Berlin. Alonso Ruizpalacios orchestriert den Alltag eines New Yorker Restaurants als großes Ballett: „La Cocina – Der Geschmack des Lebens“.
Sie kommen aus Marokko, Mexiko oder der Dominikanischen Republik, und einer der Mindestlohn-Kellner der New Yorker Touristenfalle „The Grill“ hat in der intensivsten Szene des Films „La Cocina“ einfach nur den Traum zu verschwinden.
„La Cocina“: Sprunghafte Nahaufnahmen, elegante Kamerafahrten
Der mexikanische Regisseur Alonso Ruizpalacios hat das Theaterstück „The Kitchen“ des britischen Dramatikers Arnold Wesker als fiebrigen Anti-Amerika-Traum inszeniert, dabei aus seiner Kammerspiel-Atmosphäre gelöst und einen Bildersog entwickelt, dem man sich kaum entziehen kann.
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Dabei macht er glücklicherweise nicht den Fehler, dies als moralisches Lehrstück über Ausbeutung zu verkaufen. Nein, sein wunderbar komponierter Film fängt mit seinen sprunghaften Nahaufnahmen und eleganten Kamerafahrten vielmehr die Lebensfreude der Köche und Kellnerinnen ein.
Wie in einem Musical sind sie drapiert hinter ihren Herden und Tresen. Man wartet fast, dass sie zu tanzen anfangen in diesem wohlorchestrierten Ballett des Restaurantalltags. Dabei tanzen sie mit Worten, wenn sie sich ihre Dialekte und Akzente in einer Art Sprachorchester wie kleine Messer an den Kopf werfen, sich mit Mehl und Zucker beschmeißen, eine Kippe anzünden oder ein Bier zischen.
„La Cocina“: Ein Hauch von Titanic
Und wenn der glatzköpfige Küchenchef (Lee Seelars) mal wieder zu laut wird, dann wird halt gestreikt, bis er, den alle nur „Chef“ nennen, auf eine Kiste steigt und auf mexikanisch die US-Hymne singt.
So entwickelt Ruizpalacios gekonnt ein „Wir sind alle in einem Boot“-Gefühl. Man fühlt sich dann schon ein bisschen wie auf der Titanic, und nicht nur, weil die kaputte Sodamaschine eine kleine Überschwemmung verursacht. Denn die Katastrophe ist so nah.
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In der Kasse fehlen 800 Dollar, und bald wird ausgerechnet die „tickende Zeitbombe“ Pedro (Raúl Briones Carmona) verdächtigt, sie für die Bezahlung der Abtreibung seiner Freundin Julia (Rooney Mara) geklaut zu haben. Die Verdächtigungen, Irritationen und Konflikte steigern sich bis zur Katastrophe in einem unglaublichen Film, der 2024 – leider von der Jury übersehen – im Berlinale-Wettbewerb lief.
Drama, Mexiko, USA 2024, 139 min., von Alonso Ruizpalacios, mit Raúl Briones, Rooney Mara, Anna Diaz, Motel Foster