Rom. Lange stand das italienische Fernsehen vor allem für seichte Unterhaltungsshows, sexistische Sprüche und nackte Haut. Doch damit soll Schluss sein - zumindest will das die neue Indendantin der öffentlich-rechtlichen Rai-Sender. Ihr Ziel ist ein neues Image.

Sie tanzen, hüpfen und ziehen sich aus: Die wichtigste Aufgabe der meisten Frauen im italienischen Fernsehen war es für lange Zeit, gut auszusehen. Bunte Unterhaltungsshows mit viel nackter Haut galten als Markenzeichen der Programme im "Bunga Bunga"-Land des Medienzars Silvio Berlusconi. Ändern will das nun Anna-Maria Tarantola. Die Intendantin des öffentlich-rechtlichen Fernsehkonzerns Rai hat das Ziel, dieser Darstellung der Frau ein Ende zu bereiten.

Seit Juli 2012 ist Tarantola im Amt, eingesetzt wurde sie vom damaligen italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti, der eine Kehrtwende im Fernsehprogramm des Landes wollte. Zuvor hatte der dreimalige Regierungschef Silvio Berlusconi die Fernsehkultur über Jahrzehnte geprägt.

Ihm gehören mit der Mediaset-Gruppe die größten Privatsender des Landes. Als Ministerpräsident hatte er zudem erheblichen Einfluss auf die öffentlich-rechtlichen Rai-Programme.

Öffentlich-rechtliche Programme mit mehr Qualität

Zunächst trieb Tarantola ihre Revolution vor allem im Stillen voran, ein erstes Ausrufezeichen setzte sie dann mit der Abschaffung der "Miss Italia"-Wahl. "Ich mag es nicht, wie Frauen im Fernsehen gezeigt werden", sagte sie nach ihrem Amtsantritt.

Die Intendantin Anna-Maria Tarantola räumt das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Italien auf. (Foto: dpa)
Die Intendantin Anna-Maria Tarantola räumt das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Italien auf. (Foto: dpa)

"Wir wollen, dass sich die Frau im Fernsehen in einer anderen Weise zeigt, dass die Fiktion zeitgemäßer ist und erzählte Geschichten realistischer", betonte sie später. Die Intendantin will die öffentlich-rechtlichen Programme unterscheidbar von den privaten machen - sie müssten vor allem Qualität vorweisen und weniger banal sein, ist sie überzeugt.

Die Entscheidung gegen die traditionelle "Miss Italia"-Wahl löste viel Wirbel und Diskussionen aus. Die Aufmachung des Formats sei veraltet, meinte Rai-Generaldirektor Luigi Gubitosi, der Tarantola in ihren Reformplänen unterstützt.

"Die italienischen Frauen müssen sich im Fernsehen zeigen können, ohne mit einer Nummer auf dem Laufsteg auf und ab zu laufen. Sie haben andere Talente", beharrte auch Parlamentspräsidentin Laura Boldrini. Trotzdem wollen viele Italiener nicht auf den Wettbewerb im TV verzichten.

Frau soll nicht mehr nur als Lustobjekt im Vordergrund stehen

Bereits seit Jahren wird das Frauenbild im italienischen Fernsehen diskutiert, vor allem der Dokumentarfilm "Il Corpo delle donne" aus dem Jahr 2009 entfachte eine Debatte. Er zeigte auf drastische Weise die immer gleiche Darstellung der Frauen im TV.

"Das italienische Fernsehen zeigt ausschließlich einen Frauentyp, und zwar die Frau als Lustobjekt: Und eine Variante desselben Typs: Die Frau als schöne Dekoration", beklagte Autorin Lorella Zanardo.

Sogar eine eigene Berufsbezeichnung bekamen die "Veline", die Showgirls im TV. Nach Ansicht von Medien- und TV-Expertin Mihaela Gavrila von der Universität Sapienza in Rom ist das Problem jedoch nicht nur die Darstellung der Frauen, sondern auch der Kontext, in dem sie auftreten.

"Es sind oft vereinfachte Kommunikationssituationen, mit spielerischen Elementen", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Erst nach und nach hätten Frauen mehr die Rollen von Moderatorinnen oder Protagonistinnen in Unterhaltungsshows übernommen.

