Mainz. . Ab diesem Donnerstag tischt der TV-Koch Christian Rach im ZDF auf, nicht mehr auf RTL. In der neuen Show “Rach tischt auf“ soll es um gesunde Ernährung gehen, vor allem Kinder stehen dabei im Fokus. Mit dem Konzept der Show geht Rach nach eigenen Angaben “ein großes Risiko ein“.

Von RTL zum ZDF: Christian Rach hat das Lager gewechselt. Doch seinem Thema bleibt der TV-Koch treu. Heute (Donnerstag), 20.15 Uhr, startet der gebürtige Saarländer seine Show „Rach tischt auf“. Jürgen Overkott sprach mit dem 56-Jährigen.

Im deutschen Fernsehen gibt es unglaublich viele Kochshows. Da könnte man auf die Idee kommen, das Publikum habe sich schon satt gesehen.

Christian Rach: Das glaube ich gar nicht. Und vor allem machen wir keine Sendung mit erhobenem Zeigefinger. Wir versuchen Fakten aufzuzeigen, anhand von Fragen, die uns die Zuschauer gestellt haben. Wir haben uns überlegt, wie können wir Informationen unterhaltend darbringen.

Was brennt dem Publikum am meisten auf den Nägeln?

Christian Rach: Das Thema Kinder kehrte immer wieder. Viele Zuschauer haben uns nach Dingen wie Kinder-Ernährung und Kinder-Gesundheit gefragt. Wir haben uns, beispielsweise, die Frage gestellt, was würden Kinder einkaufen, wenn sie ganz allein im Laden wären, ohne ihre Eltern. Obendrein haben wir uns gefragt, wo könnte es denn erkennbare Veränderungen beim Einkaufsverhalten geben. Und dann haben wir gesagt: Wir probieren es mal mit Vorschulkindern und mit Erstklässlern. Ich kann Ihnen sagen: Der Unterschied ist phänomenal.

Ich habe mal meine Vorurteile spazieren geführt und sage: Die Kinder haben Pommes und Frikadellen eingekauft.

Christian Rach: Sehen Sie: ganz falsch. Wir sind ohne Vorurteile an die Sache herangegangen, ergebnisoffen. Wir waren überrascht, dass sich das Einkaufsverhalten der Kinder mit Schuleintritt radikal ändert. Und dafür gibt es eine Ursache. Wir sagen nicht: ihr bösen Eltern. Wir haben etwas anderes festgestellt. Kindern sehen pro Jahr etwa 40.000 Werbespots, und Kinder können bis zum Alter von vier bis fünf Jahren nicht unterscheiden, wo ist Programm, und wo ist Werbung. Und dann ist es natürlich noch eine andere Sache, wenn Kinder die Produkte aus der Werbung tatsächlich sehen. Wir gehen da beim ZDF ein großes Risiko ein. Natürlich soll die Sendung unterhaltsam sein, sie hat Show-Elemente, aber wir arbeiten viel mit Einspielfilmen. Das darf normalerweise in einer Show nicht über 20 Sekunden hinaus gehen. Daran haben wir uns nicht gehalten, die Filme waren länger, und was uns bei der Aufzeichnung am meisten verblüfft hat: Es gab Publikumsreaktionen während der Einspieler, die Leute im Studio haben gelacht oder sogar Szenen-Applaus gespendet, und das war eine großartige Erfahrung.

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Keine Show mit erhobenem Zeigefinger

Aber Halle und Wohnzimmer sind zwei verschiedene Dinge.

Christian Rach: Das stimmt. Wie es beim Publikum zuhause klappt, wissen wir nicht – in der Halle hat es großartig funktioniert.

Erstaunlicherweise ist Essen zu einer moralischen Frage geworden. Grundschulkinder wollen, wie ich höre, in die Vegetarier-Gruppe, damit sie zu den Guten gehören. Gibt es einen Unterschied zwischen gutem und bösem Essen?

