Markant, nachdenklich und ein bisschen romantisch: Ein schlüssiges zweites Album - auch wenn er sich am einen oder anderen Klischee bedient.

Den Echo gibt es nicht mehr. Der deutsche Musikpreis hat sich im vergangenen Frühjahr nach einem Eklat um die Gangster-Rapper Kollegah und Farid Bang selbst abgeschafft. Die einen sagen: Wurde ja auch Zeit! Die anderen sind jene Musikschaffenden in Deutschland, in deren Chartspop-Welt der Musikpreis als harte Währung galt. Joris ist einer von ihnen.

Der heute 28-jährige Liedermacher wurde 2016 für sein Debütalbum „Hoffnungslos Hoffnungsvoll“ mit der Hit-Single „Herz über Kopf“ mit drei Echos ausgezeichnet. Er zählt damit zu den erfolgreichen Vertretern des so beliebten Genres „Schwiegersohnpop“ und ist von Kollegen wie Philipp Poisel oder Tim Bendzko mit geschlossenen Augen kaum zu unterscheiden. Markante Singstimme, nachdenklich und ein bisschen romantisch – das geht vom Teenager bis zur Großmutter jedem ans Herz.

Mit seinem neuen Album ist Joris von dieser Schablone nicht einen Millimeter weit abgerückt. „Schrei es raus“ ist die kommerziell logische Folge seines Debüts: mehr vom selben. Textlich bewegt Joris sich dabei, ähnlich den Kollegen, zwischen Selbsthilferatgeber und Teenager-Poesiealbum. Von Feuerwesen in der Nacht singt er, von dunklen Stollen, in denen man sitzt, wenn es einem schlecht geht, vom Wind in den Haaren, vom Tanzen in Zeitlupe.

Und man will dem jungen Mann das ja auch alles glauben. Dass die Musik von Herzen kommt, dass sie nicht mit kaltem Kalkül und nach eingehender Marktanalyse zurechtgeschrieben wurde. Den Glaubwürdigkeitsvergleich mit Retorten-Feelgood-Popstars der Marke Max Giesinger gewinnt er allemal. Seine Musik steht auf soliden Beinen und hüpft nicht voll heißer Luft durch die Gegend.

Wenn Joris eine Gitarre in der Hand hält, dann weiß man, dass er sie auch spielen und darauf komponieren kann. Entstanden sind die 13 neuen Lieder wieder einmal in Zusammenarbeit mit dem Produzenten und Keyboarder Constantin Krieg – und die Produktion ist den beiden gelungen. Sie lassen den Melodien und der Stimme genug Raum, reduzieren an den richtigen Stellen und tragen dick auf, wo es passt.

Mutige Momente

Den zahlreichen Powerballaden stehen auch einige Nummern mit getragenen Kopfnicker-Rhythmen („Schrei es raus“) und Tanzflächen-Groove („Im Gegenwind“) gegenüber. Und in seinen mutigsten Momenten klingt Joris sogar, als könnte ihm auch der raue Hip-Pop von bösen Jungs wie Casper ganz gut stehen. Vielleicht traut er sich ja beim nächsten Album.

Joris >> Schrei es raus
Four Music Productions
Wertung:5 von 5 Sternen