Essen. Er war der höchstbezahlte Tiertrainer der Welt, spezialisiert auf Filmeinsätze. Heute kämpft er mit seinem "Dolphin Project" für die Rechte der Meeressäuger. Ein Interview mit „Flipper”-Trainer Richard O'Barry zum Öko-Thriller "Die Bucht", der am 22.10. in den deutschen Kinos anläuft.

Die Bucht

Deutscher Kinostart: 22. Oktober 2009

Eine Dokumentation von Louie Psihoyos

Mit: Ric O'Barry, David Rastovich u.a.

In den 60er Jahren gehörte Richard O'Barry zu den Pionieren der Tierdressur für Filmeinsätze. Mit seinen "Flipper"-Tricks wurde er reich und berühmt. Dann wandelte er sich vom Saulus zum Paulus: Nach dem Tod von "Delfin"-Dame Kerry erkannte O'Barry, welche Qual die Haltung in Gefangenschaft für die intelligenten Tiere bedeutet. 1970 gründete er das "Dolphin Project", das sich für die Freilassung der Tiere einsetzt. Engagiert kämpft O'Barry gegen die Delfin-Jagd im japanischen Fischerdorf Taiji, wo jedes Jahr Tausende der Tiere in einer Bucht brutal geschlachtet werden. Davon erzählt nun der Doku-Thriller "The Cove", der beim renommierten Festival von Sundance den Publikumspreis bekam.

Am Ende des Films stehen Sie auf der geschäftigsten Kreuzung von Tokio und fragen: "Wenn wir dieses kleine Problem nicht lösen können, wie sollen wir dann die globalen Probleme lösen?" - Fühlen Sie sich bisweilen wie ein Don Quichotte?

Richard O'Barry: Ich habe nicht das Gefühl, gegen Windmühlen zu kämpfen, Ich habe eher das Gefühl, dass wir diese Todesbucht in Japan bald schließen können. Bei diesem Kampf stehe ich unsere Aussichten jedenfalls sehr positiv.

Richard O'Barry (li.) mit seinem Sohn Lincoln. (c) AP
Richard O'Barry (li.) mit seinem Sohn Lincoln. (c) AP © AP

Was macht Sie so zuversichtlich?

O'Barry: Überall, wo wir den Film gezeigt hatten, waren die Reaktionen des Publikums ganz enorm. In Sundance bekamen wir stehende Ovationen - was es für Dokumentarfilme bislang noch nie gab. Diesen großen Zuspruch der Zuschauer finde ich sehr ermutigend. Dieser Film hat die Macht, dass der Druck der Öffentlichkeit dazu führt, dass dieses Schlachten der Delfine in dieser Bucht beendet wird.

Woher rührt die starke Reaktion der Zuschauer? Gibt es ein Bedürfnis, dass in der übergroßen Öko-Krise jemand wenigsten stellvertretend ein bisschen die Umwelt rettet?

O'Barry: Die Zuschauer leiden, lachen und applaudieren bei diesem Film, das ist jedenfalls unsere bisherige Erfahrung. Aber zudem werden sie anschließend auch aktiv: Nach der Premiere kam zum Beispiel Sting mit seiner Ehefrau zu mir und sagte: "Wie können wir helfen, etwas gegen diesen Skandal zu unternehmen?" - und Sting ist bei weitem nicht der einzige, der sich diese Frage stellt.

Wollen Sie Japan mit diesem Film den (Delfin-)Krieg erklären?

O'Barry: Ganz und gar nicht. Wir haben absolut nichts gegen Japaner und auch nichts gegen die japanische Regierung. Unsere Feinde sitzen in der japanischen Wahlfangkommission. Darin sitzen Leute, die ihre gut bezahlten Jobs nicht verlieren wollen. Nach diesem Film wird sich das hoffentlich ändern - und zwar nicht, weil dieses Fischen so grausam ist, sondern weil der Fisch verseucht ist.

Die Japaner verweisen auf die kulturelle Tradition des Walfangs...

O'Barry: Auf diese kulturelle Tradition wird immer gerne verwiesen, weil sich dagegen schwer argumentieren lässt. Bei der Bedrohung durch Quecksilber hat es die Lobby nicht so leicht: Das sind wissenschaftliche Fakten, die nicht widerlegt werden können.

Was hat es mit der Vergiftung auf sich?

