Essen. . „Señor Kaplan“ ist eine sympathische Tragikomödie über einen großen Schlamassel. Es geht um die fixe Idee, Jagd auf Nazi-Deutsche zu machen.

Irgendwann stellt sich jeder Mensch unweigerlich die Frage, was bleiben wird, wenn er mal nicht mehr ist. Als Jacobo, der Titelheld der Tragikomödie „Señor Kaplan“, mit 76 Jahren Bilanz zieht, stellt er fest, dass er wirklich große Dinge in seinem Leben noch nicht vollbracht hat. Doch dann bietet sich dem alten Juden, der als polnisches Kind mutterseelenallein vor den Nazis nach Uruguay geflohen ist, unverhofft die Gelegenheit, die Welt zu einem besseren Ort zu machen: Erst erzählt ihm seine Enkelin von einem alten Deutschen, der eine Strandbar betreibt, dann sieht er im Fernsehen eine Dokumentation über untergetauchte Nazi-Größen in Südamerika; der Rest ist eine Sache des gesunden Menschenverstands.

Fortan wird die Jagd auf den Deutschen zur fixen Idee. Gemeinsam mit Wilson (Néstor Guzzini), einem heruntergekommenen Ex-Polizisten, schmiedet der sympathisch störrische Jacobo einen gewagten Plan: Wie einst die Agenten des Mossad will er den Mann mit Hilfe seines treuen Sancho Pansa überwältigen und nach Israel überführen.

Das dramatische Potenzial liegt auf der Hand

Die 1997 angesiedelte Geschichte, eine Koproduktion mit dem ZDF, ist ein großartiger Filmstoff, der Álvaro Brechner, selbst Nachkomme eines polnischen Flüchtlings, alle Möglichkeiten offen lässt. Das dramatische Potenzial liegt auf der Hand, aber gerade den Auftakt gestaltet der für seine Kurzfilme international vielfach ausgezeichnete Regisseur aus Montevideo trotz der melancholischen Gedanken über die Lebensbilanz ausgesprochen kurzweilig: Dem bedauernswerten Jacobo unterlaufen einige Missgeschicke, die ihn erkennen lassen, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt, um seinem Dasein eine Bedeutung zu geben.

Das ist natürlich eigentlich gar nicht komisch, aber Hauptdarsteller Héctor Noguera versieht den alten Mann in diesen Szenen mit einer Würde, die in krassem Kontrast zu seinen Erlebnissen steht; und das ist witzig.

Immer wieder gibt es peinliche Momente

Auch die Observierung des vermeintlichen Altnazis führt immer wieder zu peinlichen Momenten, in denen Brechner seine beiden traurigen Helden aber nie verrät. Und wie sich das ungleiche Duo die Wirklichkeit so lange zurechtbiegt, bis es keinen Zweifel mehr an der verbrecherischen Vergangenheit des Mannes vom Strand gibt, ist gleichfalls sehr schön erzählt; erst recht, als sich zwar herausstellt, dass der von Rolf Becker angemessen geheimnisvoll verkörperte Alte tatsächlich ein düsteres Geheimnis hütet, aber Jacobo dennoch einen großen Schlamassel angerichtet hat.

Wertung: vier von fünf Sternen