München. . „Smoke On The Water“ heißt der jüngste „Polizeiruf“ mit Matthias Brandt. Wer dabei an Guttenbergs Fanfare zu seinem erzwungenen Rücktritt als Verteidungsminister denkt, liegt richtig. So schrill wie die reale Vorlage, so schrill ist der Krimi. Er ist alles andere als Nullachtfuffzehn.

Politiker kommen in Krimis nicht gut weg. Wo Macht steckt, droht der Missbrauch, und von dem wird reger Gebrauch gemacht. Darin sind sich offenbar alle Drehbuchautoren des Planeten einig. Und der bayerische Schnösel mit Adelstitel samt Schloss, den sich Günter Schütter für den „Polizeiruf 110“ (So., ARD, 20.15 Uhr) als Gegenspieler für den smarten Ermittler Hans von Meuffels ausgedacht hat, pumpt sich dazu noch zum kleinen Provinzkönig auf.

„Smoke on the Water“ heißt die Folge, denn Schütter rückt diesen Joachim von Cadenbach in aller Überdeutlichkeit in die Nähe des abgemeierten Ex-Verteidigungsministers: Karl-Theodor zu Guttenberg ließ sich den alten Deep-Purple-Hit zu seinem Abschied von der Bundeswehrkapelle in aller Grässlichkeit vorblasen. Da Regisseur Dominik Graf das Grelle, Überzeichnete ebenfalls liebt, droht keine Langeweile.

Regisseur Graf ist an herkömmlicher Dramaturgie nicht interessiert

Graf, der mit „Im Angesicht des Verbrechens“ die einzige epische Serie aus Deutschland gedreht hat, die es einigermaßen mit der amerikanischen Konkurrenz aufnehmen kann, ist an herkömmlicher Krimi-Dramaturgie nicht sonderlich interessiert. Den Münchner „Tatort“ „Aus der Tiefe der Zeit“ inszenierte er vor einem Jahr mit lauter Schnickschnack in den Orkus. Hier allerdings kriegt er trotz vieler skurriler Rand-Ideen wie einem Kommissar, der im Englischen Garten von Nackten umzingelt ist, oder seinem Kontrahenten zu Massagezwecken auf Socken im Kreuz herumläuft, gerade noch die Kurve. Ohne dass sein „Polizeiruf“ je nach einem Nullachtfünfzehnfilmchen riecht: Die Handschrift des künstlerisch ambitionierten Erzählers bleibt stets erkennbar.

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Die schnöde Krimihandlung ist denn auch schnell erzählt. Eine Journalistin ist ermordet worden, der Musiker (Marek Harloff), der ein Geständnis ablegt, macht von seinem Alibi keinen Gebrauch, und von Meuffels beackert die Frage, wen der junge Mann deckt. Und warum.

Offenbar war die Reporterin einem milliardenschweren Wirtschaftsschmu um ein europäisches Satelliten-Navigationssystem auf der Spur, und da landet man irgendwann auch bei diesem EU-Strippenzieher von Cadenbach.

Duken gibt den adeligen Emporkömmling

Ken Duken, bisher nicht als darstellerischer Riese aufgefallen, gibt den geschniegelten Aufsteiger als gefräßigen Karrieristen, als Frauen verschlingenden Macho, gepanzert mit einer Arroganz, die er für seine Herkunft als selbstverständlich empfindet: Adel vernichtet. Einer, der im Duell zweier wacher Verstande dem scharfsinnigen von Meuffels sogar das süffisante Lächeln und die ihn sonst auszeichnende Distanz austreibt. Lohnt es sich noch, Matthias Brandt zum hundertsten Mal für sein fein nuanciertes Spiel zu loben?

Da sich auch finstere Mächte plötzlich einmischen, schlüpft das kleine Drama ins große, und Graf dirigiert das Geschehen in ein blutrünstiges Finale, ein brutales Todesspiel, dessen physischen, psychischen und optischen Reizen er erliegt und es daher ein bisschen zu sehr in die Länge zieht.

Wer also nach „Tatort“-Standard fahndet, der muss sich mindestens eine Woche gedulden.