Essen. . Ein Deutscher Meister im Poetry-Slam, aber auch ein Meister des feinen Nonsens-Humors: Jan Philipp Zymny kommt mit „How To Human“ auf Tournee.

Das Credo von Jan Philipp Zymny: „Ich möchte den Menschen die Angst vor der Sinnlosigkeit nehmen“. Der gebürtige Wuppertaler gehört zu den aufstrebenden Nachwuchstalenten der deutschen Kleinkunst-Szene. 2013 und 2015 gewann der 25-Jährige die deutsche Poetry-Slam-Meisterschaft, seit 2014 steht er regelmäßig mit Comedy-Shows auf der Bühne. Über sein drittes Bühnenprogramm „How To Human“ und vieles mehr sprach er mit Patrick Friedland.

Herr Zymny, Comedian mit Poetry-Slam-Vergangenheit, Entertainer oder doch einfach Autor – wie würden Sie Ihre Kunst und sich selbst beschreiben?

Jan Philipp Zymny ist ein wundervolles Mischwesen und macht am liebsten Nonsens und Unsinn in allen möglichen Formen. Es hat mit Poetry-Slam angefangen und ist vor vier Jahren in abendfüllende Soloprogramme übergangen. Darin bediene ich mich Elementen aus Slam, Comedy und Musik.

Nach den Programmen „Kinder der Weirdness“ und „Bärenkatapult – eine Expedition in den Nonsens“– wohin geht die Expedition bei „How To Human“?

Die Programme folgen logisch aufeinander. „Bärenkatapult“ war zwei Stunden lang Unsinn an Unsinn an Unsinn gereiht. Bei „Kinder der Weirdness“ dachte ich mir: ‘Jetzt betrachten wir doch mal den Unsinn, warum er da ist und wo er herkommt.’ Und das läuft alles auf den Menschen raus, somit geht die jetzige Expedition genauer auf ihn und das Menschsein ein. Häufig bin ich verblüfft, wie sich Menschen in bestimmten Situationen verhalten (müssen). Es kann zudem nicht schaden, in der aktuellen Zeit mal daran erinnert zu werden, was Menschlichkeit eigentlich bedeutet.

Klingt ungewohnt ernst. Finden Sie den Weg ins politische Kabarett?

Dafür unterscheide ich mich von meiner Art zu sehr von den klassischen Polit-Kabarettisten. In „How To Human“ wird keine Moralkeule geschwungen. Es gibt auch keine FDP- oder SPD-Witze, das machen andere schon zur Genüge. Ich widme mich lieber dem generellen Miteinander unter Menschen.

Wichtiger Bestandteil Ihrer Shows sind die Interaktionen mit dem Publikum. Was war denn eine besonders denkwürdige Anekdote?

Anfang des Jahres hat mir eine junge Frau mit aufgesetzten Katzenohren und Katzenschwanz nach einer Show in Jena bei einer Autogrammstunde übers Gesicht geleckt und sagte ‘Was ich anlecke, gehört mir’. Das allein war schon seltsam genug. In Erfurt habe ich die Geschichte dann wenige Monate später zu Beginn des Programms erzählt. Sofort meldete sich ein Mädel in der ersten Reihe und sagte ‘Das war ich!’ War echt ein Heidenspaß.

Wie setzt sich denn Ihr typisches Solo-Showpublikum zusammen?

Der Hauptkern besteht aus Poetry-Slam-Publikum, dadurch, dass ich lange in der Szene unterwegs war und auch immer noch bin. Es beginnt aber, sich immer weiter mit Leuten zu durchmischen, die nichts mit Poetry Slam zu tun oder mich im TV bei einer Comedyshow gesehen haben. Mittlerweile sind von Zehnjährigen bis Mitte 60 auch alle Altersklassen vertreten.

Sie wohnen seit einigen Jahren in Bochum, touren regelmäßig durch ganz Deutschland. Unterscheidet sich denn das Publikum von Region zu Region?

Auf jeden Fall. Selbst in derselben Stadt unterscheidet sich das Publikum manchmal von einem Abend zum nächsten. Außer in Ostwestfalen, die sind immer still.

In den vergangenen Jahren werden immer mehr Poetry-Slammer berühmt. Wie bewerten Sie die Entwicklung der Kunstform?

Generell begrüße ich den steigenden Bekanntheitsgrad der Slammer sehr. In der Szene kommt sehr viel Talent zusammen. Jeder kann mitmachen, es gibt unterschiedlichste Stile. Schade finde ich, wenn Leute Poetry Slam auf Julia Engelmann reduzieren. Ohne was gegen sie sagen zu wollen, aber Poetry Slam kann und ist so viel mehr. Nehmen wir als Beispiel mal Andy Strauß. Das, was er und Julia Engelmann machen, geht sich diametral aus dem Weg.

Kann man nur von Poetry Slam leben?

Eigentlich nicht, weil die Philosophie bei dieser Kunstform nicht darauf ausgelegt ist. Wirklich jeder kann mit selbstgeschriebenen Texten auf die Bühne, da gibt’s keine Barrieren, aber auch eben keine Gage, sondern nur eine Aufwandsentschädigung. Hier und da wird man für Auftragsarbeiten oder Workshops an Schulen bezahlt. Aber man eignet sich einen spartanischen Lebensstil an (lacht).

Über welche Künstler können Sie denn lachen?

