Essen. . Auf intelligente Weise verbindet der neue „Tatort“ Fiktion und Realität. Die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart ist in diesem Politkrimi wunderbar gelungen. Alte Schwarz-Weiß-Bilder grenzen die Sehgewohnheiten ein. Heute ist bunt, farbenfrohes Grau in allen Schattierungen steht für das Gestern.

Dieses Bild vergisst man nicht. Das Foto aus dem Zimmer 317 des Genfer Hotels „Beau Rivage“. Der frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel liegt tot in seiner Badewanne. 25 Jahre sind seitdem vergangen. Die Ermittler glauben an einen Selbstmord, Verschwörungstheoretiker an Mord. Im neuen „Tatort: Borowski und der freie Fall“, Sonntag, ARD, 20.15 Uhr, rückt die „Waterkantgate“ noch einmal in den Fokus der Ermittler. Auf sehr unterhaltsame und intelligente Weise verschmilzt Realität mit Fiktion. Ein außergewöhnliches TV-Ereignis.

Im heutigen Kiel wird der Autor Dirk Sauerland tot auf seiner Jacht gefunden. Seine Ex-Frau Ulla Jahn (Marie-Lou Sellem), eine Talk-Show-Moderatorin, erfährt von Tom Buhrow, der ganz realistisch in der Tagesthemen-Kulisse moderiert, via TV vom Tod ihres Ex. Jahn wird später das Ermittlerteam Klaus Borowski (Axel Milberg) und Sarah Brandt (Sibel Kekilli) über das schwule Doppelleben ihres Mannes aufklären.

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Dieser Hinweis führt die Kommissare in die Politszene zu Minister Karl Martin von Treunau (Thomas Heinze). Die weitere Recherche bringt das Duo auf eine alte Spur: Dirk Sauerland war zum Zeitpunkt des Todes von Uwe Barschel in Genf. Borowski und Brandt fragen sich: Was hat Sauerland vor einem Vierteljahrhundert entdeckt, und warum musste er heute sterben?

Der Fall Barschel sorgt für Spannung

Die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart ist in diesem Politkrimi wunderbar gelungen. Denn die Drehbuchvorlage, die auf einer Idee des renommierten Autors Fred Breinersdorfer beruht und von Eoin Moore vollendet wurde, versucht zu keinem Zeitpunkt die Gerüchteküche im realen Fall Barschel mit weiteren Vermutungen aufzufrischen.

