Essen. Sönke Wortmann verfilmt den Bestseller "Die Päpstin" von Donna W. Cross mit internationaler Starbesetzung und einer überzeugenden Johanna Wokalek in der Hauptrolle. Nach dem „Wunder von Bern” gelingt Wortmann aber kein Wunder von Ingelheim.
Der wirkungsvollste Zauber des deutschen Films scheint derzeit in einem Sträußchen Schafgarbe zu liegen. Die christliche Kräuterkunde ist im Kino momentan so angesagt wie die Tonsur. So fromm ist der deutsche Film, dass nun gleich zwei bibelfeste Frauen ums Kinopublikum streiten. Margarethe von Trottas „Hildegard von Bingen”. Und die Donnerstag anlaufende Verfilmung des Bestseller-Romans „Die Päpstin”, für die zunächst Regisseur Volker Schlöndorff vorgesehen war.
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Es hätte ein spannender Vergleich zwischen dem einstigen Ehepaar des deutschen Autorenfilms werden können, im Zugriff auf historische Kirchen-Stoffe. Doch Schlöndorff verdarb es sich – nach siebenjähriger Vorarbeit – mit der Constantin Film, als er sich gegen die Verquickung von Kino- und Fernsehnutzung aussprach. Erst Kinoereignis, dann TV-Zweiteiler – Schlöndorff sieht darin eine Aufforderung zur „Schludrigkeit”.
Überzeugend linkisch und androgyn
Sönke Wortmann ließ sich nicht schrecken und drehte seinen bislang aufwendigsten Film – mit einer in ihrer androgynen Art und linkischen Anmut überzeugenden Hauptdarstellerin Johanna Wokalek und stolzem 22 Millionen Euro-Budget. Nach dem „Wunder von Bern” folgte aber kein Wunder von Ingelheim.
In diesem Kaff beginnt die Geschichte von Johanna, dem Mädchen, das in eine Welt der Analphabeten und Hexengläubigen geboren wird, in eine Kindheit, die von den heidnischen Göttern der Mutter und der Rute des strengen Vaters, dem katholischen Dorfprediger geprägt ist. Johanna lernt schnell, was im 9. Jahrhundert so hilfreich ist wie heute: Bildung ist der einzige Weg, aus dieser patriarchischen Welt der Gewalt und intellektuellen Entbehrung herauszukommen. Sie lernt zu lesen und zu hinterfragen, zu schreiben, zu argumentieren. Und als das blitzgescheite Mädchen und nicht ihr Bruder Johannes zur Schola berufen wird, bricht das Weltbild des Vaters zusammen.
Eine ungeheure Geschichte
Die Päpstin
Deutscher Kinostart:
Regie: Sönke Wortmann
Darsteller: Johanna Wokalek, David Wenham, John Goodman, Iain Glen, Edward Petherbridge, Anatole Taubman u.a.
Doch Johannas „Karriere” führt noch viel weiter, bis nach Rom, wo man sich noch wundern wird. Dort findet sie ihre Form von Freiheit in den hohen Mauern des Vatikans und der Verkleidung eines Mannes. Sie wird Gelehrter, Leibarzt des Papstes und irgendwann – Papst. Eine ungeheure Geschichte, deren Wahrheitsgehalt die Autorin Donna W. Cross bis heute betont, auch wenn sich keine wirklichen Beweise dafür finden. Cross indes hält die vatikanischen Akten für „gesäubert”.
So oder so folgten ihr Millionen Leser bereitwillig, weil auf den 500 Seiten nicht nur das Pergament, sondern auch die großen Gefühle zwischen Johanna und ihrem Ziehvater Gerold (David Wenham) knistern. Eine romantische Lovestory im Vatikan, inklusive Macht-Verschwörung, intriganter Stiefmutter und einem Papst Sergius (John Goodman), der so altmodisch wirkt, als würde gleich Rex Harrison als Julius Cäsar um die Ecke kommen.
Kein Zugang zur eigenen Vorstellungskraft
Saftiger Stoff, aber Wortmann will beflissen illustrieren, will es allen recht machen und so wenig wie möglich weglassen. Viele Details in 148 Minuten, aber er findet nicht den Zugang zur eigenen Vorstellungskraft. So verharrt „die Päpstin” in oft gesehener, elendsveredelter Historien-Kulisse, der schmuddelschönen Mischung aus Rattendreck und faulen Zähnen, Leprawunden und schwarzen Fingernägeln. Ein Film mit großem Ausstattungs-Aufwand und weniger atmosphärischem Gespür.
Denn das eigentlich Faszinierende des Buch-Stoffs, Johannas innerer Kampf zwischen Alles-Denken-Können und Nichts-Sagen-Dürfen, hat Wortmann nicht übersetzen können. Darüber täuschen weder die abgehackten Köpfe, die die hereinbrechenden Normannen hinterlassen, noch die von Strauchdieben abgeschnittenen Finger oder das Säbelrasseln der Frankenheere hinweg.