Kiel. Axel Milberg alias TV-Kommissar Klaus Borowski spricht im dapd-Interview über den neuen Kieler “Tatort“ - und über neue Geschichten des schwedischen Erfolgs-Autors Henning Mankell.

Seit neun Jahren steht Axel Milberg regelmäßig als Kieler "Tatort"-Kommissar Klaus Borowski des NDR vor der Kamera. Am Sonntag (14. Oktober, 20.15 Uhr) ermittelt er in der Episode "Borowski und der freie Fall" zum 20. Mal in der ARD-Krimireihe. Mit dem gebürtigen Kieler sprach dapd-Korrespondent André Klohn über den kauzigen Kommissar und Milbergs Vater, der einst am Schreibtisch des ehemaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel (CDU) saß.

Vor einigen Jahren sagten Sie zu der Rolle des etwas mürrisch wirkenden Ermittlers, Borowski sei "auf dem Weg". Ist er nach 20 Fällen mittlerweile angekommen?

Axel Milberg: Ich glaube, er bleibt auf dem Weg. Ich selbst bin vom Wesen her nicht unbedingt ein Seriendarsteller. Ich kämpfe nicht um 200 Drehtage im Jahr, um mir etwas Schönes davon kaufen zu können. Das ist nicht der Ur-Impuls. Das würde mir nicht die nötige Ausdauer geben. Lieber möchte ich etwas spielen, was ich noch nicht gespielt habe. Ich möchte etwas erleben bei der Arbeit, wo ich sage: Das hat mich jetzt so verblüfft, das kannte ich noch nicht.

Wie wirkt sich das auf Ihren "Tatort" aus?

Milberg: Borowski verändert sich. Sonst müsste ich immer die Arschbacken zusammenkneifen und exakt das gleiche machen als Charakter: Wie spreche ich, wohldosierte Ausbrüche, das Soziophobe, das Asoziale, die Angst vor Frauen. Mich interessiert seine Veränderung nicht aus moralischen Gründen nach dem Motto "Er wird besser". Er kann ja auch schlechter werden. Die Veränderungen werden gezeigt in konkreten Situationen, diese müssen stark sein. Es reicht nicht, dass die Geschichte und der Täter toll erzählt sind und der Kommissar ist quasi der Moderator der Geschichte.

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Wie lange werden wir ihn noch sehen, weitere 20 Folgen?

Milberg: Das könnte sein. Andere "Tatorte" sind bereits bei 60 Folgen. Wenn wir ein gutes Team bleiben, Redaktion, Produktion und Team, warum nicht noch mal so lange? Solange ich schneller renne als der Täter. Sonst muss ich mehr von den Distanzwaffen Gebrauch machen.

Was reizt Sie an der Rolle dieses mürrischen Typs?

Milberg: Der ist gar nicht mürrisch. Das war mal. Trennen Sie sich bitte von diesen viel zitierten Urteilen: Mürrisch, Stinkstiefel, Brummelbulle. Es ist ja fast wie in einer Ehe. Wenn ich als Schauspieler eine Ehe mit dem Zuschauer eingehe, muss ich auch mal rufen: Hallo, ich habe mich verändert, nimm es bitte zur Kenntnis. Die Partnerin muss dann ermutigende Worte finden: Stimmt, habe ich zwar nicht wirklich wahrgenommen, aber Du gibst Dir Mühe.

Nach dem Wechsel seiner Partnerin wirkte Borowski zuletzt tatsächlich wieder mürrischer.

Milberg: Ich habe ihn gerade auf der großen Leinwand beim Hamburger Filmfest besichtigt und er war freundlich, ja sogar gutmütig. Man kann sozusagen von "austherapiert" sprechen. Man will ja aber auch nicht allen gefallen.

Der schwedische Krimi-Auto Henning Mankell, mit dem sie befreundet sind, hat ihnen vor Jahren zwei Storylines für Borowski-Folgen geschrieben. Gibt es eine Fortsetzung?

Milberg: Ja. Er hat zwei weitere Geschichten geschrieben, die aber erst noch zu einem Drehbuch ausgearbeitet werden. Manches wird auch noch verändert, weil Henning nicht jede Folge gesehen hat. Wie gesagt, die Protagonisten sind unterwegs, es kommt darauf an, was wir vorher erzählt haben. Die Konstellation des Ermittlerteams muss aktuell sein. Ich kann nur ein Stichwort geben: In dem eigentlich relativ armen Kiel werden diese Milliardärsyachten gebaut. Sie liegen zum Teil auch im Yachthafen, wo sie bestaunt werden können. Dieser Reich-Arm-Kontrast, diese soziale Dynamik interessiert Mankell und wird eine Rolle spielen. Gedreht wird aber voraussichtlich noch nicht im kommenden Jahr, sondern 2014.

