Berlin. “Mir fällt auf, dass viele Behinderte sehr extrem sind, also extrem dumm, extrem laut oder einfach extrem extrem.“ Das sagt ein Sportler der Paralympics in einem bemerkenswerten Dokumentarfilm in der ARD. “Mein Weg nach Olympia“ erzählt sehr locker und direkt über das Leben mit Behinderung.
Filmemacher Niko von Glasow hat einen Dokumentarfilm über ein Thema gedreht, mit dem er überhaupt nichts anfangen konnte. "Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, warum ich diesen Film überhaupt mache. Ich finde Sport doof und halte die Paralympics für eine blöde Idee", erzählt der Contergan-geschädigte TV-Produzent (54) im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. "Doch dann stellte sich heraus, dass die Paralympics die beste Party war, auf der ich je war." Das Ergebnis, "Mein Weg nach Olympia", läuft am Dienstag um 22.45 Uhr in der ARD.
Der Kölner Von Glasow porträtiert hier dann doch auf sehr persönliche und heitere Weise vier Sportler und ein Team: Aida Husic Dahlen, einarmige Tischtennis-Spielerin (Norwegen), Christiane Reppe, einseitig beinamputierte Schwimmerin (Deutschland), Matt Stutzman, kurzarmiger Bogenschütze (USA), eine Sitzvolleyball-Mannschaft (Ruanda) und Greg Polychronidis, einen ab dem Hals durch chronischen Muskelschwund gelähmten Boccia-Spieler (Griechenland). Polychronidis sagt im Film: "Mir fällt auf, dass viele Behinderte sehr extrem sind, also extrem dumm, extrem laut oder einfach extrem extrem." Das klingt hart, und dann lässt er noch durchblicken, dass er zwar nicht schüchtern sei, aber keine Freundin mehr habe: "Es war einfach zu kompliziert."
Der Filmauto r geht mit seinen Protagonisten sehr locker um - und mit sich selbst: "Ich bin gleich dreifach behindert - ich hab' kurze Arme, 'nen dicken Bauch und 'nen fetten Arsch". Er wurde mit verkürzten Armen geboren, weil seine Mutter das Schlafmittel Contergan genommen hatte, kann schreiben, Auto fahren, "aber leider kein Volleyball spielen".
Mit entwaffnender Direktheit
Im Film wird er gefragt, ob ihm seine Behinderung im Job hilft oder eher behindert. Er antwortet: "Meist ist es schwierig für mich, als Behinderter einen Filmauftrag zu bekommen. Aber wenn ich den Job dann habe, kann es sehr hilfreich sein!" Man merkt, dass es ihn immer noch ärgert, dass Behinderte dafür kämpfen müssen, "normal" zu sein.
David Behres Glück auf Protesen
Sein erfrischend kritischer wie selbstkritischer und unsentimentaler Film hält dem Zuschauer einen Spiegel vor die Nase: Den Deutschen wird ja nachgesagt, sehr perfektionistisch zu sein, und insofern gilt Behindertsein im allgemeinen als "nicht korrekt". Im Umgang mit Begriffen wie "behindert/nichtbehindert" kommt man leicht ins Schleudern. "Ich habe noch nie einen nichtbehinderten Menschen getroffen. Also stellt sich die Frage: Wie gehen wir, die Behinderten dieser Welt, miteinander um?", sagt Niko von Glasow der dpa.
Diese geradezu entwaffnende Direktheit und Ehrlichkeit prägt seinen herausragenden Film. Was kommt als Nächstes? "Ich würde gerne einen Film über die Ausbildung von Frauen und Mädchen drehen. Wenn sie besser ausgebildet würden, gäbe es einige Probleme weniger: Häusliche Gewalt, Vergewaltigung, Menschenhandel, Kindersterblichkeit, Krieg, Korruption. Im Grunde will ich um die Welt fahren und Männern in den Arsch treten." (dpa)