Die getarnte Crew der Dokumentation (von li.): Regisseur Louie Psihoyos, Joe Chisholm und Charles Hambleton. (c) Filmwelt Verleihagentur / Oceanic Preservation Society Production
Die getarnte Crew der Dokumentation (von li.): Regisseur Louie Psihoyos, Joe Chisholm und Charles Hambleton. (c) Filmwelt Verleihagentur / Oceanic Preservation Society Production © Louie Psihoyos

O'Barry: Wir zeigen, wie stark dieses Delfin-Fleisch mit Schwermetallen vergiftet ist - wenn Produkte derart mangelhaft sind, bricht ihr Markt zusammen, egal, ob es Fisch ist oder Cola. Wenn die Japaner von diesem ganzen Skandal erfahren, werden sie diese Ware nicht mehr kaufen. Damit ist das Geschäft mit Delfin-Fleisch gestorben und das grausame Abschlachten hat ein Ende.

Die Vergiftung ist ein Argument, die Grausamkeit gegenüber intelligenten Lebewesen ein anderes...

O'Barry: In Japan hat man ein anderes Verhältnis zu Delfinen. Bereits die Bezeichnung dafür ist irreführend, übersetzt heißt es soviel wie "Monster Fisch". Den unwissenden Fischern kann man also gar keinen Vorwurf machen, ganz anders verhält es sich mit den Tier-Trainern, die bei der Treibjagd nach schönen Exemplaren für ihre Shows suchen. Diese Leute arbeiten täglich mit diesen klugen Tieren, und hier verursachen sie dieses große Leid.

Warum wird Greenpeace, der WWF oder andere in dieser Sache nicht aktiv?

O'Barry: Das müssten Sie dort nachfragen. Da geschieht das größte Abschlachten von Delfinen direkt vor ihren Augen - und keiner war je an dieser Todesbucht. Man darf nicht vergessen, dass es bei Greenpeace zwei Lager gibt: International ist man allgemein gegen Walfang, in Japan hingegen konzentriert man sich lediglich auf den südlichen Pazifik - und klammert die Missstände vor der eigenen Haustüre aus.

Die intelligenten Meeressäuger werden von den Menschen geliebt. (c) imago
Die intelligenten Meeressäuger werden von den Menschen geliebt. (c) imago © imago stock&people

Wie steht es um die Missstände vor der amerikanischen Haustür?

O'Barry: Richtig, das ist kein japanisches Problem, sondern ein weltweites. Allein durch das Fischen von Thunfisch kommen in Amerika geschätzte 7 Millionen Delfine ums Leben. Ebenso ist die Vergiftung durch Quecksilber nicht allein auf Japan beschränkt, sondern passiert überall. In unserem Film konzentrieren wir uns allerdings auf dieses eine Problem an dieser kleinen Küste.

Was sagen Sie zu den Geschichten, dass Delfine bisweilen aus reiner Freude andere Tiere töten?

O'Barry: Es gab vor kurzem offensichtlich einen solchen Zwischenfall vor Schottland. Für mich hat dieses Verhalten etwas mit den fehlenden Nahrungsquellen zu tun. Wenn die Fischer in dieser Gegend schon über massive Rückgänge ihrer Fänge klagen, wie soll es dann einem Delfin ergehen, der täglich 30 Pfund an Fisch benötigt? Dieses Ausplündern der Meere führt dann zu einem derartigen Verhalten der Delfine.

Mit welchen Gefühlen sehen Sie heute einen Delfin?

O'Barry: Ich bin noch immer fasziniert und begeistert von den vielen Geheimnissen, die es um sie gibt. Man bezeichnet mich zwar oft als Experten - aber eigentlich weiß ich überhaupt nichts von diesen grandiosen Tieren.

Das Meer nach dem großen Abschlachten. (c) imago
Das Meer nach dem großen Abschlachten. (c) imago

Was halten Sie von Delfin-Therapie?

O'Barry: Das ist Blödsinn. Delfine können keine Menschen heilen. Sie können sich ja auch nicht selber heilen. Diese ganze Therapiesache ist nur ein Marketing-Trick. Als ich noch Trainer in einem Delfinarium war, zahlten die Zuschauer 10 Dollar, um die Tricks zu sehen. Dann kam ein Buchhalter auf die Idee: Wenn wir das Publikum in das Becken hineinlassen, könnten wir 100 Dollar kassieren. Das funktionierte. Dann hatte jemand die Idee: Lassen wir die Delfine heilen, dann können wir 8000 Dollar kassieren. Es geht hier also nur um Geld und Profit.

Bereuen Sie Ihre "Flipper"-Zeiten?

O'Barry: Ja, meine "Flipper"-Zeiten bereue ich durchaus. Ich war Mitte zwanzig und der höchstbezahlte Tiertrainer der Welt. Ich fuhr jedes Jahr einen neuen Porsche - ob ich ihn brauchte oder nicht. Unter solchen Verhältnissen setzt man gerne seine Scheuklappen auf. Ich war so ignorant wie möglich und war es, so lange es ging.

Kennen Sie "Per Anhalter durch die Galaxie"?

O'Barry: Ich liebe dieses Buch sehr. In diesem Sinne: "Danke für den Fisch..."