Doch selbst wenn die Rai-Gruppe weiter ihre Pläne vorantreibt - Silvio Berlusconis Mediaset-Kanäle werden den leicht bekleideten Frauen vermutlich treu bleiben und damit einen grundlegenden Wandel des italienischen Fernsehens verhindern.

Das Privatfernsehen wird 30 Jahre alt

Trau keinem über 30 - dieser Slogan war Ende der 60er Jahre als Protest populär. Jetzt könnte mancher auf die Idee kommen, ihn aufs kommerzielle Fernsehen anzuwenden. Denn: Vor 30 Jahren ...
Trau keinem über 30 - dieser Slogan war Ende der 60er Jahre als Protest populär. Jetzt könnte mancher auf die Idee kommen, ihn aufs kommerzielle Fernsehen anzuwenden. Denn: Vor 30 Jahren ... © dpa
... startete die Ära des Privatfernsehens in Deutschland - mit dem Sendebeginn von Sat.1, das damals unter PKS firmierte (Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenrundfunk). Einen Tag später folgte RTL.
... startete die Ära des Privatfernsehens in Deutschland - mit dem Sendebeginn von Sat.1, das damals unter PKS firmierte (Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenrundfunk). Einen Tag später folgte RTL. © dpa
Pionier Sat.1 hat in drei Jahrzehnten mehrere Besitzerwechsel und Umzüge (von Ludwigshafen über Mainz und Berlin bis Unterföhring bei München) hinter sich ...
Pionier Sat.1 hat in drei Jahrzehnten mehrere Besitzerwechsel und Umzüge (von Ludwigshafen über Mainz und Berlin bis Unterföhring bei München) hinter sich ... © dpa
... und verschmolz im Jahr 2000 zur ProSiebenSat.1 Media AG. Seit 1996 ist der Sender auch im Internet aktiv, heute zum Beispiel mit mehr als 50 Facebook-Seiten.
... und verschmolz im Jahr 2000 zur ProSiebenSat.1 Media AG. Seit 1996 ist der Sender auch im Internet aktiv, heute zum Beispiel mit mehr als 50 Facebook-Seiten. © dpa
1. Januar 1984, 9.58 Uhr: Der Geschäftsführer Jürgen Doetz meldet sich aus der Sendezentrale des Kabelpilotprojekts Ludwigshafen:
1. Januar 1984, 9.58 Uhr: Der Geschäftsführer Jürgen Doetz meldet sich aus der Sendezentrale des Kabelpilotprojekts Ludwigshafen: "Sie sind in dieser Minute Zeuge des Starts des ersten deutschen privaten Fernsehveranstalters, der Sie mit einem Vollprogramm täglich ab 16.45 Uhr über den Nachmittag und Abend begleiten wird..." - so ging es damals laut Sat.1 los. © dpa
2. Januar 1984, 17.27 Uhr: RTL plus geht auf Sendung, in einem kleinen Studio im luxemburgischen Dudelange. Idee zum Start: In einem Kreißsaal bringt Moderator Rainer Holbe einen Fernseher zur Welt und mit ihm symbolisch den Sender, der erst später seinen Hauptsitz in Köln findet und seit 1993 nur noch RTL heißt.
2. Januar 1984, 17.27 Uhr: RTL plus geht auf Sendung, in einem kleinen Studio im luxemburgischen Dudelange. Idee zum Start: In einem Kreißsaal bringt Moderator Rainer Holbe einen Fernseher zur Welt und mit ihm symbolisch den Sender, der erst später seinen Hauptsitz in Köln findet und seit 1993 nur noch RTL heißt. © dpa
Aus diesen bescheidenen Privat-TV-Anfängen ist ein riesiger Markt geworden. Inzwischen ist die Zeit vor dem kommerziellen Fernsehen - als es zunächst nur ein öffentlich-rechtliches Programm gab und später das Zweite Deutsche Fernsehen, dann immerhin die regionalen Dritten - kaum mehr vorstellbar.
Aus diesen bescheidenen Privat-TV-Anfängen ist ein riesiger Markt geworden. Inzwischen ist die Zeit vor dem kommerziellen Fernsehen - als es zunächst nur ein öffentlich-rechtliches Programm gab und später das Zweite Deutsche Fernsehen, dann immerhin die regionalen Dritten - kaum mehr vorstellbar. © dpa
Spätestens seit den 90er Jahren wirbelt das Internet die Situation der elektronischen Medien kräftig durcheinander. Auch Sat.1 oder RTL als einstige ...
