Dortmund. . „Was tun?“: Das Dortmunder Frauenfilmfestival rückt der Gegenwart zu Leibe. Es zeigt mit anspruchsvoll internationalen Beitragen, wie man der ökologischen und politischen Situation auf unserem Globus umgehen kann.

Die Vorstellung, dass Filme von Frauen ganz selbstverständlich auch Filme über Frauen sein müssen, ist eigentlich längst überholt. Das morgen in Dortmund beginnende Frauenfilmfestival tritt dafür gleich zu Beginn einen eindrucksvollen Beweis an: In dem spanischen Eröffnungsfilm „También la Illuvia“ (Sogar der Regen) inszeniert die ehemalige Schauspielerin Icíar Bollain großes Kino – nahezu ausschließlich mit Männern.

Mit 25 000 Euro komfortabel ausgestattet

Eine spanische Filmcrew fällt in Bolivien ein, weil das Produzieren dort ziemlich billig ist. Hier will der Regisseur Sebastián (Gael Garcia Bernal) seinen Traum von einem kritischen Columbus-Film verwirklichen. Aber die Geschichte holt sie ein: Die Statisten, die sie verpflichten und die im Film den Aufstand gegen die Conquistadores organisieren, protestieren gerade unter Einsatz ihres Lebens gegen die Enteignung ihres Wassers durch ein britisches Unternehmen.

Icíar Bollains Film ist nicht nur der gelungene Anwärmer für sechs Tage voller spannender Filme von Frauen, er befindet sich auch im Wettbewerb um den Regiepreis, der mit 25 000 Euro komfortabel ausgestattet ist. Erstmals wird in diesem Jahr der Preis aufgesplittet, sollen 10 000 Euro die Verleihe in die Lage versetzen, den Siegerfilm in Deutschland angemessen ins Kino zu bringen. An die 70 Filme wurden diesmal gesichtet, acht schließlich ausgewählt.

Frauenfilm ausschließlich mit Männern

Auch die belgische Regisseurin Marion Hänsel beschäftigt sich in „Noir Océan“ (Schwarzer Ozean) ausschließlich mit Männern. Der Film spielt unter Matrosen eines französischen Marineschiffs, das sich 1972 am pazifischen Mururoa-Atoll an Atombentests beteiligen soll. Lieblicher hat man einen Atompilz sich noch nie bilden sehen, als in den Pastellfarben, mit denen uns die Regisseurin hier den Schrecken in Schönheit kleidet. Ein einziger Matrose nur begreift die Folgen ihres Tuns und verliert sich in Verzweiflung.

Aber natürlich wird der Wettbewerb dominiert von Frauenschicksalen, die gerade Männer nicht selten irritieren. Da haben wir die Ärztin Charlotte (Sandra Hüller) in Nanouk Leopolds „Brownian Movement“, glücklich verheiratet und Mutter eines Kindes ist. Trotzdem pflegt sie eine seltsame Vorliebe: In einer zweiten Wohnung hat sie Sex mit Klinik-Patienten, die aus dem Raster fallen – übermäßig dicke Männer, Männer mit starker Körperbehaarung oder Greise. Der Zuschauer erkennt fast karitatives Handeln. Der Ehemann eher nicht.

Im Bordell als Sex-Sklavinnen

Pato und Nancy sind zwei junge Frauen in der argentinischen Provinz, die vom Abenteuer Großstadt träumen, in Bueno Aires aber in einem Bordell als Sex-Sklavinnen landen. „La Mosca en la cenzia“ (Die Fliege in der Asche) von Gabriela David zeigt uns zwei völlig gegensätzliche Arten, mit dieser Situation fertig zu werden: Die pragmatische Nancy passt sich an und schlägt im Unglück das Beste für sich dabei heraus, Pato verweigert sich konsequent und spielt dabei mit ihrem Leben.

Festivalleiterin Silke J. Räbiger freut sich, dass nach langer Zeit wieder ein griechischer und ein tschechischer Film auf dem Festival vertreten sind. In „Attenberg“ von Athina Rachel Tsangari träumt eine junge Frau von üppigen Penis-Bäumen, gesteht eine andere ihrem kranken Vater, dass sie ihn sich gelegentlich nackt vorstellt. Es ist der vielleicht seltsamste Film im Wettbewerb, das Porträt einer Teenagerin, die lange zwar keine Leidenschaft für Männer empfinden kann, sich von ihrer Freundin aber schon im Zungenkuss unterrichten lässt.

Traurige Slowaken und Tschechen

Am traurigsten sind die Menschen in der slowakisch-tschechischen Produktion „Dom“ (Das Haus) von Zuzana Liová. Tochter Eva ist unglücklich, weil ihr Liebhaber auch ihr Englischlehrer ist und dazu noch verheiratet. Ihr Vater kann nicht lachen, weil er ein Haus baut, von dem er weiß, dass die Tochter nie einziehen wird. Und dann ist da noch Evas Schwester, die der Vater verstoßen hat, weil ihm der Schwiegersohn nicht passte und die nun mit drei Kindern im Elend steckt.

Der Themenschwerpunkt des Festivals lautet „Was tun?“ – angesichts weltweiter ökologischer und politischer Krisen. „So bitter es ist“, meint Räbiger, „aber da haben wir angesichts der Ereignisse eine wahre Punktlandung hingelegt.“ In fünf Themenblöcken mit über 20 Filmen rückt man den Gegenwartsproblemen zu Leibe. Besonders bewegend: „Between Two Fires“ aus Schweden, der sich am Beispiel einer weißrussischen Mutter und ihrer Tochter mit den Unzulänglichkeiten europäischer Einwanderungspolitik auseinandersetzt.

  • Das Internationale Frauenfilmfestival Dortmund/Köln findet dieses Jahr vom 12. bis 17. April in Dortmund statt. Neben den genannten Reihen gibt es eine Begegnung mit Komikerinnen der 1910-er Jahre, ein Angebot als Schulfilmprogramm, Fortbildungen und Workshops. Festivalkinos sind erstmals das Dortmunder U, die Schauburg, das sweetSixteen, das Roxy Kino sowie der CineStar. Festival-Info: 0231-5025162 oder www.frauenfilmfestival.eu