Bochum. . Die Castingshow X Factor ist zurück. Hier regieren nicht die Casting-Freaks, es geht nicht um scheußliche Stimmen und Familientragödien. Es zählen gute Stimmen. Eine davon hat Melissa Heiduk aus Bochum. Von der ihre Konkurrentinnen erst dachten, sie wäre ein Mann.
Hinter der „X Factor“-Bühne tuscheln Kandidatinnen. „Das ist doch keine Frau. Ist das ein Mann? Oder die Unscheinbare mit Brille?“ Es ist die Unscheinbare mit Brille, Melissa Heiduk (22) aus Bochum,die mit ihrer kraftvollen und tiefen Stimme ihre Konkurrentinnen überrascht. Nicht nur die.
Vier Mal Lob von der Jury. Mehr geht nicht. Die Jury mag Melissa, nur nicht ihren „Schlabber-Pulli, als würde sie zum Einkaufen gehen“. „Klamotten sind austauschbar, die Stimme nicht“, kontert die Bochumerin.
Melissa Heiduk trat mit X-Factor-Siegerin Edita Abdieski auf
Mit der Ballade „Breathe Easy“ der britischen Boyband Blue hat es die Bochumerin in die nächste Runde der Castingshow „X Factor“ geschafft. Eine Ausbildung zur Augenoptikerin schmiss sie hin. Sie arbeitet jetzt als Aushilfe im Optikerladen ihres Vaters. Erfahrungen sammelte Melissa Heiduk bei Karaoke-Shows im Ruhrgebiet, etwa bei „Lyssa’s Karaoke“ im „Kult“ in Bochum.
Sie hatte gemeinsame Auftritte mit Profi-Sängern: Sie trat im April in Solingen mit der Gewinnerin der ersten „X Factor“-Staffel Edita Abdieski und dem „The Voice of Germany“-Teilnehmer Charles Simmons auf. Bei Facebook hat sich der TV-Auftritt noch nicht in „Gefällt mir“-Klicks ausgezahlt. Vor der Sendung hatte sie 220 Fans, unmittelbar nach der Sendung 325 Fans.
Jury aus Sarah Connor, H.P. Baxxter, Sandra Nasic and Moses Pelham
Damit eine Castingshow unterhält, muss die Jury peppig zusammengestellt sein. Bei „X Factor 2012“ richten über die Kandidaten diesmal: erstens Sarah Connor. Sie hat Staffel eins und zwei der Vox-Castingshow überlebt, ist jetzt brünett und bekannt durch eine „Traumhochzeit“ mit Marc Terenzi, eine mutige Interpretation der deutschen Nationalhymne und ein durchsichtiges Kleid bei „Wetten, dass..?“.
Neben ihr sitzt erstmals H.P. Baxxter. H.P. steht für Hans-Peter. Er ist die Stimme von „Scooter“ („Hyper, Hyper“, „Move Your Ass!“, „How Much Is The Fish?”). Neu dabei ist auch Sandra Nasic. Sie ist Frontfrau der in Göttingen gegründeten Rockband „Guano Apes”.
Jury-Mitglied Moses Pelham kann Kritik selbst nicht gut vertragen
Der Rapper in der Jury ist Moses Pelham. Er kritisiert jetzt „X Factor“-Sänger und neuerdings auch -Bands, Kritik von anderen kann der bullige Typ nicht gut ab. Wer sich über ihn im Fernsehen lustig macht, bekommt Stress; Stefan Raab bekam Schläge auf die Nase.
Aber, so liest man, Moses Pelham soll nachdenklicher und ruhiger geworden sein. Um die Jury mit den Worten von Vox zusammenzufassen: „Diese Vier stehen für geballte Kompetenz und jahrelangen Erfolg.“
Sarah Connor ist „gaga“ im Kopf
Polarisieren könnte in den kommenden „X Factor“-Wochen die Schülerin Enya Maria Jost. Die 16-Jährige räkelt sich, streichelt sich und tänzelt in „Pornoschuhen“ (O-Ton Melissa Heiduk) über die Bühne. Ihre Vorbilder sind Lady Gaga und Britney Spears.
