Essen. Der futuristische Liebesfilm “Her“ erzählt die Geschichte des Journalisten Theodore (Joaquin Phoenix), der sich in ein Computer-Betriebssystem verliebt - in einer Welt, in der die Menschen vollständig vernetzt sind. Regisseur und Autor Spike Jonze bekam für das Drehbuch einen Oscar.

Der diesjährige Oscar für das beste Original-Drehbuch – er ging an diesen Film. „Her“, geschrieben und inszeniert von Spike Jonze, wirft einen hintersinnigen Blick in eine nicht mehr allzu ferne Zukunft. Die Vernetzung der Menschen mittels Smartphone und Internet hat den Grad der Vollständigkeit erreicht.

Computer werden nicht mehr über die Tastatur, sondern über Sprache gesteuert, E-Mails und andere Kurznachrichten sind über einen Hörstöpsel im Ohr jederzeit und an jedem Ort empfangbar.

Ein neues Betriebssystem räumt gründlich in den Mailboxen auf

Der frühere Journalist Theodore Twombly ist in dieser Welt voll und ganz integriert. Als Autor für den Internetdienst „schöne-handgeschriebene-briefe.com“ verfasst er persönliche Botschaften und Grußschreiben. Theodore ist kein glücklicher Mann.

Zu schwer wiegt die gescheiterte Ehe mit Catherine, zu wenig helfen ihm die Bekanntschaften im Job, und die alte Freundschaft zur früheren College-Liebschaft Amy (Amy Adams wandelt sich nach „American Hustle“ zur denkbar grauen Maus) kann nicht vertieft werden, weil Amy verheiratet ist. Theodore steckt also fest im emotionalen Phlegma, vertreibt die Leere mit Video Games, anonymen Flirts und Telefonsex.

Dann wird er auf OS1 aufmerksam, ein neues Betriebssystem, das aus einer lernfähigen künstlichen Intelligenz besteht, die sich auf den jeweiligen Nutzer einstellt. Wie gut das tatsächlich funktioniert, erstaunt sogar Theodore. Kaum ist OS1 wunschgemäß mit weiblicher Stimme konfiguriert, meldet sich schon Samantha, die ihren Namen mal eben selbst ausgesucht hat. Sie räumt kurzerhand in sämtlichen Mailboxen auf und wird binnen kürzester Zeit zur unverzichtbaren Arbeitshilfe und Gesprächspartnerin. Theodore beginnt eine innige Beziehung zu entwickeln, und dann verliebt er sich.

Related contentDie Großstadt der Zukunft sieht aus wie ein Mix aus Los Angeles und Shanghai

Eine raffinierte futuristische Spiegelung der sozialen Verarmung in der heutigen Gesellschaft ist dieser Film, in dem die Menschen kaum noch persönlich miteinander sprechen, doch dafür teilen sie sich umso intensiver ihrem elektronischen Equipment mit. Der einfühlsame Held, nuanciert ausgestaltet von Joaquin Phoenix, ist zwar der selbstkritischen Reflexion fähig, zeigt aber andererseits alle Symptome eines Internet-Junkies, der seine Gefühle umso intensiver auslebt, je anonymer er sich hinter Passwörtern und falschen Identitäten verschanzt. Dann kommt „Sie“, im Original sehr verführerisch eingesprochen von Scarlett Johansson, die durch ihre angestammte deutsche Synchronstimme gut vertreten wird. Spike Jonze wagt eine intime Lovestory, die nie peinlich oder hämisch wird, und deren Ende durch einen raffinierten Kniff herbeigeführt wird, der hier nicht verraten wird.

Auch interessant

Der Look der Zukunft ist dezent gehalten. Die Großstadtbilder sind eine Kombination aus Los Angeles und Shanghai und sie sehen sehr futuristisch aus. Die Männer tragen fürchterliche Flanellhosen, deren Bund bis zur Taille reicht, und Hemden ohne Kragen. Die Damenmode bleibt hingegen ohne eigene Akzente. Das Ambiente der Wohnungen und Büros ist technokratisch nüchtern. In seinen besten Momenten vermittelt der Film eine anrührende Wahrhaftigkeit darüber, welche Verletzlichkeit mit tief empfundenen Gefühlen einhergeht. Der Preis dafür ist es, dass man fast nur ins Gesicht von Joaquin Phoenix blickt. Ganz generell ist der Film rund zwanzig Minuten zu lang. Das ist der andere Preis für ein an sich sehr originelles Drehbuch.
Wertung: Vier von fünf Sternen