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Was macht Langeweile preiswürdig? Dass sie sich als Kunst gefällt. Sofia Coppolas Film „Somewhere“ lässt die Frage zu. Er wurde preisgekrönt und startet jetzt in unseren Kinos.

Als 1948 eine Welle na­tu­ralistischer Filme in Italien für Aufsehen sorgte, gab es ei­ne Definition: Wenn du deine Frau vom Spülen weg ins Kino ausführst, wo auf der Leinwand gerade eine Frau an der Spülschüssel steht – das ist Neorealismus. Angesichts von Sofia Coppolas neuem Film „Somewhere“ muss die Formel lauten: Wenn du daheim nichts mit dir anzufangen weißt, dich ins Kino aufraffst, um dort den Schauspieler Stephen Dorff als Schauspieler Johnny Marco auf der Leinwand zu sehen, der ziellos die Zeit totschlägt – das ist Langeweile. Ein Rätsel, warum die Jury des Filmfestivals von Venedig „Somewhere“ in diesem Jahr mit dem „Goldenen Löwen“ dekorierte.

Sofia Coppola, Tochter des großen Francis Ford, greift hier auf vieles zurück, was schon in ihrem Oscar-prämierten Film „Lost in Translation“ Verwendung fan­d. In beiden Filmen geht es um die Einsamkeit von Schauspielern, in beiden bringt ein weibliches Wesen zumindest zeitweise den Protagonisten aus seinem Trott. Auf ausgefeilte Dialoge, ge­schweige denn auf eine darstellerische Präsenz wie Bill Murray wartet man in „Somewhere“ jedoch vergebens.

Star bedeutungsloser Filme

Johnny Marco, mäßig populär als Star bedeutungsloser Filme, haust im legendären Hotel „Chateau Marmont“ in Hollywood. Seine innere Antriebslosigkeit versucht er zu kompensieren, indem er endlose Runden in seinem Ferrari dreht, von deren Gleichförmigkeit auch der Zuschauer nicht verschont bleibt. Abends bestellt er sich schon mal zwei Tänzerinnen aufs Zimmer, die für ihn an der Stange turnen, bei deren Auftritt er gelegentlich einschläft. Letzteres passiert ihm übrigens auch schon mal beim Sex, wenn er eine seiner flüchtigen Bekanntschaften im Bett hat.

Als seine geschiedene Frau ihm für ein paar Tage die gemeinsame elfjährige Tochter Cleo (Elle Fanning) aufhalst, sind Johnnys Tage zwar nicht mehr so bleiern lang, so etwas wie Dramatik kommt aber auch dadurch nicht ins Spiel. Es gibt keine Spannungen, Marco erweist sich im Gegenteil als liebevoller Vater, der sogar Interesse zeigt an seiner Tochter. Leider hinterlässt das keine Spuren, wenn Cleo schließlich so plötzlich verschwindet, wie sie aufgetaucht ist. Die völlige Abwesenheit von Dramaturgie ist für die Regisseurin hier Gestaltungsprinzip.

Lange Einstellungen voller Tristesse

Am Ende hat man ein paar eindrucksvolle Einstellungen von verlorenen Menschen in Hotelzimmer-Fluchten gesehen. Und einmal sogar aufgetakelte Models auf dem Flur, die abseits des Laufstegs den Eindruck von Aliens vermitteln. Da freut man sich, weil man ein paar Augenblicke lang abgelenkt ist von der Tristesse des Johnny Marco.