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Ihr aktueller "Tatort" widmet sich der Affäre um den ehemaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel, um dessen Tod sich zahlreiche Verschwörungstheorien ranken. Ein ideales Terrain für einen "Tatort"?

Milberg: Überhaupt nicht. Wir haben uns damit sehr schwergetan. Es ging über viele Stufen und wir haben immer wieder das Papier zerknüllt. Namhafte Autoren sind daran gescheitert. Es hat dann aber dieses Datum gedrängt, 25 Jahre ist der Tod Barschels nun her, und dann hat der irische Drehbuch-Autor Eoin Moore das scheinbar mühelos aus dem Ärmel geschüttelt, eine Mischung aus Fiktion und Dokumentarischem, kunstvoll miteinander verflochten und nuancenreich.

Wie sieht das Ergebnis genau aus?

Milberg: Der Film geht respektvoll mit dem Toten um und stellt genau den Kontrast dar zwischen Faktenlage und Verschwörungstheorien. Borowskis jüngere Assistentin Sarah Brandt (Sibel Kekilli) ist darin Vertreterin der Verschwörungstheorien und sagt: Mord, MAD, BND etc.! Borowski will sich stattdessen dem aktuellen Fall, dem Tod eines Journalisten widmen, der an einem geheimen Buchprojekt geschrieben hat und die Spur führt irgendwann nach Genf. Und so wird das eine mit dem anderen verwoben, aber eigentlich wollen wir den jetzigen Mord aufklären. Trotz Widerstandes rutschen wir aber noch mal in die alte Geschichte rein.

