Essen. Allein gegen alle: Johnny Depp spielt in „Public Enemies” den altmodischen Bankräuber John Dillinger. Als solcher wird er als Mörder zum Volkshelden stilisiert, während die „Unbestechlichen” der Polizei als brutale Folterer und skrupellose Killer vorgeführt werden.

Johnny Depp

Der perfekte Antiheld

Außenseiter sind Paraderollen für Johnny Depp: Als Drogenboss in „Blow", als korrupter CIA-Agent in „Irgendwann in Mexico". Sein Antiheld par excellence aber ist Kapitän Jack Sparrow in „Fluch der Karibik". Privat lebt der 46-Jährige seit Jahren zurückgezogen mit seiner Frau Vanessa Paradis und den Kindern in Frankreich.

„Public Enemies” ist ein historischer Gangsterfilm, in dem alles nicht mehr so recht funktionieren will, wie wir es aus dem Kino kennen. Der Bankräuber John Dillinger in Gestalt von Johnny Depp wird als Mörder zum Volkshelden stilisiert, während die „Unbestechlichen” der Polizei als brutale Folterer und skrupellose Killer vorgeführt werden.

Und das bei einem Regisseur wie Michael Mann, der mit „Heat” das Genre neu definiert hat. Aber Mann treiben hier ganz offensichtlich politische Ambitionen um. Die Staatsmacht wirkt sehr heutig, wie sie da schon zur Zeit der Großen Depression ihren Überwachungs- und Abhörapparat aufbaut. Frauen werden beim Verhöhr geschlagen, vor Schmerz schreiende Sterbende noch nach Informationen ausgequetscht. Hier keimt der Geist, so insinuiert es der Film, der später zu Guantánamo und Abu Ghraib geführt haben mag.

Ungleiches Schauspieler-Paar

Public Enemies

Deutscher Kinostart: 06.08.2009

Regie: Michael Mann

Darsteller: Johnny Depp, Christian Bale, Marion Cotillard, Giovanni Ribisi, Billy Crudup, Stephen Dorff, Channing Tatum u.a.

In „Heat” war die ganze Werbung darauf ausgerichtet, dass Al Pacino und Robert De Niro zum ersten Mal gemeinsam auf der Leinwand zu sehen sein würden - eine kurze Begegnung von Gesetzeshüter und Gangster vor dem finalen Showdown. Bei „Public Enemies” versucht man Ähnliches, indem man nun Johnny Depp als Dillinger und Christian Bale als Gangsterjäger Melvin Purvis gegeneinander antreten lässt. Ein geradezu abstruser Versuch, diese beiden auf ein Niveau zu heben. Bale muss als fanatischer Polizist nicht nur den modischen Geck geben, er bleibt auch sonst so schwach und gefühllos, wie schon im letzten „Terminator”.

Gegen einen wie Johnny Depp steht er da auf verlorenem Posten. Der holt sich jede Szene, um einen Menschen zu kreieren, der voll innerer Leere steckt, die Gesten und das Lächeln der Filmstars imitiert, sich nur über seine Taten definiert und in Billie Frechette (Marion Cotillard) eine Geliebte sucht, damit auch er etwas zu beschützen hat in dieser Welt. Das Groteske dabei ist, dass Billie nur deshalb Schutz braucht, weil sie mit Dillinger zusammen ist. Und genauso grotesk ist Dillingers Robin-Hood-Geste, wenn er einem Bankkunden demonstrativ das Geld lässt, dass dieser gerade abheben wollte. Danach raubt er das der anderen in der Reihe.

Der letzte Anarchist Amerikas

Man spürt überdeutlich, dass Michael Mann aus diesem ebenso sympathischen wie widersprüchlichen Gangster so etwas wie den letzten Anarchisten Amerikas konstruieren möchte. Darum müssen andere Großgangster wie Babyface Nelson als depperte Soziopathen erscheinen, darum auch bringt er das organisierte Verbrechen unter Frank Nitti ins Spiel. Dort hat man längst den sauberen Weg der illegalen Geldbeschaffung entdeckt, Typen wie Dillinger stören da nur noch. Die Verbrechens-Industrie wehrt sich gegen den Handwerker.

„Public Enemies” beschreibt die letzten 13 Monate im Leben von John Dillinger. Es beginnt mit einem spektakulären Gefängnisausbruch, und es endet damit, dass der Bankräuber durch Verrat nach einem Kinobesuch gestellt und praktisch hingerichtet wird. Das Letzte, was er gesehen hat, war Clark Gable in „Manhattan Melodrama”, wo der einen Gangster spielt, der auf dem Elektrischen Stuhl sterben soll. Dazwischen gibt es eine fast traumhaft anmutende Szene, in der Dillinger, ganz im Bewusstsein seiner Unverwundbarkeit, persönlich in den Büros seiner Häscher erscheint und von niemandem erkannt wird.

Fahriges Fernsehmaterial

Manns Film ist voll von derart genauen und präzisen Details. Gedreht wurde, wo es eben ging, an Originalschauplätzen - im Crown Point Gefängnis ebenso wie in der Little Bohemia Lodge, wo die Polizei Dillinger einst verfehlte, dafür aber drei Zivilisten erschoss. Depp versucht seiner Rolle nicht nur durch die Physis gerecht zu werden, er soll im Original auch beängstigend genau den Tonfall Dillingers hinbekommen haben.

Es ist schade, dass all diese Versuche einer Neuschöpfung der 30er Jahre durch Michael Manns Liebe zur Digitalkamera sabotiert wird. Was in den Nachtaufnahmen des modernen Profikiller-Films „Collateral” noch funktioniert haben mag, das misslingt in den Tagesaufnahmen von „Public Enemies” gewaltig. Die mit Handkamera aufgenommenen Sequenzen wirken wie fahriges Fernsehmaterial, für tragfähige Kinobilder fehlt es ihnen an Statur. So ist „Public Enemies” in vielem ein interessanter Film geworden sein, ein großer Film, wie man ihn von diesem Regisseur erwartet hätte, ist es nicht.