Tatort-Kommissare im Schatten von Schimanski

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Der "Tatort" ist die meistgesehene Krimireihe im deutschen Fernsehen - und welche Ermittler fallen einem sofort ein? Horst Schimanski oder Heinz Haferkamp, Max Ballauf oder Lena Odenthal. In weit über 700 Folgen gab es aber auch TV-Polizisten, die kaum in Erinnerung geblieben sind, zum Beispiel diese hier: © ARD/WDR
Nein, der Mann links ist nicht 'Ekel Alfred' - aber der rechts heißt Diether Krebs. Der gebürtige Essener war 1979 als Hauptkommissar Nagel für den NDR im Einsatz - genau einmal. Bekannter war Krebs als Komödiant in
Nein, der Mann links ist nicht 'Ekel Alfred' - aber der rechts heißt Diether Krebs. Der gebürtige Essener war 1979 als Hauptkommissar Nagel für den NDR im Einsatz - genau einmal. Bekannter war Krebs als Komödiant in "Sketchup" oder Ermittler in der ZDF-Reihe "Soko 5113". © SWR/NDR/Tele Press
Volker Brandt: Er ist die deutsche Stimme von Michael Douglas und hat den US-Star beispielsweise in der Serie
Volker Brandt: Er ist die deutsche Stimme von Michael Douglas und hat den US-Star beispielsweise in der Serie "Die Straßen von San Francisco" synchronisiert. Reichlich Krimi-Erfahrung hat Brandt also - aber nicht als "Tatort"-Kommissar. Immerhin 6 Fälle hat er als Kommissar Walther für den SFB gelöst.
Klaus Löwitsch: Man glaubt es nicht, aber der Mann hatte mal Tänzer gelernt. Später war er im deutschen TV meist Detektiv oder der Bösewicht vom Dienst. Der 2002 gestorbene Schauspieler ist zudem der einzige
Klaus Löwitsch: Man glaubt es nicht, aber der Mann hatte mal Tänzer gelernt. Später war er im deutschen TV meist Detektiv oder der Bösewicht vom Dienst. Der 2002 gestorbene Schauspieler ist zudem der einzige "Tatort"-Ermittler der in der Serie zwei Ermittler verkörpert hatte: Einen Fall als Polizeihauptmeister Reinhold Dietze, den anderen als Kommissar Werner Rolfs. © imago stock&people
Jörg Hube: Einen Fall löste er als Kommissar Enders, für den WDR - 1980 war das. Seine letzte TV-Rolle war ebenfalls ein Ermittler: 2009 trat er als Hauptkommissar Papen in der ARD-Reihe
Jörg Hube: Einen Fall löste er als Kommissar Enders, für den WDR - 1980 war das. Seine letzte TV-Rolle war ebenfalls ein Ermittler: 2009 trat er als Hauptkommissar Papen in der ARD-Reihe "Polizeiruf 110" auf. Zu Teil zwei kam es nicht mehr. Hube starb am 19. Juni 2009 an Krebs. Das Foto zeigt ihn in einer Nebenrolle mit den Münchner Tatort-Ermittlern Batic und Leitmayr. © BR/TV60/Julia von Vietinghoff br
In der DDR war er ein Star, dank seiner Hauptrolle im DEFA-Kultfilm
In der DDR war er ein Star, dank seiner Hauptrolle im DEFA-Kultfilm "Die Legende von Paul und Paula". Als Tatort-Kommissar war Winfried Glatzeder nicht annähernd soviel Erfolg vergönnt. Die zwölf Folgen für den SFB als Hauptkommissar Roiter sind aus dem kollektiven Krimifan-Gedächtnis zu Recht gelöscht. © imago stock&people
Er stammte vom Niederrhein und ist einer der Tatort-Kommissars-Pioniere. 1971 und 1972 trat Paul Esser als Kommissar Kasulke in der Serie auf, für zwei Folgen. Esser (rechts im Bild in einer Pippi-Langstrumpf-Verfilmung von 1968) war später Theaterdirektor in Berlin. Als Bühnenschauspieler gehörte er einst in Düsseldorf zum Theaterensemble von Gustaf Gründgens.
Er stammte vom Niederrhein und ist einer der Tatort-Kommissars-Pioniere. 1971 und 1972 trat Paul Esser als Kommissar Kasulke in der Serie auf, für zwei Folgen. Esser (rechts im Bild in einer Pippi-Langstrumpf-Verfilmung von 1968) war später Theaterdirektor in Berlin. Als Bühnenschauspieler gehörte er einst in Düsseldorf zum Theaterensemble von Gustaf Gründgens. © imago stock&people
Wer in den 1970er-Jahren groß geworden ist, kennt ihn als Briefträger aus der Kinderreihe
Wer in den 1970er-Jahren groß geworden ist, kennt ihn als Briefträger aus der Kinderreihe "Neues aus Uhlenbusch": Hans Peter Korff war aber auch mal TV-Kommissar im Tatort. Sein Kommissar Behnke trat 1978 und 1979 für zwei Folgen auf. © imago stock&people
Sein Gesicht kennt man meist aus Nebenrollen, etwa in
Sein Gesicht kennt man meist aus Nebenrollen, etwa in "Derrick", "Der Alte" oder "Ein Fall für Zwei": Das Engagement als Tatort-Ermittler war für Volkert Kraeft letztlich auch nur eine Nebenrolle. Er ermittelte als Hauptkommissar Sander in genau einem Fall.
Klaus Höhne war in Zeiten aktiv, als der Tatort noch nicht Kult war, sondern einfach eine Krimi-Serie, die zudem nicht jeden Sonntag zu sehen war. Höhne trat 1971 bis 1980 als Kommissar Konrad für den Hessischen Rundfunk an. Nach heutigem Stand hätte er in diesem Zeitraum wohl an die 30 Filme gedreht. Damals blieb es bei acht Folgen.
Klaus Höhne war in Zeiten aktiv, als der Tatort noch nicht Kult war, sondern einfach eine Krimi-Serie, die zudem nicht jeden Sonntag zu sehen war. Höhne trat 1971 bis 1980 als Kommissar Konrad für den Hessischen Rundfunk an. Nach heutigem Stand hätte er in diesem Zeitraum wohl an die 30 Filme gedreht. Damals blieb es bei acht Folgen.
Man kannte ihn aus den Edgar-Wallace-Verfilmungen, die in den 1960ern in Deutschland als
Man kannte ihn aus den Edgar-Wallace-Verfilmungen, die in den 1960ern in Deutschland als "Straßenfeger" TV-Geschichte schrieben. In den 80ern war Heinz Drache (im Bild links) dann nochmal zurück auf dem Bildschirm. Als ergrauter Hauptkommissar Bülow in Berlin. Für sechs Folgen. © imago stock&people
Erik Schumann (hier auf einem Set-Foto von 1959 mit Sonja Ziemann): Wieder einer, der großen Kino-Stars wie etwa Jack Nicholson eine deutsche Stimme gab - als Kommissar Greve war ihm allerdings nur ein Fall vergönnt. 1981:
Erik Schumann (hier auf einem Set-Foto von 1959 mit Sonja Ziemann): Wieder einer, der großen Kino-Stars wie etwa Jack Nicholson eine deutsche Stimme gab - als Kommissar Greve war ihm allerdings nur ein Fall vergönnt. 1981: "Das Zittern der Tenöre". © imago stock&people
Wer sagt da
Wer sagt da "kenn ich!"? Klar, TV-Fans kennen Knut Hinz (links, neben Joachim Luger) als Hajo Scholz aus der "Lindenstraße". Hinz' Zeit als Tatort-Kriminalist ist auch schon etwas her. Zwischen 1974 und 1977 trat er zweimal als Kommissar Heinz Brammer auf. © imago stock&people
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„Es dürfen keine Behauptungen gemacht werden, die nicht belegt werden können, etwa indem man eine Person ohne Beweise mit einem Verbrechen in Verbindung bringt“, erklärt die NDR-Redakteurin Sabine Holtgreve. Der Fall Barschel schwingt mit, sorgt für Spannung.

Was Macht mit Männern macht

Dennoch werden die unterschiedlichen Ebenen immer voneinander getrennt. Alte Schwarz-Weiß-Bilder, wacklige Filmaufnahmen grenzen bereits die Sehgewohnheiten ein. Heute ist bunt, das farbenfrohe Grau in allen Schattierungen steht für das Gestern. Die verbindende Klammer bildet der tote Sauerland und Politik im Allgemeinen. Es geht um Machtverlust, um das Phänomen, was Macht mit Männern macht. Thomas Heinze bringt das wunderbar rüber. Barschels Tod hingegen bleibt auch weiter ein Mysterium.