Essen. Ein mit dem Gesetz in Konflikt geratener Journalist und eine Hackerin nehmen die Suche nach einem vor 40 Jahren verschwundenen Mädchen auf. "Verblendung”", der erste Teil von Stieg Larssons "Millenium"-Trilogie kommt jetzt in die deutschen Kinos.
Verblendung
Deutscher Kinostart: 01.10.2009
Regie: Niels Arden
Darsteller: Michael Nyqvist, Noomi Rapace, Lena Endre, Sven-Bertil Taube u.a.
Wie verfilmt man den Roman eines Phänomens? Jedenfalls kann man die Erfolgsgeschichte des schwedischen Autors Stieg Larsson anders kaum bezeichnen: Vor Veröffentlichung seiner drei Bücher mit nur 50 Jahren an Herzversagen gestorben – und nun plötzlich der weltweit zweitmeistgelesene Autor (nach Khaled Hosseinis „Drachenläufer”). Da kann man sich als Regisseur nur mit Ehrfurcht nähern. Der Däne Niels Arden Oplev hat es gewagt und legt mit „Verblendung” nun den ersten Film nach Larssons „Millenium”-Trilogie vor.
Monströse Enthüllungen
Selbst wenn die beiden Drehbuchautoren Nikolaj Arcel und Rasmus Heisterberg die Zeit und die Handlung raffen: Man spürt beim Sehen, und das geschieht nicht gerade oft, wie das Buch den Leser förmlich hineingezogen haben muss in diese weitverzweigte Familiengeschichte mit ihren monströsen Enthüllungen. Alles beginnt mit einem vielversprechenden Geheimnis: Vor 40 Jahren verschwand die junge Harriet spurlos beim jährlichen Treffen des Industriellen-Clans Vanger von der familieneigenen Insel. Kein Lebenszeichen gab es mehr, nur Harriets Lieblingsonkel Henrik erhält Jahr für Jahr zum Geburtstag immer wieder getrocknete Blumen zugeschickt. Etwas, was Harriet schon als Kind gemacht hat.
Der alte Mann tut das, was man in Kriminalromanen um vermisste Personen immer tut: Er sucht die Hilfe eines professionellen Rechercheurs, der endlich Licht bringen kann in die geheimnisvolle Affäre und Henrik vor seinem Tod noch Gewissheit bescheren soll. Die Wahl fällt nicht auf einen Privatdetektiv, sondern auf den engagierten Journalisten Mikael Blomkvist (Michael Nykvist), der wegen seiner kritischen Berichterstattung für das Magazin „Millenium” gerade zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Bis zum Antritt hat er noch ein halbes Jahr Zeit.
"Männer, die Frauen hassen"
Blomkvist würde nicht weiterkommen, wenn ihm nicht die höchst unkonventionelle Hackerin Lisbeth Salander (Noomi Rapace) insgeheim zu Hilfe kommen würde. Im Internet ist sie auf Blomkvists Recherchen gestoßen, der Fall interessiert sie – und sie als Figur interessiert Leser und Zuschauer. Lisbeth ist ein ungewöhnliches Mädchen mit einem düsteren Geheimnis in ihrer Biographie. Nicht umsonst muss sie mit 25 immer noch mit einem Vormund leben, der von ihr sexuelle Zuwendung erpresst und sie bei Abweisung letztlich auch vergewaltigt. Später wird Lisbeth dafür furchtbare Rache nehmen.
Man merkt schnell, dass bei Larsson die beiden Ermittler die interessantesten Figuren der ganzen Handlung sind. Was den Autor natürlich in Bezug auf den Fall in Zugzwang bringt. Seien wir ehrlich: Was hier schließlich von alten schwedischen Nazis aus Industriellenkreisen zutage gefördert wird, kommt gerade in der filmischen Verdichtung schon sehr „over the top” herüber. Möglicherweise liest sich das in der Breite des Buches viel rationaler. Hier jedoch wirkt es geradezu grotesk, wie ein als Serienmörder tätiger Vater seinen Sohn beizeiten als Nachfolger anlernt. Beide haben offenbar heftige Komplexe dem weiblichen Geschlecht gegenüber, die sie durch fortgesetztes Töten zu kompensieren versuchen. Darum auch lautet der viel treffendere Originaltitel „Männer, die Frauen hassen”.
Zupackend und scheu
Seien wir froh, dass es noch Lisbeth Salander mit ihrer Borderline-Veranlagung und ihren Rätseln gibt. Ungemein plastisch und lebensnah gestaltet Noomi Rapace diese Rolle, eine zupackende Hackerin ebenso wie ein scheues Reh, wenn es um menschliche Kontakte geht. Allein für die Schöpfung dieser Figur verzeiht man Larsson, diesem auch privat unermüdlichen Kämpfer gegen Rechts, dass seine Fantasie gelegentlich arg üppige Blüten treibt. Und dem Regisseur, dass er eher brav bebildert und kein Gefühl dafür hat, wann ein Film zu Ende sein sollte.