Berlin . Der neue Bond „Spectre“ hat alles, was ein 007-Film braucht. Und doch erstarrt er an seinem eigenen Anspruch.
Der Production Designer Dennis Gassner hat den neuen Bond-Film „Spectre“ vorab schon mal auf eine knappe Formel gebracht. Und mit den Anfangstakten von Beethovens Fünfter Sinfonie verglichen: „Bababa-baaa!“ Und tatsächlich: Was immer Sie in letzter Zeit gehört und gelesen haben über eine etwaige Amtsmüdigkeit von Daniel Craig, dass er genug habe von der Doppelnull und die Beretta an den Nagel hängen möchte, vergessen Sie’s. Im 24. Film der Reihe, der am Montag Weltpremiere in London feierte, am Mittwoch dann in Berlin seine Deutschlandpremiere hat und am 5. November schließlich in die Kinos kommt, knallt es erst mal mit Wucht.
Spektakuläre Autoverfolgungen in Rom
Gleich zu Beginn geht ein ganzer Straßenzug in Mexiko City hops, mitten am Tag der Toten, mit Tausenden von Menschen auf den Straßen und einer entsprechenden Massenpanik. Später wird es eine spektakuläre Autoverfolgung durch die Altstadt von Rom geben, durch enge Gassen und, ja auch das, an den Ufern des Tiber entlang. Und in den österreichischen Bergen verfolgt Bond die Bösen mit einem Propellerflugzeug, zur Not auch ohne Flügel. Bababa-baaa. Der Production Designer liegt also gar nicht so falsch. Und doch funkt es diesmal nicht so wie in „Skyfall“, dem letzten, dem grandiosen Craig-Bond. Der neue 007, er hat alles. Und leidet doch ein bisschen an Ladehemmung.
Der Agent, das immerhin, ist angekommen. Als Daniel Craig vor neun Jahren einstieg, wurde die Serie mit „Casino Royal“ ja rebootet. Wurden alle liebevollen Bond-Ingredienzen erst mal radikal rausgeworfen. Und kamen dann peu à peu wieder zurück. Seit „Skyfall“ sind auch Miss Moneypenny und der Techniktüftler Q wieder dabei, und das kühl-designte Büro der verstorbenen Judi-Dench-M weicht den alten holzgetäfelten Büros, wie wir sie aus den früheren Connery-Bonds kennen. Nun, in „Spectre“, kommen die letzten noch ausstehenden Schmankerl hinzu. Auch wenn sie ironisch gebrochen werden.
Aston Martin mit Spezialausrüstung
Endlich bestellt Bond seinen Martini wieder geschüttelt, nicht gerührt. Aber an einer Bar, an der kein Alkohol ausgeschenkt wird. Endlich darf er auch wieder einen Aston Martin mit Spezialausrüstung fahren, mit den sogenannten Gadgets, aber wenn er sie betätigen will, ist keine Munition drin. Oder es kommt stattdessen Discomusik heraus. So viel Understatement muss schon sein. Vor allem aber kehrt hier jene Geheimorganisation zurück, die in acht frühen Bonds die zentrale Schurkennummer innehatte – was dann, wegen eines langjährigen Rechtsstreits aufgegeben werden musste. Nun aber ist die Rechtelage geklärt, nun kehrt Spectre ins Bond-Universum zurück, darf plakativ in den Filmtitel ziehen. Und Bond hat seine Nemesis wieder. Da schließt sich also ein Kreis.
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In „Skyfall“ haben wir vom Tod seiner Eltern erfahren und kehrten an deren Landsitz, eben jenem Skyfall, zurück, dass am Ende in die Luft ging. In „Spectre“ erfahren wir, dass Bond mit zwölf Jahren adoptiert wurde und sein Stiefvater ihn mehr liebte als seinen eigenen Sohn. Was dieser, Franz Oberhauser, gar nicht gut fand. Er meuchelte den Papa, gründete Spectre und war der Verursacher all dessen, was Daniel Craig in den vergangenen drei Filmen zugestoßen ist.
Dass das Bond-Girl, die Französin Léa Seydoux, die Tochter von Mr. White ist, den wir schon als Bösewicht aus den ersten Craig-Bonds kennen, und ihn ebenfalls verliert, macht das Ganze zu einer richtigen Gruppentherapie. Lauter gebrochene Seelen, die an ihren verlorenen Vätern leiden. Gleichzeitig verliert der neue Chef M (Ralph Fiennes) die Leitung über den Geheimdienst und Bond seine Doppelnull. Alles, wirklich alles, wird hier infrage gestellt.
Sony-Verleih verarbeitet eigenes Trauma
Und das Oberfiese an diesem Oberhauser ist, dass er das Netz beherrscht („Information ist alles“) und sich in alles und jedes hackt. Da hat der Sony-Verleih, der ja bekanntlich ebenfalls gehackt wurde, weshalb viele Bond-Details ungewollt an die Öffentlichkeit geraten sind, wohl irgendwie auch auf der Psychocouch gesessen. Und sein eigenes Trauma, Sonyleaks, dramaturgisch verarbeitet.
Der Böse wird von Christoph Waltz gespielt. Auch das ist ein Plus, sind die Schurken bei Bond doch stets am besten, wenn sie mit deutschen Zungen sprechen. Das Ganze wurde denn auch wie „Skyfall“ erneut von Sam Mendes inszeniert. Kann also eigentlich gar nichts schiefgehen. Und doch! Und leider! Es macht zwar Bababa-baaa. Aber es zündet nicht so recht. Mendes und Bond-Produzentin Barbara Broccoli wollen ihre neue Produktion als Hommage an und als Verneigung vor den alten, klassischen Bond-Filmen verstanden wissen.
Wie eine To-do-Liste, die Punkt für Punkt abgehakt wird
Und das ist es auch. Wir sehen eine Luxusklinik auf den Bergen, einen Schlagabtausch im engen Zugabteil, Verfolgungen zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Der Fan weiß sofort, auf welche Filme da angespielt wird und freut sich. Aber das alles wirkt auch ein bisschen wie ein Déjà-vu. Der Film erstarrt an seinem eigenen Anspruch, den Vorbildern gerecht zu werden. Und verliert darüber seine Originalität.
Am Ende mag man dann doch wieder an all die Gerüchte glauben, die man da so gehört hat. Von den Schwierigkeiten am Dreh. Und den Bauchschmerzen, die man mit dem Drehbuch hatte. „Spectre“ ist kein schlechter Thriller. Bleibt aber weit hinter „Skyfall“ zurück. Und wirkt wie eine To-do-Liste, die Punkt für Punkt abgehakt wird. Da ist es am Ende dann auch gar nicht mehr so spannend, ob dieser Franz Oberhauser am Ende nicht doch Blofeld heißt und eine weiße Mieze krault.