rolle spielt Bob Dylan für diese Geschichte?

Joel Coen: Aber wir wollten keinesfalls einen Film über Bob Dylan machen. Wobei man unseren Titelhelden allerdings auch nicht mit dem Folkmusiker Dave Van Ronk gleichsetzen sollte. Wir interessieren uns nicht für Biografien, sondern mehr für erfundene Figuren.

"Wir versuchen schon seit der Studentenzeit uns zu verkaufen"

Ihr Titelheld Llewyn erweist sich als kompromissloser Künstler, der seine Ideale nicht aufgibt . Wie wichtig ist Ihnen dieser Aspekt?

Ethan Coen: Irgendwann muss jeder einmal seine rote Linie ziehen. Allerdings wird man dabei höchst selten einen Heiligen finden. Auch für Llewyn sehen die Dinge ja etwas komplizierter aus.

Wann hatten die Coens zum letzten Mal das Gefühl, ihre Künstlerhaut zu Markte zu tragen?

Joel Coen: Wir versuchen schon seit den Studentenzeiten uns zu verkaufen.

Ethan Coen: Aber keiner will kaufen, das ist das Problem. Es verhält sich wie bei diesem Typen im Film: Man verkauft sich soweit, wie man selbst damit noch leben kann. Und soweit, wie es die Welt verlangt. Irgendwo dazwischen muss man seine Linie ziehen.

Ihr Held ist Versager und Talent zugleich. Wie sehen Sie dieses Verhältnis?

Joel Coen: Jeder weiß, dass es Leute gibt, die unglaublich gut in ihrem Bereich sind, aber dennoch keinen Erfolg haben. Warum ist das so? Diese Frage wollen wir mit diesem Film aufwerfen – ohne dass wir Antworten darauf hätten. Wir fanden das eine spannende Geschichte: Sie handelt von einem Versager. Aber einem Versager, der ziemlich gut ist. Doch allem Talent zum Trotz wird unser Llewyn niemals ein Bob Dylan sein.

Gibt es in all Ihren Filmen die absolut perfekte Coen-Szene für Sie?

Ethan Coen: Nein, das lässt sich gar nicht sagen, weil wir unsere Filme niemals rückblickend bewerten. Wenn ein Film abgedreht ist, ist er abgeschlossen. Wir beschäftigen uns nicht mehr damit, weil wir ohnehin nichts mehr verändern könnten.

Joel Coen: Ich wüsste auch keine Lieblingsszene. Wenn man gezwungenermaßen einmal seine alten Filme anschaut, entdeckt man nur all die Fehler, die man gemacht hat. Jene Szene, die anders besser gewesen wäre oder jener Schnitt, der umgekehrt effektiver gewirkt hätte. Man sieht die kleinen Schwächen und eventuell auch die größeren.