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„Fight Club“-Regisseur David Fincher beschäftigt sich auch im „The Social Network“ mit seinem großen Thema Freundschaft. Justin Timberlake spielt Facebook-Gründer Mark Zuckerbergs Geschäftsfreund, den Napster-Mitbegründer Sean Parker.
Auf den ersten Blick scheint dieser Film seltsam unwirklich. Denn was sollte es schon bringen, einen biographischen Film („Biopic“) zu drehen über jemanden, der derzeit gerade mal 26 Jahre zählt, auch wenn er der jüngste lebende Milliardär auf Erden ist? Und dann auch noch einen Film über ein Phänomen des Internets wie Facebook, das man sich mangels bildhafter Darstellungsmöglichkeiten kaum als Thema für die große Leinwand vorstellen mag. Nach Ansicht von David Finchers „The Social Network“ jedoch wird sich niemand mehr solche Fragen stellen. Dem Regisseur nämlich geht es nicht um die Erfolgsstory eines studentischen Computer-Nerds, es geht ihm um die persönlichen Verluste auf dem Weg dorthin.
Der Film beginnt mit einem zehnminütigen, geradezu wasserfallartigen Zwiegespräch zwischen dem Harvard-Studenten Mark Zuckerberg (Jesse Eisenberg) und seiner Freundin, an dessen Ende das Mädchen ihn von jetzt auf gleich verlässt und wir den Eindruck haben, dass es diesem Kotzbrocken von Jungspund ganz recht geschieht. Dennoch ist dieses Gespräch, bei dem wir gleich zu Anfang einen Vorgeschmack auf die Dialogkunst von Drehbuchautor Aaron Sorkin bekommen, indirekt die Geburtsstunde von Facebook. Zuckerberg nämlich geht nach Hause, lässt seinen Frust über die Freundin im Internet aus und rächt sich an den Frauen, indem er im Netz der Universität zu paarweisen Vergleichen weiblicher Studenten aufruft. Der frauenfeindliche Akt ist ein Riesenerfolg und lässt die Server zusammenbrechen.
Wie verändern sich Menschen, denen klar wird, dass sie auf eine Goldader gestoßen sind?
Von hier bis zu Facebook, das heute 500 Millionen User weltweit meldet (in Deutschland allein zehn Millionen), ist der Weg förmlich vorgezeichnet. Gemeinsam mit seinem einzigen echten Freund Eduardo Severin (Andrew Garfield) als Geldgeber wird aus dem zunächst Uni-internen sozialen Netzwerk sehr rasch ein landesweites Phänomen: User lassen sich registrieren, machen ihr Privatleben öffentlich, scharen „Freunde“ um sich, mit denen dann kommuniziert und nicht zuletzt auch viel Tratsch ausgetauscht wird. Diese Art der persönlichen Zurschaustellung kritisch zu hinterfragen ist jedoch nicht Finchers Absicht. Ihn interessiert vielmehr die Veränderung von Menschen, denen plötzlich klar wird, auf welche Goldader sie da gestoßen sind.
Während Zuckerberg dem Rat des aalglatten Napster-Mitbegründers Sean Parker (Justin Timberlake) folgt und schließlich nach Kalifornien übersiedelt, bleibt Freund Eduardo an der Ostküste, um mehr potente Werbekunden aufzutun. Man spürt bereits die Entfremdung zwischen den beiden, denn Zuckerberg ist längst den Einflüsterungen Parkers erlegen. Das große Geld lockt und macht Zuckerberg, selbst immer so etwas wie ein sozialer Krüppel geblieben, plötzlich zu einem interessanten und attraktivem Individuum. Freund Eduardo stört da nur und soll aus dem Geschäft gedrängt werden.
Höchst intelligentes Spiel mit filmischen Realitäten
Die erzählerische Dynamik gewinnt Finchers Film durch die unterschiedlichen Sichtweisen der Ereignisse, was sich zu einem höchst intelligenten Spiel mit filmischen Realitäten auswächst. Hauptsächlich wird aus dem Verlauf zweier Gerichtsverfahren, die gegen Zuckerberg angestrengt werden, zurückgeblickt. Dabei erfährt man denn auch ganz nebenbei, dass die vermeintlich entlarvende Eingangssequenz komplett aus der Erinnerung der Freundin stammt, somit also als sehr subjektiv zu betrachten ist. Wie überhaupt hier jeder aus seinem Blickwinkel berichtet, man sich die Wahrheit und auch den tatsächlichen Charakter Zuckerbergs selbst zusammensetzen muss. Der aber scheint uns auf die Dauer immer mehr zu entgleiten - aus nächster Nähe so fern.
Letztendlich bleibt „The Social Network“ Finchers großem Thema Freundschaft verhaftet. Waren es in „The Game“ zwei Brüder, in „Seven“ und „Zodiac“ jeweils Polizisten oder in „Fight Club“ zwei mit gleichem Interesse, immer tastet Fincher die Belastbarkeit solcher Beziehungen aus. Sein neuer Film hat in Eduardo die einzige wirklich positive Figur. Vielleicht weil er neben diesem manchmal furchtbar stoisch wirkenden Zuckerberg jemand ist, der wirklich Gefühl zu zeigen in der Lage ist.