Christian Rach: Nein. Fakt ist, dass wir in Deutschland acht Millionen Vegetarier haben und 800.000 Veganer, Tendenz steigend. Fatal wäre, wenn daraus eine Gut-Mensch-Situation und gar eine moralische Überlegenheit ableiten würden. Unsere Sprache in der Sendung ist nicht der erhobene Zeigefinger.

Sie haben früher Mathematik und Philosophie studiert, bevor Sie zum Kochen gekommen sind. Was ist denn Ihre Philosophie des Kochens?

Christian Rach: (lacht) Wenn ich es französisch sagen würde: la cuisine spontanée. Das entspricht mir. Das beeinhaltet ein Können. Im Französischen unterscheiden wir zwischen savoir und pouvoir. Pouvoir hat etwas mit Kraft zu tun, beispielsweise das Wissen, wie ein Tisch hochzuheben ist. Das Savoir hat etwas mit Wissen zu tun. Spontanes Kochen, gesundes Kochen funktioniert nur mit Wissen, und da müssen wir feststellen, dass die Schulen, die den Bildungsauftrag der Familien übernommen haben, so etwas nicht lehren. Schüler kennen die fünfte Ableitung einer Exponentialfunktion, aber sie wissen nicht mehr, wie man Knödel rollt. Das ist fatal im kulturellen Selbstverständlich einer Nation, und es fatal im Hinblick auf die Weitergabe von Alltagsfähigkeiten. Und wenn es dabei bleibt, haben wir keine andere Chance, als uns von industrieller Kost zu ernähren.

"Europa ist die Grundlage einer neuen Genusskultur"

Nun gibt es eine Redensart, die da heißt: Die deutsche Küche kennt drei Gänge, ran an den Tisch, essen, weg vom Tisch. Fehlt uns das Genießer-Gen?

Christian Rach: Sie haben recht, uns fehlte das Genießer-Gen, aber die Küchen-Revolution hat Ende der 70er-Jahre begonnen, als deutsche Köche aus dem Ausland zurückkamen. Das hatte zur Folge, dass Essen und Trinken in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen sind. Und in diesem Moment wurde es ein mediales Ereignis. Zunächst hat die Oberschicht den Genuss für sich entdeckt, aber der Genuss geht inzwischen runter in alle Bevölkerungsschichten. Wir beginnen, den Genuss als Kulturgut zu entdecken und nicht mehr als Verschwendung zu betrachten.

Ich wage die These, dass das viel gescholtene Europa dazu beitragen hat, die Esskultur zu demokratisieren.

Christian Rach: Eine wunderbare These, die ich nur bestätigen kann. Wir können nicht verlangen, dass das Ausland deutschen Maschinenbau übernimmt, wir uns aber zugleich den Einflüssen der anderen verschließen. Bella Italia ist schon lange bei uns verinnerlicht, und die spanische und griechische Lebensart sind bei uns beliebt. Und deshalb ist Europa die Grundlage einer neuen Küchenkultur, einer neuen Genusskultur.

Wenn man Kinder befragt, was ein typisch deutsches Gericht ist, werden viele antworten: Spaghetti.

Christian Rach: Die Nudel hat die Kartoffel in der Beliebtheit abgelöst. 1900 hat jeder Deutsche 285 Kilo Kartoffel pro Jahr vertilgt. Heute haben Sie einen Schnitt von 56 Kilo Kartoffeln. Dazu gekommen sind Nudeln. Jeder Deutsche isst acht Kilo Nudeln, aber man muss wissen, dass die Nudeln beim Kochen ihr Gewicht verdreifachen. Die Antwort der Kinder ist logisch und konsequent.

Sie sind im Saarland aufgewachsen, an der französischen Landesgrenze. Und das Saarland ist von der französischen Küche beeinflusst. Kann das Saarland ein kulinarisches Modell für Deutschland sein?

Christian Rach: Im Saarland hieß die Devise immer: Hauptsach, gut gess, geschafft ham mer schnell.