Mainz. Zum 50. Geburtstag des ZDF erinnern sich dessen frühere Mitarbeiter an die Anfänge des Senders. Dazu gehören viele skurrile Anekdoten. So sorgten “Rosinenbomber“ über dem Lerchenberg für aktuelle Nachrichten. Ansagerinnen hätten sich beinah in einem Gefängniswaggon umziehen müssen.

Für das aktuelle Fernsehprogramm besaß das ZDF früher eine "Luftbrücke": Immer dann, wenn Flugzeuge zum Tiefflug über dem Sendezentrum auf dem Mainzer Lerchenberg ansetzten, wurden zehn Kilogramm schwere Filmrollen abgeworfen - der damals effizienteste Weg, um das Tagesgeschehen von weit her schnell auf die Bildschirme zu bringen.

Nicht ungewöhnlich sei es während der Anfänge in den 1960er Jahren auch gewesen, dass eine Polizeieskorte das Filmmaterial zu Fußballspielen in der Halbzeitpause zur Sendeanstalt brachte, erinnert sich Michael Sauer, früherer Referent des ersten ZDF-Intendanten Karl Holzamer.

ZDF-Landebahn musste Platz machen für den Fernsehgarten

Das 50. Jubiläum des ZDF hat den heute 72-jährigen Sauer noch einmal zu seiner alten Wirkungsstätte gelockt. Im Besucherzentrum plaudert er mit der Nachrichtenagentur dapd über seine bewegten Jahrzehnte beim Zweiten Deutschen Fernsehen. Begonnen hat Sauer als Praktikant in der ZDF-Sportredaktion. Später leitete der Leichtathlet das wöchentliche Kinder-Sportmagazin "Pfiff". Von 1986 bis 2001 war er dann Sendeleiter.

"Ich hatte als Sendeleiter einen verborgenen Knopf unter der Tischplatte, mit dem ich das komplette Programm ausschalten konnte", verrät Sauer. Der Schalter sei damals als Vorsichtsmaßnahme gedacht gewesen, sollten Terroristen die Sendeanstalt stürmen. "Er ist aber meines Wissens nie benutzt worden", fügt Sauer mit einem Augenzwinkern hinzu. Die geplante Landebahn auf dem Lerchenberg musste übrigens dem ZDF-Fernsehgarten weichen.

Ein Wohnwagen als Ankleide für Ansagerinnen

Während des Gesprächs trotten immer wieder Besuchergruppen durch die Empfangshalle. Als sich eine Menge Jugendlicher teilt, begrüßt Sauer seinen früheren Fernsehkollegen Rudolf Radke, Mitbegründer der "heute"-Nachrichten.

Beide Herren sind an diesem Tag der Einladung des ZDF-nahen Vereins "Das Gedächtnis der Nation" gefolgt. Für das gleichnamige Online-Archiv, in dem Zeitzeugenberichte zu zentralen Momenten deutscher Geschichte gesammelt werden, interviewt der Verein Mitarbeiter der ersten Stunde.

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Der heute 87-jährige Radke arbeitete noch in dem ersten ZDF-Provisorium in Eschborn bei Frankfurt am Main, das die Fernsehmacher in Anlehnung an sibirische Arbeitslager spöttisch "Telesibirsk" tauften.

Gefängniswaggon-Idee wurde verworfen

Denn auf dem ehemaligen Bauernhof waren die Redakteure ab 1963 in behelfsmäßigen Baracken untergebracht. "Vor der Baracke war eine Wiese und da weideten Schafe drauf", erzählt Radke. Für die Ansagerinnen sei ein Wohnwagen aufgestellt worden, "wo die Mädels sich umziehen konnten". Zuvor hatten sich die Verantwortlichen des ZDF gegen einen Gefängniswaggon entschieden, den die Deutsche Bahn als Ankleidewagen spendieren wollte.

Wichtige Entscheidungen wurden zu dieser Zeit oftmals im Biergarten getroffen - dort wurde auch der Name für die "heute"-Nachrichten erdacht. Einige Mitarbeiter hätten wegen des Titels "heute" Bauchschmerzen gehabt. "Ich hab dann aber doch darauf bestanden", betont der frühere Leiter der ZDF-Hauptabteilung "Tagesgeschehen" nicht ganz ohne Stolz.

Medienlandschaft hat sich stark gewandelt

Als "abenteuerlich" bezeichnet auch Hajo Schedlich die Anfänge des Senders. Der langjährige ZDF-Redakteur erzählt, er sei einer der wenigen "Fernsehprofis" unter den anfangs meist unerfahrenen Kollegen gewesen.

Für die Sendereihe "Das kleine Fernsehspiel", das er für das ZDF produzierte, habe er sich einige Male mit Intendant Holzamer angelegt. Der nämlich habe "sehr strenge moralische Richtlinien" gehabt. "Ich wurde schon vor der Ausstrahlung vor den Fernsehrat zitiert", erinnert sich Schedlich an eine Begebenheit.

Dennoch habe er viel Narrenfreiheit genossen, betont der 87-Jährige, der unter anderem auch die Kultursendung "ZDF-Matinee" erfunden und den Mainzer Stadtschreiber-Preis ins Leben gerufen hat.

Daher könne er sich auch nicht vorstellen, heute noch für den Sender zu arbeiten. "Für mich hat sich die Medienlandschaft so entwickelt, dass sie nicht mehr zu mir passen würde", gesteht Schedlich. Das Fernsehen sei ihm mittlerweile zu schnelllebig und zu quotenorientiert.

Dem stimmt rückblickend auch sein früherer ZDF-Kollege Sauer zu: "Die Atmosphäre ist kälter geworden durch den sozialen Druck. Das hat es früher nicht gegeben", sagt Sauer etwas wehmütig. (dapd)