ARD-Tatort - Packender Münchner Tatort über Macht und Ohnmacht im Polizei-Alltag
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Essen. . Ein überragender Münchener Tatort am Ostermontag: „Macht und Ohnmacht“ heißt die jüngste Folge mit dem Münchner Ermittler-Duo Batic und Leitmayr. Der Film zeigt auf kluge und schmerzhafte Weise, was der Druck, sich stets an die Regeln halten zu müssen, aus einem Polizisten machen kann.
Wie weit darf man gehen als Polizist? Wie stark lässt man die Sitten verrohen im täglichen Frust? Im Frust über die Schlägertypen, die kurz nach der Festnahme triumphierend mit gestrecktem Mittelfinger wieder aus der Wache marschieren, im Frust über den Kerl, der seine Frau windelweich prügelt, von ihr aber nie angezeigt wird? Im Frust, pausenlos belogen und betrogen zu werden?
„Vor unseren Augen passiert diese Scheiße, und wir können nichts tun, wer hilft uns?“, fragt eine junge Polizistin einmal, und genau darum geht es in diesem außergewöhnlichen Münchener „Tatort“, dem Thomas Stiller (Regie) und Dinah Marte Golch (Drehbuch) einen Titel gegeben haben, wie er besser nicht passen könnte: „Macht und Ohnmacht“ (ARD, Montag, 20.15 Uhr). Ein packender Stoff aus der Wirklichkeit.
Tatort zeigt weltfremden Oberlehrer
„Es gibt Recht, und es gibt Unrecht, und dazwischen verläuft eine ganz klare Linie, die niemand überschreiten darf“, doziert der Ermittler Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl). Wen wundert’s, dass der alte Polizei-Haudegen Matteo Lechner, der den Abschaum aus der Stadt spülen möchte, den Kommissar für einen weltfremden Oberlehrer aus dem Büro hält. „Ich bin das Gesetz“, dröhnt dieser Bär von Mann, und man spürt, wie die Luft zwischen den beiden vibriert. Emilio De Marchi, der den verbissenen, vereinsamten Straßenköter in Uniform spielt, ist das Epizentrum dieses Krimis und drückt das unterkühlte Münchener Tatort-Duo an den Rand.
Die Tatort-Kommissare
1/17
Der Film ist viel zu klug, um denen das Wort zu reden, die glauben, man müsse auch mit unrechten Mitteln für Gerechtigkeit kämpfen, selbst wenn man es sich um der Sache willen manchmal so sehr wünscht. Aber er zeigt auf schmerzhafte Weise, was der Druck, sich stets an die Regeln halten zu müssen, aus einem Polizisten machen kann. Er macht das Fehlverhalten nachvollziehbar, ohne es je zu entschuldigen. Ein schmaler Grat, auf dem er gekonnt balanciert, ohne die Befindlichkeit des Betrachters aus den Augen zu verlieren: Welchen Blick auf das Recht haben wir selbst?
Dramaturgische Finesse
Lechner und seine scheinbar so verschworene Truppe sind längst überfordert mit dem Schmutz des Alltags, infiziert von der Gewalt, die sie umgibt. Sie lassen sich hinreißen, schlagen mit aller Härte zurück, und als ein junger Informant und vermeintlicher Erpresser mit zertrümmertem Schädel aufgefunden wird, gerät Lechner in Verdacht. Dass er Leitmayr und seinen Partner Ivo Batic (Miroslav Nemec) beim Verhör fragt, auf welcher Seite sie denn eigentlich stünden, passt in sein Weltbild. Ein junger Kollege Lechners hat sich zu diesem Zeitpunkt schon vor allen anderen im Duschraum eine Kugel in den Kopf gejagt.
TatortMit einer dramaturgischen Finesse steigert das Tatort-Drehbuch die psychologische Spannung. Die Autorin lässt Carlo Menzinger alias Michael Fitz für einen Besuch zurückkehren. Der Ex-Kollege von Batic und Leitmayr, der den Job 2007 hinwarf, hat sich als Aussteiger in Thailand mit einem Ökohotel verwirklicht und wird in den Fall hineingesogen. Denn Lechner ist sein ältester Freund und ehemaliger Mentor. Was ist diese Freundschaft nun wert? Und wem gegenüber ist er jetzt loyal?
Intensiv gespielter Tatort
Keine Minute in diesem intensiv gespielten Krimi ist vergeudet, der sich auch dadurch auszeichnet, dass ihm das Thema viel zu wichtig ist, um es irgendwelchen Nebenschauplätzen oder Schrulligkeiten der Ermittler zu opfern. Es ist ein Tatort der alten Schule, mit modernen Mitteln erzählt. Einen besseren hat’s ewig nicht gegeben.
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