Essen. Männer, vor denen uns unsere Mütter immer gewarnt haben, sind dann ja doch oft die interessantesten. Gern auch überlebensgroß im Kino. Zweiter Teil der Serie mit Lektionen in Sachen Männlichkeit.

Frauen sind oft passionierte Fans. Manchmal mit zweifelhaftem Geschmack. Sie vergucken sich nicht etwa in zarte, rücksichtsvolle und sensible Typen, die ihnen zu Füßen liegen würden. Sie bevorzugen maskuline, selbstbezogene und arrogante Mistkerle, die sie keines Blickes würdigen. Eine Hommage an die Männer, die auf der Leinwand puren Sex-Appeal verströmen oder den wilden Kerl markieren. Und an eine literarische Figur, die Frauen weltweit zum Schwärmen bringt.

Als Rudolph Valentino 1926 zu Grabe getragen wurde, gab es einen Massenauflauf. 50.000 Schaulustige, vornehmliche weiblichen Geschlechts, säumten die Straßen, auf denen der Trauerzug entlang rollte. Der mit 31 Jahren gestorbene Stummfilmstar gilt als eines der ersten männlichen Sexsymbole. Ein Latin Lover, dessen Charisma sich von der Leinwand aufs Publikum übertrug – über theatralische Gesten und glühende Blicke. Dass er in seinen abenteuerlichen Filmgeschichten in lächerlichen Kostümen steckte, fiel nicht weiter auf. „Die Zuschauerin fragt sich nicht, ob er wohl als Ernährer taugt, einen Bausparvertrag besitzt, Kinder mag und den Müll hinunterbringt. Es genügte völlig, dass er puren Sex-Appeal bietet“, stellt Constanze Kleis in dem amüsanten Buch „Göttliche Kerle. Männer – Sex – Kino“ fest. Dieser historische Frauen-Traum war auf der Leinwand – wir befinden uns in der Zeit vor der Entdeckung des Tonfilms – stumm wie ein Fisch. Weitaus redseligere Exemplare sollten folgen.

Eine Hommage an die Männer, vor denen uns unsere Mütter immer gewarnt haben, subjektiv und ohne Anspruch auf Vollständigkeit …

Begrenzt haltbar: Robert Redford

Aus heutiger Sicht ein alter Hut, denn der Mann wird am 18. August 73 Jahre alt. Und auch wenn Robert Redford gerade zum zweiten Mal geheiratet hat - er wird vermutlich nicht so leichtfüßig die Treppen hochspringen wie vor mehr als 40 Jahren in seiner Rolle als frisch gebackener Ehemann, der nach einem Arbeitstag möglichst schnell seine Gattin (Jane Fonda) in der neu bezogenen Mansardenwohnung in die Arme schließen wollte. Blond, blauäugig, biegsam und stets tipptopp gekleidet: In „Barfuß im Park“ überzeugte Redford 1967 mit seinem jungenhaften Charme.

Sein Image als Sonnyboy und Sexsymbol wurde der Star nie wieder los. Aber an der Seite dieses Prachtexemplars von einem Mann wurden Frauen selten glücklich: Entweder hauchten seine Leinwandpersönlichkeiten spektakulär ihr Leben aus (in „Zwei Banditen“, „Aus nächster Nähe“ und „Der große Gatsby“ wurden die von Redford verkörperten Charaktere hinterrücks erschossen; in „Jenseits von Afrika“ stürzte sein Flugzeug ab). Oder er verzichtete wegen unüberbrückbarer politischer Differenzen („So wie wir waren“) oder voller Großmut zugunsten eines Nebenbuhlers („Havanna“, „Ein unmoralisches Angebot“) auf die Angebetete.

Schlussendlich eine ebenbürtige Partnerin

Wenn er nicht sogar einfach nur vorgab, verheiratet zu sein, um einem Kollegen (Brad Pitt) aus der Patsche zu helfen („The Spy Game“). Als Redford schlussendlich – filmbiografisch gesehen – eine ebenbürtige Partnerin erhielt (Helen Mirren in „Anatomie einer Entführung“ im Jahre 2004), musste er wieder ins Gras beißen. Das Fazit bei diesem umschwärmten Mann: Er ist zwar schön anzusehen, aber mit Verfallsdatum versehen.

Das gilt auch für den meist ebenso blonden Brad Pitt in den Anfängen seiner Karriere: als Kleinkrimineller, der seinen One-Night-Stand (Geena Davis) beklaut, wird er in „Thelma und Louise“ eingebuchtet und unter der Regie von Robert Redford in „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ wegen seines lockeren Lebenswandels frühzeitig ermordet.

