Essen. . Keine Angst vor großen Vorbildern. Schon einmal hat es eine Verfilmung von John le Carrés Roman „Dame König As Spion“ gegeben. 1979 war es ein Fernseh-Sechsteiler mit Alec Guinness. Der neue Versuch von Tomas Alfredson fürs Kino ist trotzdem ein Geniestreich.

Die Welt des hochrangigen Geheimdienstbeamten George Smiley ist nicht die Welt, in der ein James Bond sich zu Hause fühlen würde. Statt aus paradiesischen Stränden, verlockenden Damen und luxuriösen Casinos besteht Smileyes Welt inmitten des Kalten Krieges vorrangig aus eintönigem Agentenalltag, aus ständigen Konferenzen und innerbetrieblichen Intrigen. John le Carré, dessen literarische Hervorbringung dieser Smiley einst war, kennt sich aus im Umfeld des britischen MI6: Er selbst gehörte einst dem ironisch „Circus“ genannten Unternehmen an und wurde damals von dem Doppelagenten Kim Philby enttarnt.

In stickig-engen Räumen

Der schwedische Regisseur Tomas Alfredson, bekannt durch den einfühlsamen Teenager-Horror-Film „So finster die Nacht“, trifft in seiner Verfilmung des Smiley-Romans „Dame, König, As, Spion“ diese Atmosphäre vom Anfang der 70er-Jahre geradezu punktgenau. Wer sich später an diesen Film erinnern wird, der wird hauptsächlich an Zusammenkünfte in stickig-engen Räumen denken, an die Kälte von Grau in den Fluren. So trist wie menschenfeindlich hat man uns im Kino bisher eigentlich immer nur die Gegenseite gezeigt, sei es Ost-Berlin, Moskau, heute vielleicht Nordkorea. Hier aber ist es London, hier sollten eigentlich die „Guten“ in besserer Umgebung hausen. Ein Trugschluss, wie sich zeigt.

Die Paranoia schraubt sich hoch

Gut ist zu Beginn des Films beim MI6 eigentlich gar nichts. Gerade erst ist in Ungarn der Versuch blutig gescheitert, durch einen „Feld-Agenten“ Informationen über einen angeblichen Maulwurf an der Spitze des MI6 beizubringen. Deshalb müssen nun Geheimdienstchef Control (John Hurt) und sein Stellvertreter Smiley ihre Sessel räumen. Letzterer jedoch nicht für längere Zeit: Die Paranoia schraubt sich derart auf, dass man ihn schon bald darum bittet, die Jagd auf den Verräter erneut zu koordinieren. Eigentlich steht bereits fest, dass sich die Auswahl auf fünf Kandidaten der oberen Befehlsebene beschränken dürfte: auf Direktor Percy Alleline (Toby Jones) sowie die Leitenden Offiziere Bill Haydon (Colin Firth), Roy Bland (Ciaran Hinds), Toby Esterhase (David Dencik) – und möglicherweise Smiley selbst.

Schier eingefrorene Züge

Der schaut uns hier mit dem Gesicht von Gary Oldman an, den man sich in dieser Rolle wohl nie hätte vorstellen können, der sich nun aber als Idealbesetzung erweist. Ständig in dreiteilige Anzüge gekleidet, mit großer Hornbrille im Gesicht und schier eingefrorenen Zügen, ist er das menschliche Abbild seiner seelenlosen Umgebung, die eigene Wohnung mit einbezogen. Als liebenden Gatten kann man sich ihn unmöglich vorstellen, weshalb seine Frau Ann ihn nun auch zum wiederholten Male betrügt. Man weiß schließlich zwar mit wem, Ann selbst jedoch sehen wir höchstens einmal angeschnitten von hinten. Sie bleibt uns derart fremd wie lange wohl schon ihrem Ehemann George.

„Skalpjäger“ in Istanbul

Smiley beginnt eigentlich immer erst in seinen Büroräumen zu leben, wo er den Schachspieler in sich aktiviert, um das königliche Spiel mit lebenden Figuren zu spielen. Gerade erst wird ihm wieder ein Bauernopfer gemeldet: Aus Istanbul ruft einer der sogenannten „Skalpjäger“ des MI6 an, der nahen Kontakt zu einer enttäuschten russischen Agentin pflegte, die ihm schließlich belastendes Material über einen Doppelagenten in England anbot. Die Frau wurde inzwischen mit ungewissem Schicksal entführt, verschollen wie die schriftliche Mitteilung über den Vorgang.

„Dame, König, As, Spion“ ist das, was man einen tadellosen Film nennen möchte. Regisseur Alfredson mutet den Zuschauern zwar ein umfangreiches Namenregister zu, aber er belässt es nicht einfach bei der Fassade. Am Ende ist auch deutlich geworden, dass für diese Riege versteinerter Geheimdienstköpfe überall auf der Welt Blut fließt. Und der Maulwurf? Der wird zwar enttarnt – aber ändert sich dadurch tatsächlich etwas?