Essen. Tragödie am Bremer ARD-“Tatort“: Hauptkommissarin Inga Lürsens (Sabine Postel) Freund und Kollege Leo Uljanoff (Antoine Monot jr.) wird ermordet. Wenigstens ist Stedefreund (Oliver Mommsen) aus Afghanistan zurück. Das Duo ermittelt und muss dabei vor allem gegen die eigene Befangenheit kämpfen.
Es ist die wohl schwierigste Frage in dem Beruf: Wie viel Mensch darf ein Polizist sein? Wie viel Fehlbarkeit und Emotionen darf jemand in eine Profession stecken, die ihm derart viel Macht verleiht? Eine Problematik, die in der Realität viele Beamte umtreiben dürfte, beschäftigt am Sonntagabend das Bremer „Tatort“-Duo Inga Lürsen und Nils Stedefreund. In „Er wird töten“ (Sonntagabend, 20.15 Uhr in der ARD) haben beide Kommissare ihre Päckchen zu tragen. Und die drohen, die Ermittlungen zu beeinflussen.
Gerade erst kam Bewegung ins Privatleben der kühlen Kommissarin Inga Lürsen, da ist es auch schon wieder vorbei mit der Romanze: Ihr Kollege und Freund Leo Uljanoff wird kaltblütig im Kommissariat ermordet. Einzig die verstörte Ärztin Marie Schemer (Annika Kuhl), die zur gleichen Zeit im Präsidium auftaucht, scheint zu wissen, wer hinter der Tat steckt. „Er wird töten, er wird töten“ sind zunächst die einzigen Worte, die eine überzeugend psychopatische und düstere Annika Kuhl vor sich hin stammelt.
Dynamik zwischen Postel und Monot misslingt
Rückblick: Erst im letzten Bremer Tatort „Puppenspieler“ (lief am 24. Februar in der ARD) hatte die Hauptkommissarin ihren neuen Kollegen kennen und lieben gelernt. Doch Gerüchte, nach denen Monot Stedefreund-Darsteller Oliver Mommsen ersetzen sollte, sind jetzt wohl endgültig vom Tisch. Wirklich schade ist das nicht. Denn Dialoge und Energie zwischen dem ungleichen Liebespaar wirken in der aktuellen Folge seltsam erzwungen – anders als die überzeugende Lürsen-Stedefreund-Dynamik. Da trifft es sich gut, dass der Kommissar genau zur rechten Zeit nach einem längeren Aufenthalt in Afghanistan zurückkehrt.
Noch in der Tatnacht nehmen die Beamten die Ermittlungen auf. Trotz Befangenheit darf Inga Lürsen mitmachen. Darstellerin Sabine Postel lässt die Kommissarin dabei unerklärlich gefasst und trocken wirken – schon wenige Minuten nachdem ihr Freund ermordet wurde. Die Ermittler suchen nach Joseph Vegner (erschreckend cholerisch: Peter Schneider). Er soll vor Jahren Maries und sein gemeinsames Kind umgebracht und nun auch Kommissar Uljanoff getötet haben. Der hatte Vegner damals in den Knast gebracht.
Die Logik muss an manchen Stellen der Spannung weichen
Wenngleich sich sehr schnell erahnen lässt, wie die Geschichte ausgeht, und die Logik der Spannung besonders an einem Punkt leider komplett weichen muss, ist Regisseur Florian Baxmeyer ein recht spannender "Tatort" gelungen. Denn immer wieder führen vor allem Befangenheit und Vorurteile Inga Lürsen auf falsche Spuren. Auch Stedefreunds dramatische Erfahrungen in Kundus lassen den sonst so gelassenen Kommissar so manche Grenze der Exekutive ausreizen.
Vor allem die Brutalität, mit der ein erboster Beamter (Helge Tramsen) kurz nach dem Mord gegen einen vermeintlich Verdächtigen vorgeht, spiegelt genau die Problematik wider, die den Ermittlern zu schaffen macht: Wie viel Mensch – der gerade seinen Kollegen an einen Verbrecher verloren hat – darf ein Polizist sein? Die Antwort läge wohl bei null Prozent und ist, wie die Bremer Ermittler einmal mehr zeigen, unerreichbar.