Köln. Für Undercover-Missionen gibt es keine Pensionsgrenze: Günter Wallraff kehrt als Afrikaner Kwami in der Dokumentation "Schwarz auf Weiß" ins Rampenlicht zurück.
Als Phantom ist Günter Wallraff uns in den vergangenen Jahrzehnten öfters begegnet. Zuletzt aber schien er nur noch ein Gespenst der Vergangenheit, was manchem nicht unlieb war. Vergessen, verschwunden, über das viele, kräftezehrende Entlarven müde und krank geworden.
Doch nun ist Günter Wallraff wieder da – mit neuem Film und Buch. Aus dem Mann, der als Türke Ali „ganz unten” Enthüllungs-Journalismus-Geschichte geschrieben hat, der bei „Bild” und McDonalds undercover schuftete, und als Obdachloser bei minus 20 Grad auf der Straße schlief, aus diesem Journalisten-Chamäleon ist nun der Afrikaner Kwami Ogonno geworden. Flüchtling aus Somalia, dem die Maske eine Afro-Perücke und einen farbigen Anstrich verpasst hat, der echter wirkt als schwarze Schuhcreme.
Die Maskerade funktioniert
Günter Wallraff: Schwarz auf Weiß
Deutscher Kinostart: 22. Oktober 2009
Eine Dokumentation von Pagonis Pagonakis und Susanne Jäger.
Mit: Günter Wallraff u.a.
Trotzdem hätte man kaum für möglich gehalten, dass eine derartige Sarotti-Mohr-Maskerade noch funktioniert. Wallraff beweist es. Und präsentiert uns just in den Tagen, in denen eine neue Debatte über den Integrationswillen von Migranten angelaufen ist, die Integrationsunlust mancher Deutscher. Ein farbiger Mieter im Haus? „Der passt da nicht rein. So schwarz wie der ist, so schwarz wie der Heidi Klum ihrer”, empört sich eine aufgebrachte Vermieterin in Köln-Nippes nach der Wallraff-Visite. Es ist die entlarvende Technik, auch die böse Finte der Deutschland-Doku „Schwarz auf Weiß”, die jetzt anläuft: Nachdem „Kwami” Wallraf mit der Kamera im Knopfloch das abweisende Armeverschränken, die hämische Bemerkung, die verdruckste bis offene Diskriminierung aufgenommen hat, kommt Regisseur Pagonis Pagonakis und belauscht mit verstecktem Aufnahmegerät Volkes Stimme – diese Mischung aus dumpfen Vorurteilen und der unbestimmten Angst vorm schwarzen Mann.
Wallraff ist jetzt 67, ein Alter, in dem andere damit beschäftigt sind, ihren Vorgarten zu bestellen. Wallraff treibt immer noch die Lage im Land um. Eine Undercover-Legende, längst Großvater, in dritter Ehe verheiratet und über das Aufdecken von Misständen bekannt und reich geworden. Trotzdem zieht es ihn immer wieder nach „ganz unten”, ins sozialkritische Rollenspiel. Vielleicht ein unverbesserlicher Weltverbesserer, vielleicht auch ewiger Masochist.
Fremdenfeindlichkeit geht durch alle Schichten
Im Kino fragt man sich manchmal, warum er sich das immer noch antut. Warum er sich von besoffenen Fußballfans anpöbeln und herumschubsen lässt, bis die Polizei einschreiten muss? Warum er in bayerischen Amtsstuben die Demütigungen erträgt, bis der Antrag auf einen Jagdschein zur bitterbösen Polt-Satire gerät? Das beifällige Kopfschütteln seiner Anhänger ist ihm dabei natürlich sicher. Die es angehen soll, werden sich den Film kaum ansehen oder nichts dabei finden. Dieser offensive Umgang mit rassistischen Ressentiments hat ihn ohnehin überrascht, als die unfreiwilligen „Mitspieler” ihr Einverständnis geben mussten für den Leinwand-Auftritt.
Nur wenige bestanden auf Verfremdung. „Die meisten haben nichts dabei gefunden: ,Ja, zeig das', war die übliche Reaktion”, wundert sich Wallraff. In der Schrebergartenkolonie in Berlin-Marzahn, beim Schutzhundeverein, der plötzlich horrende Aufnahmegebühren verlangte und der Wandergruppe, die Wallraff auf seiner einjährigen Deutschlandreise heimsuchte.
Das Thema Fremdenfeindlichkeit gehe dabei durch alle Schichten, glaubt Wallraff. „Es ist nicht die Mehrheit, aber es hat einen Überbau.” Deshalb wird es mit dem Ruhestand noch nichts werden, Wallraff, der Marathon-Läufer, denkt schon an Fortsetzung. „Ich glaube , ich bin in zwei, drei Jahren noch mal unterwegs.” Man darf das als Warnung verstehen. „Der Schwarze auf der Straße, das könnte ich sein!”