Duisburg. Meditative Betrachtungen zwischen Tunnel und Kokerei: James Benning eröffnet die 33. Duisburger Filmwoche die vom 2. bis 8. November, unter dem Motto "Erkenne die Lage", sechsundzwanzig dokumentarische Arbeiten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz präsentiert.
Seien wir ehrlich: Mit dem Namen James Benning kann hierzulande kaum ein Kinogänger etwas anfangen. Und doch gehört der amerikanische Dokumentarist zu den gegenwärtig wichtigsten Erscheinungen auf dem Gebiet der Filmkunst. Seine Arbeiten entziehen sich jeder Klassifikation, es sind streng komponierte, mit nur wenigen Einstellungen auskommende Ansichten amerikanischer Landschaften, die zu meditativer Betrachtung einladen. Nun hat Benning seinen ersten Film außerhalb der USA realisiert: „Ruhr" eröffnet heute Abend die 33. Duisburger Filmwoche.
Gefühl für diese Region
Filmwoche im Fernsehen
"Schranken" vor Mitternacht
Der Sender 3sat, der in Duisburg auch einen Dokumentarfilmpreis vergibt, strahlt in dieser Woche zeitversetzt einige Filme aus dem aktuellen Festival-Programm aus. So ist „Ruhr” bereits heute um 23 Uhr zu sehen. Es folgen „Zum Vergleich” von Harun Farocki (4. 11., 23.20 Uhr), „Besprechung” von Stefan Landorf (5. 11., 22.25 Uhr) und „Schranken” von Gert Kroske (6. 11., 22.25 Uhr). 3sat ist mit acht (Ko-)Produktionen in Duisburg vertreten.
Er geht vor wie immer, sucht sich mit großer Sorgfalt ein Motiv, postiert die Kamera und lässt diese Einstellung mehrere Minuten auf den Betrachter wirken. Die Ruhr bekommt man nie zu Gesicht, dafür beginnt alles mit einem schäbig aussehenden Tunnel in Duisburg, von kaltem Neonlicht erleuchtet. Man gewöhnt sich an die Stille, die vom spärlichen Verkehr hin und wieder lautstark unterbrochen wird. Auch so ein Merkmal Bennings: Bilder besitzen bei ihm nur den eigenen Klang, nichts wird hinzugefügt.
„Ich glaube, ich habe einen Film gemacht, der meine Gefühle für diese Region ausdrückt", sagt Benning über seine Arbeit. Für einen, der sonst das Umfeld von Los Angeles abtastet („Los”) oder unendlich lange Eisenbahnzüge quer durch seine Bilder fahren lässt („RR”), für den mag das Ruhrgebiet in seiner städtischen Enge schwer greifbar sein. Benning hat es trotzdem versucht, und je mehr man sich seiner Methode anvertraut, umso mehr Entdeckungen kann man machen. In einer unscheinbaren Essener Wohnstraße etwa, nur beparkt und fast menschenleer, fällt Klaviermusik aus einem Fenster der schmucklosen Häuser doppelt auf. In der Moschee in Duisburg-Marxloh hat die Andacht der Männer auf Dauer etwas von einem Fitness-Ritual, so schnell wie man hier sitzt, aufsteht, niederkniet.
"Erkenne die Lage"
So radikal monothematisch allerdings wie im zweiten Teil von „Ruhr” hat man James Benning noch nicht erlebt. Da verharrt die Kamera eine ganze Stunde (!) auf den Dampfemissionen der Kokerei Schwelgern in Duisburg, die in regelmäßigen Abständen an- und abschwellen. Gegen den allmählich immer dämmriger werdenden Himmel gefilmt, wirkt das aus Bennings Blickwinkel jedes Mal wie ein gigantisches Naturspektakel.
„Ruhr” mag gleich zu Beginn der Filmwoche ein Höhepunkt sein, er nimmt dem weiteren Verlauf des Festivals (bis 8. November) jedoch nichts von seiner Kraft. „Erkenne die Lage” lautet das Motto und 26 dokumentarische Arbeiten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz wollen dazu beitragen. Romuald Karmakar beispielsweise liefert mit „Villalobos” ein Porträt des gleichnamigen Techno-DJs, und Harun Farocki konterkariert in „Zum Vergleich” die Ziegelherstellung in Burkina Faso mit der in Deutschland.