Essen. Der schwedische Krimi-Autor Stieg Larsson starb, bevor die ersten drei Bücher seiner "Millennium"-Serie erschienen. Heute gibt es einen erbitterten Streit um sein Erbe.

Der Legende nach spazierte Karl Stieg-Erland Larsson Ende des Jahres 2003 mit einem Packen von zweieinhalb Manuskripten in die Räume des Nordstedts-Verlags in Stockholm und ließ sie auf den Tisch fallen mit den Worten „So, jetzt kann Henning Mankell einpacken!” Mutig für einen, der sich schon zweimal eine Abfuhr eingehandelt hatte – bei einem anderen Verlag allerdings, wo man wahrscheinlich noch heute vor Wut in die Tischkante beißt. Denn nur wenige Jahre später ist Stieg Larsson, wie er sich als Krimi-Autor nannte, tatsächlich gefragter als Mankell. Er hat längst Abermillionen von Lesern in über 30 Ländern der Welt, die erste Verfilmung seiner Romane läuft in dieser Woche in unseren Kinos an, weitere sind in der Mache.

Herzinfarkt mit 50

Das Tragische: Larsson hat nicht einmal die Anfänge seines Erfolgs erlebt – er starb schon im November 2004 mit gerade mal 50 an einem Herzinfarkt, der ihn, den Rastlosen, bei der Arbeit ereilte. Da war noch kein einziges Buch seiner Serie erschienen. Vielleicht hat er geahnt, dass er nicht mehr lange zu leben hat und stiefelte deshalb so nassforsch in den Verlag. Und ganz bestimmt sind es auch Gedanken wie diese, die den Erfolg seiner Bücher so außerordentlich beflügeln, der Tod umgibt sie wie eine mythische Aura.

Und jetzt streitet sich seine Witwe Eva Gabrielsson, schon zu Schulzeiten Larssons große Herzdame, mit seinem Vater und Bruder auf das Erbittertste um das immer größer werdende Erbe, dessen Umfang derzeit auf rund acht Millionen Euro geschätzt wird. Angeblich haben Vater und Bruder Larsson der Witwe Geld angeboten, sie soll abgelehnt haben, weil ihr die Summe zu niedrig war.

In Sachen Krimi ein Spätstarter

Sie und Stieg waren schließlich über die Hälfte ihres Lebens miteinander liiert – nur geheiratet haben sie eben nie. Er hatte Angst um sie. Als einer der weltweit führenden Experten für rechtsradikale Netzwerke und Verbindungen war er anschlagsrelevant; als Chefredakteur des Magazins „Expo”, das er selbst gegründet hatte, war er landesweit bekannt, ein hartnäckiger Gegner von allem, was nach Demokratiefeind und Rassismus roch. Besonders den schwedischen Rechtsradikalismus hatte er 1991 mit einem ganzen Buch ausgeleuchtet.

In Sachen Krimi aber war Larsson, der bis zu seinem achten Lebensjahr bei den Großeltern auf dem Dorf südlich des Polarkreises aufwuchs, ein Spätstarter. Nach dem Gymnasium stolperte er über diverse Aushilfsjobs zunächst in die grafische Abteilung einer schwedischen Nachrichtenagentur, schrieb aber auch da schon Artikel und Kritiken. Auch als Korrespondent für das britische „Searchlight”-Magazin, das sich ebenfalls dem Kampf gegen Rechts verschrieben hatte.

Möglichst weit weg von Mankell

In den 90ern wurde Larsson zum gesuchten Sachbuchautor und Experten, aber irgendwann reichte ihm das nicht mehr. Er machte einen Plan: Zehn Teile sollte seine „Millennium”-Serie haben, für jeden entwarf er eine Handlungsskizze. Larsson wollte möglichst weit weg von Mankell landen, orientierte sich eher an Elizabeth George, Minette Walters und Sara Paretsky, die er gerne las – und schuf den ermittelnden Journalisten Mikael Blomqvist frei nach eigenem Vorbild, zu dem sich die mehr als eigenwillige Meister-Hackerin Lisbeth Salander gesellt, die er als eine erwachsen gewordene Pippi Langstrumpf vor Augen hatte. Larsson, der sich viel Zeit und Raum nimmt, um seine Figuren beschreibend zu umkreisen, versteht sich darauf, Intrigengeflechte mit der Sogkraft eines tödlichen Strudels zu entwerfen. Und doch spaltet er die Leser in zwei Lager: Die einen winken gelassen ab mit dem Hinweis, es handele sich eigentlich um schwedentypische Durchschnittsware ohne Neuigkeitswert – die anderen werden nach den ersten 40 bis 50 eher gemächlichen Larsson-Seiten regelrecht süchtig.

In Stockholm gibt es längst Führungen zu den Schauplätzen der drei Larsson-Krimis. Dass auch ein Grab zu diesen Führungen dazugehört, löst mehr als einen gewissen Schauder aus. Es ist Trauer um einen, der sich verkämpft hat.