Essen. Holger Kreymeier, Gründer des preisgekrönten Internet-Magazins “Fernsehkritik TV“, hat in einer Online-Petition an ZDF-Intendant Thomas Bellut die Absetzung der umstrittenen Sendung “Auf der Flucht - das Experiment“ gefordert. Nach einem halben Tag hatte er bereits über 1700 Unterstützer.

Man könnte sagen, Holger Kreymeier ist ein wütender junger Mann. Jedenfalls, wenn es um schlechtes Fernsehen geht - oder das, was er dafür hält. In seinem Online-Magazin "Fernsehkritik TV" rechnet der Ex-NDR-Mann mit allem ab, was im deutschen Fernsehen seines Erachtens nicht stimmt: Er demontiert Scripted-Realtity-Formate wie "Die Supernanny" oder "Frauentausch"; oft geht es um Produktionen von Privatsendern. Dafür hat das Magazin den Grimme Online Award erhalten. Diesmal richtet sich Kreymeiers Ärger gegen den umstrittenen ZDF-Vierteiler "Auf der Flucht - das Experiment".

Kreymeier fordert in einer Internet-Petition auf der Online-Plattform change.org die sofortige Absetzung der Sendung, Adressat ist ZDF-Intendant Thomas Bellut. Nach einem halben Tag hat die Petition bereits mehr als 1700 Unterstützer gefunden.

ZDF betreibt "reißerischen Voyeurismus"

Das ZDF verstoße mit der "zynischen Dokusoap gegen Grundsätze des öffentlich-rechtlichen Fernsehens", heißt es darin. "Sechs skurrile Persönlichkeiten" würden hier " auf eine Art Abenteuersafari" geschickt. Die gesamte Sendung sei "effekthascherisch konzipiert", es werde so getan, als sei Flucht ein "spannendes Abenteuer".

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Weiter schreibt Holger Kreymeier: "Dass hier Menschen massenhaft zu Tode kommen und schlimmste Schicksale erleiden, wird durch eine solche Unterhaltungssendung relativiert." Ferner orientiere sich die Sendung eindeutig an kommerziellen Formaten und es würden künstlich Konflikte geschürt. Ein solcher "reißerischer Voyeurismus" gehöre nicht zum Bildungsauftrag des ZDF.

"Zynisch, fast schon strafbar"

Die Unterschreiber der Petition können in einem Kommentarfeld begründen, warum sie unterschrieben haben. Die meisten finden klare Worte: "Weil derart menschenverachtender Müll ein Armutszeugnis für die zivilisierte Gesellschaft darstellt", begründet ein Kommentator seine Unterstützung.

Es gehe darum, ein Zeichen "gegen die zunehmende Pervertierung unserer Fernsehwelt" zu setzen, schimpft ein anderer. Und ein weiterer meint: "Mit unseren Geldern das Leid von Flüchtlingen ausnutzen, das ist nicht nur zynisch, sondern schon fast strafbar." Einer der Unterstützer zieht gar das Grundgesetz heran: "Die Würde des Menschen ist unantastbar."

Das ZDF verteidigt das Format und meldete sich schriftlich zum Thema. Die "Dokureihe (...) soll einen Eindruck von der Situation und den Verhältnissen vermitteln, unter denen Flüchtlinge ihr Heimatland verlassen, die Gefahren aufzeigen, denen sie sich auf der Flucht aussetzen und die Bedingungen beleuchten, unter denen sie in Zufluchtsländern wie Deutschland, Griechenland und Italien leben", heißt es in der Stellungnahme. Die Sendung liefere ferner "Hintergründe und Informationen zum Thema Migration". Durch die Reise der Protagonisten werde das "viel und kontrovers diskutierte Thema" nachvollziehbar gemacht.

ZDF: "Kein Anspruch auf Vollständigkeit"

Allein "aufgrund der Lage in den jeweilig bereisten Ländern" könne "kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden", so das ZDF. Die Dokureihe sei "exemplarisch, wie es auch die sechs Protagonisten sind".

Deren Prominenz habe bei der Auswahl der Protagonisten - vier der sechs seien unbekannt - nicht im Vordergrund gestanden: "Die Auswahl der Protagonisten orientiert sich an vorhandenen Einstellungen zur Flüchtlingsproblematik", heißt es in dem Schreiben.

Vielmehr sei die "Vielfalt der Meinungen und deren Entwicklung während der Reise" wichtig. Zur Kritik, dass hier leidende Flüchtlinge im Rahmen einer Unterhaltungssendung gezeigt werden, äußerte sich der Sender ebenso wenig wie zu Kreymeiers Online-Petition.