Helge Schneider, Rainald Grebe, die auch viel Nonsensartiges im Programm haben. Jochen Malmsheimer wegen seiner Sprachgewalt und seinem Formulierungswillen. Moritz Neumeier, der wunderbar ehrlich und böse ist. Und Torsten Sträter ist gnadenlos witzig. Irre, was aus dem Mann herauskommt.

Den kennen Sie ja auch schon länger aus dem Poetry Slam …

Was zu einer der witzigsten Situationen in meinem Leben führte. Der hat mich eines Nachts zufällig mal mit seinem Auto in Dortmund aufgegabelt und wollte mich mithilfe seines Handys zum Bahnhof bringen. Aber das Handy wollte nicht so wie er. Er hat es dann 15 Minuten lang beschimpft.

Wer nun selber mit Poetry Slam oder Komik anfangen will – was sollte man mitbringen?

Leidenschaft, Lust und Hingabe. Wer berühmt werden will, ist wahrscheinlich schon auf dem falschen Weg. Du musst Bock auf die Sache an sich haben, schreiben wollen, auftreten wollen und das solange machen, bis die Leute das irgendwann cool finden. Einen anderen Weg gibt’s nicht.

Wie gelang Ihnen denn damals der Durchbruch?

Das fing mit dem Gewinn der deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften 2013 an. Danach häuften sich Anfragen für Auftritte und Interviews in einem Maße, dass ich nicht mehr allein damit zurechtgekommen bin. Ich habe mich an Sebastian 23 gewandt, der hat mir ein paar Tipps gegeben und dann habe ich nach einer Agentur gesucht. Da lag die Idee für ein Soloprogramm schnell auf dem Tisch, es war einfach der richtige Zeitpunkt. Ich wollte das auf jeden Fall machen, endlich konnte ich etwas tun, was länger unterhält als fünf Minuten. Eigentlich ist das also alles aus der Not geboren worden. Seit 2014 bestreite ich meinen Lebensunterhalt damit. Jetzt kann ich beispielsweise kaum noch in Hamburg in einen Zug einsteigen, ohne dass mir jemand „Awesome“ oder „Bärenkatapult“ hinterherruft. Aber ich finde das schön, es schmeichelt mir immer sehr. Genervt darauf zu reagieren, würde ja bedeuten, die Leute dafür zu bestrafen, dass sie einen gut finden. Und das sehe ich nicht ein.

Gab es für Sie jemals einen Plan B? Sie haben ja mal Physik studiert …

Ich habe das sehr intensiv versucht – es ist leider beim Versuch geblieben. Tatsächlich war die Physik aber der Plan B, wenn die Auftritte ein nettes Nebenbei-Hobby geblieben wären. Mittlerweile spiele ich mit dem Gedanken, mir das Schmiedehandwerk beizubringen.

Eine aussterbende Berufsspezies.

Die werden immer weniger, weil die anscheinend niemand mehr braucht. Aber das soll mich nicht davon abhalten.

Wie haben denn die Kommilitonen auf den Slam/Comedy-Star in ihren Reihen reagiert?

Damals war ich zum Glück noch nicht so bekannt. Natürlich haben die das aber irgendwann spitz gekriegt, dann war ich der Heini, der zwischendurch was Lustiges erzählen musste. Für mein erstes Buch habe ich mir bei ihnen auch Feedback geholt.

Wäre Fernsehen auf Dauer nicht ein Thema?

Mit sehr viel Fantasie kann man sich das vorstellen. Aber es gibt gerade wieder Bemühungen, mich in Comedy-Shows reinzubekommen. Ich mache das gerne, denn da kann ich der verrückte Außenseiter sein.

Wird das nicht irgendwann zu sehr Stigma?

Ich genieße das. Manchmal mache ich Dinge einfach aus Trotz anders. Ich denke auch, dass wir sowas in der deutschen Kultur- und Comedyszene gut gebrauchen können. Dinge, die anders sind als das durchschnittliche Mainstream-Gebumse.

Bei Ihnen standen zuletzt auch Dreharbeiten für ein neues Projekt an. Was können Sie uns darüber verraten?

Mir fällt es sehr schwer, mich zurückzuhalten, aber wenn ich mich an die Verträge erinnere, darf ich dazu nur mysteriöse Andeutungen machen. Es ist ein großes Projekt, das im Dezember auf einer sehr großen Internet-Streamingplattform erscheinen wird. Da wird mit zwei meiner Kollegen etwas sehr Cooles passieren, der Großteil der Arbeiten ist abgeschlossen.

Gedankenspiel: Eine Samstagabend-TV-Show mit Ihnen als Moderator – wie würde die aussehen?

Das wäre ein herrliches Durcheinander. Es würde jeden Abend etwas anderes passieren, der Zuschauer wüsste nie, was ihn erwartet. Den einen Abend wäre es eine Quizshow, am nächsten eine Talkshow, am übernächsten ein Krimi.

Zunächst bleiben Sie der Bühne aber erstmal treu. Ein letztes Wort zum Tourneebeginn?

Möngeldöngel. Das steht auch im Pressetext zur neuen Tour, weil ich das so schön finde.

>>> INFO: Jan Philipp Zymny auf How To Human-Tournee:

5.10. Bochum (Bhf Langendreer), 12.10. Dortmund (Wichern Kulturzentrum), 14.10. Düsseldorf (Zakk), 19.+20.10 Hagen (Pelmke), 20.2.19 Krefeld (Kulturfabrik), 21.2.19 Solingen (Cobra), 23.5.19 Mönchengladbach (Theater im Gründunghaus), 29.9.19 Dortmund (Fritz-Henßler-Haus). Karten ab ca. 15 €.