Jurorin Sarah Connor bestätigt, dass ihr vom Auftritt schon ganz „gaga“ im Kopf sei - vor Begeisterung. Denn das junge Mädchen aus Rüdesheim singt selbstbewusst Katy Perrys Song „Peacock“, einen Song, der wegen seiner schlüpfrigen Doppeldeutigkeit von einem Album verbannt wurde. Enyas Oma drückt fleißig Däumchen. Weiß sie, was ihre Enkelin vor einem Millionenpublikum präsentiert?
Bei „X Factor“ haben Models nicht automatisch eine Chance
Der Auftritt des Schweizer Schönlings Colin Besserer (25) zeigt etwas platt: Bei „X Factor“ haben Models nicht automatisch eine Chance weiterzukommen. Dieses halbsubtile „Wir-sind-die-bessere-Castingshow“-Gehabe nimmt etwas viel Platz ein. Da hätte lieber noch ein guter Kandidat gezeigt werden können.
Andrew Steven Fischer (21) aus Hechingen ist ein guter Kandidat. Beinahe beiläufig erwähnt er seine Tics. Er hat Tourette. „Sobald ich aber auf der Bühne stehe, habe ich keine Tics mehr“, sagt der technische Zeichner.
Die Macher von „ Das Supertalent“ und „Deutschland sucht den Superstar“ hätten – der Quote zur Liebe – einem solchen Kandidaten einen Leidensweg konstruiert und statt einer mitfiebernden Freundin im Backstage-Bereich eine heulende Mutter gezeigt, die zu Hause auf ihrer Couch vom Mobbing damals in der Schule berichtet und dabei Tränen und Mascara abwischt.
Beim „X Factor“ heißt ein X etwas anderes als damals bei Werner Schulze-Erdel
„X Factor“ hingegen reduziert. Auf das Wesentliche. Die Musik. Schade eigentlich, dass man das bei einer Castingshow erwähnen muss. Andrew singt Philipp Poisels „Wie soll ein Mensch“ mit einer interessanten Stimme und sieht dabei aus wie der sympathische kleine Bruder von Ex-BVB-Spieler Lucas Barrios.
Was bei „The Voice of Germany“ der Buzzer war - nämlich das Jury-Zeichen „Lieber Kandidat, ich will dich in der nächsten Runde!“ – sind bei „X Factor“ Bauklötzchen in X-Form. Diese hieven die Jurymitglieder in die Luft, um sie dann in Zeitlupe theatralisch auf ein Podest vor ihnen sinken zu lassen, das dann aufleuchtet. Das sieht albern aus. Aber die Kandidaten müssen ja auch irgendwie erkennen können, woran sie sind.
Andrew bekommt von drei der vier Juroren ein X-Klötzchen aufgebaut. Drei mal X? Dass das etwas Gutes sein soll, muss man als „X Factor“-Zuschauer erst einmal raffen – hat man doch noch allzu gut Werner Schulze-Erdels „Familien-Duell“ vor Augen. „Nennen Sie ein besonders farbenprächtiges Tier? – Zebra.“ Dööödöööö.
"X Factor" hatte zwei Staffeln lang eher durchwachsene Quoten
Die Castingshow„X Factor“ erzielte in den ersten beiden Staffeln nur durchwachsene Quoten. Das Finale der vergangenen Staffel gewann der Duisburger Polizist David Pfeffer. Während die Auftaktfolge am Samstagabend auf RTL lief, werden die kommenden „X Factor“-Folgen jeweils sonntags um 20.15 Uhr auf Vox gezeigt. In der zweiten Folge (Sonntag, 26. August) tritt unter anderem Arbesa Sinanaj (16) aus Bergkamen auf.
Fazit: „X Factor“ bietet solide Familienunterhaltung. Man muss sich nicht schämen, es zu schauen, vor allem nicht fremdschämen. „X Factor“ funktioniert – wie zuletzt auch „The Voice of Germany“ – ohne scheußliche Stimmen, ohne Familientragödien, ohne Beleidigungen. Erwartet man gar nicht bei Daniela Katzenbergers Haus- und Hof-Sender Vox.