Cannes. .
Viel Leid und noch mehr Probleme: Woody Allen stellt in Cannes seinen neuen Film „You Will Meet a Tall Dark Stranger“ vor und präsentiert ein Beziehungskaleidoskop um die verunglückten Lieben und Leidenschaften einer Familie.
„Was war der glücklichste Moment Ihres Lebens?” Auf die Frage der Psychologin kommt nur ein leises „Was meinen Sie damit?“ einer verzweifelten Frau zurück. So beginnt „Another You“, das neue Werk des britischen Altmeisters Mike Leigh im Wettbewerb von Cannes. Unglücklich sind nicht wenige Figuren in seinem Werk – und dennoch gerät der Film nie zum weinerlichen Jammertal.
Mit großer Leichtigkeit gelingt es Leigh, seine schweren Themen zu servieren: Vermasseltes Leben, Verlust, Einsamkeit, enttäuschte Hoffnungen. Aufgeteilt in die vier Jahreszeiten wird vom Ehepaar Tom und Gerry erzählt – deren Namen nicht zufällig wie das Cartoon-Duo klingen. Die beiden führen eine zuckersüße Ehe: Sie hilft als Psychologin den Armen, er arbeitet als Geologe. Der Alltag ist von zärtlichem Miteinander bestimmt. Bei ihren Bekannten sieht die Sache weniger rosig aus. Tragische Schicksale, zerborstene Lebensentwürfe – Leigh zeigt dieses Kaleidoskop des Unglücks mit großer Wärme und Wahrhaftigkeit und entwickelt ein bewegendes Drama, klarer Höhepunkt der ersten Festival-Halbzeit.
Ein Beziehungskaleidoskop
Verblüffend ähnlich geht es bei Woody Allen zu. Auch sein „You Will Meet a Tall Dark Stranger“ präsentiert ein Beziehungskaleidoskop um die verunglückten Lieben und Leidenschaften einer Familie. Eine frisch geschiedene Seniorin sucht ihr Glück bei einer Wahrsagerin, während ihr Gatte (Anthony Hopkins) mit Viagra und einer alsbald geehelichten Prostituierten seine Männlichkeit demons-triert. Die Ehe der Tochter ist gleichfalls gefährdet: Sie verliebt sich in ihren hübschen Arbeitgeber, derweil der Gatte, ein frustrierter Autor, bei der netten Nachbarin Trost findet. Das alles ist hübsch anzuschauen, substantiell freilich kaum mehr als eine TV-Seifenoper im Nachmittagsprogramm. Gute Akteure, smarte Dialoge, flotte Dramaturgie – allein es fehlt an Biss und Originalität und bleibt cineastische Schonkost.
Der Mexikaner Alejandro Gonzàlez Inàrritu wird seinem Ruf als Regiewunderkind immerhin visuell gerecht. In „Biutiful“ erzählt er die Geschichte eines Kleinkriminellen (Javier Bardem), der in Barcelona illegale Einwanderer vermittelt. Die Probleme mit seiner getrennt lebenden Frau kann der Vater zweier Kinder noch lösen. Schwieriger gestaltet sich eine andere Herausforderung: Er hat Krebs und nur noch wenige Monate zu leben. Inàrritu erfindet stets grandiose Bilder, doch seine Story lässt einen weitgehend unbeteiligt – trotz des überragend verzweifelten Hauptdarstellers Bardem.
Dass kreativ noch immer günstig geht, beweist der junge Kanadier Noah Punk mit „Zedcrew“, einem Film über drei Rapper, die in die USA einwandern wollen. Seine Akteure rekrutierte der findige Filmer über My Space, das Budget lag bei knapp 1000 Euro.