Schwer zu bändigen: Johnny Depp

Einige Jahre lang roch dieses Exemplar weiblicher Verehrung vorwiegend schlecht aus dem Mund und säbelte sich durch exotische Gefilde („Fluch der Karibik“ Teil 1–3). Aber jetzt ist Johnny Depp in einer erwachsenen Rolle zurück. Mit kurzem Haar und im eleganten Zwirn. Als berüchtigter Verbrecher John Dillinger: Dieser wurde in den 30er-Jahren in den Vereinigten Staaten zum Staatsfeind Nummer 1 erklärt, weil er zahllose Banken ausraubte und immer wieder aus dem Gefängnis ausbrach. In „Public Enemies“ von Regisseur Michael Mann, der am 6. August in den Kinos startet, verkörpert Depp den Meisterdieb in der Wirtschaftskrise als Desperado. Beim ersten Date beantwortet er die Frage seiner attraktiven Begleitung: „Was machen Sie beruflich?“ mit einer coolen Arbeitsplatzbeschreibung: „Ich raube Banken aus.“ Wer könnte da widerstehen?

Heroisch über den Haufen schießen lassen

Aber natürlich ist solch ein charmantes Großmaul, das in dieser Variante von Depp lässig verkörpert wird, nicht zu domestizieren. Für Alexandra Seitz, Autorin einer Biografie über Depp und mit einem Artikel über ihn in dem Buch „Göttliche Kerle“ vertreten, stellen seine Figuren „das missing link zwischen den lasziven Leinwandliebhabern der Stummfilmzeit und den modernen Personifizierungen gebrochener – oder doch wenigstens reflektierter – Maskulinität“ dar. Zugleich repräsentiere Depp „wandlungsreich jenen Typ Mann, an dem die Frauen seit jeher scheitern“.

Diese Gattung lässt sich im Film bevorzugt heroisch über den Haufen schießen, reitet als einsamer Cowboy in den Sonnenuntergang der Prärie oder nimmt die nächste U-Bahn in die City. Auf der anderen Seite schenken Schauspieler in ambivalenten Heldenrollen (etwa Daniel Craig als „James Bond“, Christian Bale in „Batman“ oder Keanu Reeves in „Matrix“) ihren Lebensabschnittspartnerinnen auf der Leinwand wenigstens für kurze Zeit ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit und Zuwendung. Bis zum nächsten Mal…

Grüblerisch veranlagt: Mr. Darcy

Er ist der Traum (fast) aller Frauen. Altersübergreifend. Zeitlos. Eine papierne Figur aus einem Roman. Unter anderem von Laurence Olivier (1940), Colin Firth (1995) und zuletzt Matthew Macfadyen (2005) in „Stolz und Vorurteil“ fürs Fernsehen und Kino auf höchst unterschiedliche Weise zum Leben erweckt. Was gefällt Frauen bloß an diesem grüblerisch veranlagten Adelsspross, der erst zur Höchstform aufläuft, wenn er nass bis auf die Knochen vor Elizabeth Bennet steht und ihr seine Liebe gesteht? Für die einen ist er ein standesbewusstes Alpha-Männchen, das den Menschen in seiner Umgebung, die er für nicht ebenbürtig hält, auf rüde Art und Weise vor den Kopf stößt. Zugleich bestärkt die von Jane Austen geschaffene literarische Figur Frauen in dem Glauben, dass sie das Beste aus einem Mann herausholen können, der auf dem ersten Blick vollkommen unsympathisch wirkt. Denn in Wirklichkeit verstecke sich hinter dessen Abweisung eine verborgene Leidenschaft, die sich entfessle, wenn sie auf die eine Frau träfe, die für diesen Mann bestimmt ist.

Wir sollten es besser wissen

Mehr Lesen

Ein Mann wie Mr. Darcy

Bücher zum Thema:

  • Alexandra Potter: Ein Mann wie Mr. Darcy. Goldmann
  • Sabine Horst/Constanze Kleis (Hg.): Göttliche Kerle. Männer – Sex – Kino. Bertz

Und zum Ansehen:

„Wir sollten es besser wissen“, kommentierte Cherry Potter lakonisch dieses weibliche Wunschdenken in der englischen Tageszeitung „The Guardian“. Oder wie es die Protagonistin in Alexandra Potters Roman „Ein Mann wie Mr. Darcy“ auf den Punkt bringt: „Klitzekleine Kritikpunkte an Mr. Darcy: Dass er manchmal ein bisschen zu eindringlich sein kann (...). All dieses düstere Brüten (...).“ Es muss aber nicht so weit gehen wie bei Emily in dem Roman, die ihrem Traummann Mr. Darcy auf Schritt und Tritt begegnet und ihm am Ende genervt entgegenschleudert: „Sie sind nicht mein Typ.“ Denn im wahren Leben wolle man jemanden haben, der einen fest in die Arme schließt.

Doch auf der Kinoleinwand entfalten gerade die Männer, die sich entziehen, ihre anziehende Wirkung. Selbst wenn wir es im wahren Leben natürlich besser wissen.