Spätestens seit den 90er Jahren wirbelt das Internet die Situation der elektronischen Medien kräftig durcheinander. Auch Sat.1 oder RTL als einstige ... © dpa
... Erneuerer des linearen Fernsehens gehören für manchen schon zum alten Eisen. Seine Zielgruppen-Fixierung der angeblich werberelevanten 14- bis 49-Jährigen hat auch das Einschaltquoten-Denken bei ARD und ZDF beeinflusst.
... Erneuerer des linearen Fernsehens gehören für manchen schon zum alten Eisen. Seine Zielgruppen-Fixierung der angeblich werberelevanten 14- bis 49-Jährigen hat auch das Einschaltquoten-Denken bei ARD und ZDF beeinflusst. © Foto: RTL/dpa
Inhaltlich haben die Privaten neue Programmformate ausprobiert und immer wieder für Aufsehen gesorgt: sei es mit Frühstücksfernsehen, Quiz-Show-Wiederbelebungen, Daily Soaps, Reality-Shows, lockereren Nachrichtensendungen oder aber Castingshows.
Inhaltlich haben die Privaten neue Programmformate ausprobiert und immer wieder für Aufsehen gesorgt: sei es mit Frühstücksfernsehen, Quiz-Show-Wiederbelebungen, Daily Soaps, Reality-Shows, lockereren Nachrichtensendungen oder aber Castingshows. © (c) RTL / Willi Weber
Inhaltlich haben die Privaten neue Programmformate ausprobiert und immer wieder für Aufsehen gesorgt: sei es mit Frühstücksfernsehen, Quiz-Show-Wiederbelebungen, ...
Inhaltlich haben die Privaten neue Programmformate ausprobiert und immer wieder für Aufsehen gesorgt: sei es mit Frühstücksfernsehen, Quiz-Show-Wiederbelebungen, ... © dpa
... Daily Soaps, Reality-Shows, lockereren Nachrichtensendungen oder aber Castingshows.
... Daily Soaps, Reality-Shows, lockereren Nachrichtensendungen oder aber Castingshows. © dpa
Für Diskussionsstoff sorgten etwa die Sexberatung mit Erika Berger, ...
Für Diskussionsstoff sorgten etwa die Sexberatung mit Erika Berger, ... © dpa
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... die nackten Brüste bei "Tutti Frutti", ... © RTL
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... die Ekel-Spiele im Dschungelcamp, ... © RTL/Stefan Menne+
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Viele Fernsehköpfe wären ohne die Privaten heute kaum das, was sie sind - man denke an die Aufstiege von Günther Jauch ("Stern TV", "Wer wird Millionär?") ... © dpa
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... oder Stefan Raab. © dpa
Das Privat-TV fungierte auch als Talentschmiede fürs Öffentlich-Rechtliche. Reinhold Beckmann, ...
Das Privat-TV fungierte auch als Talentschmiede fürs Öffentlich-Rechtliche. Reinhold Beckmann, ... © dpa
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... Jörg Pilawa, ... © dpa
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... Johannes B. Kerner oder der langjährige "Nur die Liebe zählt"-Moderator ... © dpa
... Kai Pflaume zum Beispiel wurden bei RTL und Sat.1 bekannt. Doch auch Gewächse von ARD und ZDF experimentierten bei den Privaten, etwa Thomas Gottschalk, Hape Kerkeling oder Late-Night-Entertainer Harald Schmidt.
... Kai Pflaume zum Beispiel wurden bei RTL und Sat.1 bekannt. Doch auch Gewächse von ARD und ZDF experimentierten bei den Privaten, etwa Thomas Gottschalk, Hape Kerkeling oder Late-Night-Entertainer Harald Schmidt. © dpa
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Gavrila sieht das Problem ohnehin nicht nur in den TV-Programmen des Landes. "Ich bin nicht sicher, ob es nur ein Problem der Medien und der Kommunikation ist", sagte sie. "Es ist ein Problem der gesamten Gesellschaft und besonders der italienischen." (dpa)