Borowski am Tatort

Die Frage von reinem Geschmack wird nicht nur Kommissar Borowski (Axel Milberg), sondern auch seiner zukünftigen Partnerin Sarah Brandt (Sibel Kekilli) am 24. Oktober im Tatort gestellt. © NDR/Marion von der Mehden
Die Frage von reinem Geschmack wird nicht nur Kommissar Borowski (Axel Milberg), sondern auch seiner zukünftigen Partnerin Sarah Brandt (Sibel Kekilli) am 24. Oktober im Tatort gestellt. © NDR/Marion von der Mehden © NDR/Marion von der Mehden
Florian Hölzel (Tom Wolf, l.) und sein Vater Andreas Hölzel (Markus Hering). © NDR/Marion von der Mehden
Florian Hölzel (Tom Wolf, l.) und sein Vater Andreas Hölzel (Markus Hering). © NDR/Marion von der Mehden © NDR/Marion von der Mehden
Andreas Hölzel (Markus Hering) ist wegen des Todes seines Sohnes Florian (Tom Wolf) am Boden zerstört. © NDR/Marion von der Mehden
Andreas Hölzel (Markus Hering) ist wegen des Todes seines Sohnes Florian (Tom Wolf) am Boden zerstört. © NDR/Marion von der Mehden © NDR/Marion von der Mehden
Borowski (Axel Milberg, l.) im Gespräch mit dem Gerichtsmediziner Dr. Stormann (Samuel Finzi, r.) wegen der Todesursache von Florian Hölzel (Tom Wolf, Mitte). © NDR/Marion von der Mehden
Borowski (Axel Milberg, l.) im Gespräch mit dem Gerichtsmediziner Dr. Stormann (Samuel Finzi, r.) wegen der Todesursache von Florian Hölzel (Tom Wolf, Mitte). © NDR/Marion von der Mehden © NDR/Marion von der Mehden
Liane Kallberg (Esther Schweins), Sarah Brandt (Sibel Kekilli) und Borowski (Axel Milberg). © NDR/Marion von der Mehden
Liane Kallberg (Esther Schweins), Sarah Brandt (Sibel Kekilli) und Borowski (Axel Milberg). © NDR/Marion von der Mehden © NDR/Marion von der Mehden
Borowski (Axel Milberg) rückt mit dem SEK an. © NDR/Marion von der Mehden
Borowski (Axel Milberg) rückt mit dem SEK an. © NDR/Marion von der Mehden © NDR/Marion von der Mehden
Sarah Brandt (Sibel Kekilli) © NDR/Marion von der Mehden
Sarah Brandt (Sibel Kekilli) © NDR/Marion von der Mehden © NDR/Marion von der Mehden
Liane Kallberg (Esther Schweins) © NDR/Marion von der Mehden
Liane Kallberg (Esther Schweins) © NDR/Marion von der Mehden © NDR/Marion von der Mehden
Melinda Kallberg (Sonja Gerhardt) liebt das Landleben. © NDR/Marion von der Mehden
Melinda Kallberg (Sonja Gerhardt) liebt das Landleben. © NDR/Marion von der Mehden © NDR/Marion von der Mehden
Paul Kallberg (Thomas Scharff), Alfons Kallberg (Joachim Bißmeier) und Borowski (Axel Milberg). © NDR/Marion von der Mehden
Paul Kallberg (Thomas Scharff), Alfons Kallberg (Joachim Bißmeier) und Borowski (Axel Milberg). © NDR/Marion von der Mehden © NDR/Marion von der Mehden
Liane Kallberg (Esther Schweins) © NDR/Marion von der Mehden
Liane Kallberg (Esther Schweins) © NDR/Marion von der Mehden © NDR/Marion von der Mehden
Liane Kallberg (Esther Schweins) und Borowski (Axel Milberg). © NDR/Marion von der Mehden
Liane Kallberg (Esther Schweins) und Borowski (Axel Milberg). © NDR/Marion von der Mehden © NDR/Marion von der Mehden
Borowski (Axel Milberg) will wissen, was der Umweltaktivist Mauvier (Christoph Letkowski) im Schilde führt. © NDR/Marion von der Mehden
Borowski (Axel Milberg) will wissen, was der Umweltaktivist Mauvier (Christoph Letkowski) im Schilde führt. © NDR/Marion von der Mehden © NDR/Marion von der Mehden
Liane Kallberg (Esther Schweins, rechts) hat Streit mit ihrer Tochter Melinda (Sonja Gerhardt, links). © NDR/Marion von der Mehden
Liane Kallberg (Esther Schweins, rechts) hat Streit mit ihrer Tochter Melinda (Sonja Gerhardt, links). © NDR/Marion von der Mehden © NDR/Marion von der Mehden
Hölzel (Markus Hering) hat Melinda Kallberg (Sonja Gerhardt) in seiner Gewalt. © NDR/Marion von der Mehden
Hölzel (Markus Hering) hat Melinda Kallberg (Sonja Gerhardt) in seiner Gewalt. © NDR/Marion von der Mehden © NDR/Marion von der Mehden
Borowski (Axel Milberg) und Liane Kallberg (Esther Schweins). © NDR/Marion von der Mehden
Borowski (Axel Milberg) und Liane Kallberg (Esther Schweins). © NDR/Marion von der Mehden © NDR/Marion von der Mehden
Borowski (Axel Milberg) will in der Molkerei von Liane Kallberg (Esther Schweins) wissen, wer ein Motiv haben könnte, ihr Produkt Vitanale zu vergiften. © NDR/Marion von der Mehden
Borowski (Axel Milberg) will in der Molkerei von Liane Kallberg (Esther Schweins) wissen, wer ein Motiv haben könnte, ihr Produkt Vitanale zu vergiften. © NDR/Marion von der Mehden © NDR/Marion von der Mehden
Borowskis Vorgesetzter Schladitz (Thomas Kügel) ist sich sicher, dass eine Lebensmittel-Erpressung hinter dem Todesfall steckt. © NDR/Marion von der Mehden
Borowskis Vorgesetzter Schladitz (Thomas Kügel) ist sich sicher, dass eine Lebensmittel-Erpressung hinter dem Todesfall steckt. © NDR/Marion von der Mehden © NDR/Marion von der Mehden
Der Umweltaktivist Kai Mauvier (Christoph Letkowski). © NDR/Marion von der Mehden
Der Umweltaktivist Kai Mauvier (Christoph Letkowski). © NDR/Marion von der Mehden © NDR/Marion von der Mehden
Borowski (Axel Milberg) und Sarah Brandt (Sibel Kekilli) sind sich sympathisch. © NDR/Marion von der Mehden
Borowski (Axel Milberg) und Sarah Brandt (Sibel Kekilli) sind sich sympathisch. © NDR/Marion von der Mehden © NDR/Marion von der Mehden
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Was für Erinnerungen haben sie noch an den Fall?

Milberg: Mein Vater hat mir erzählt, dass er etwa 1984 als Jurist praktisch an den Schreibtisch von Barschel kam in einer Anwaltskanzlei. Da war er dann noch ein, zwei Jahre als Rechtsanwalt und Notar tätig, bevor er sich mit 65 selbst pensionierte. Ich probte zur Zeit der Affäre den Faust an den Münchner Kammerspielen. Gemeinsam mit einem Kollegen entwickelten wir ein Stück, das "Die scharfsinnigen Ritter" hieß. Es basierte auf dem Cervantes-Stoff "Don Quichote". Ich weiß noch, dass wir darin auch den Tod Barschels zur Sprache brachten. Es gab damals sogar einen entrüsteten Zuschauerbrief. Wie viele habe ich gedacht, dass ist ein Mord, der niemals aufgeklärt werden wird. Mittlerweile bin ich da vorsichtig. (dapd)