Brüssel. Das Fernsehen will die Zuschauer in Europa künftig von der Überfall-Bedröhnung mit Werbespots verschonen. Das will die Europäischen Rundfunk-Union (EBU) ab September durchsetzen. Zu den deutschen EBU-Mitgliedern gehören unter anderem ARD, ZDF und WDR.

Für viele sind sie ein Ärgernis, für manche geradezu ein gesundheitsschädlicher Angriff aufs Trommelfell: Die zum Teil dramatischen Unterschiede in der Lautstärke zwischen Werbung und Programm im Fernsehen. Sie machen es bislang weitgehend unmöglich, den Fernsehton dauerhaft auf eine den Umständen angemessene und vom Zuschauer gewünschte Lautstärke einzupegeln.

Was eben noch bei den Nachrichten eine angenehme Beschallung war, entlädt sich im anschließenden Werbeblock als plötzliches Sound-Gewitter. Damit soll jetzt Schluss sein: Eine “Ton-Norm” der Europäischen Rundfunk-Union (EBU), die am Monatsende in Kraft tritt, soll für eine einheitliche “Lautheitsaussteuerung, Normalisierung und zulässige Maximalpegel von Audiosignalen” sorgen - Ende der Überfall-Bedröhnung. Zu den deutschen EBU-Mitgliedern gehören unter anderem ARD, ZDF und WDR.

“Je lauter desto besser” soll nicht mehr gelten

Schon jetzt können Firmen ihre Werbung nicht in beliebiger Lautstärke ins Programm drücken. Bestimmte, von den Sendeanstalten festgelegte Spitzenpegel dürfen nicht überschritten werden. Trotzdem haben es die Gestalter der Werbe-Spots mit allerhand Tricks (“Dynamik-Verdichtung”) in den vergangenen Jahren geschafft, die akustische Wucht der Produkt-Propaganda immer weiter zu steigern. Nach dem Motto “Je lauter desto besser” wird das gesamte Laut-Geschehen immer näher an den zulässigen Spitzenwert gedrückt.

Ein zweifelhafter Erfolg. Wie die Werbewirtschaft selbst ermittelt hat, greifen immer mehr Kunden angesichts der massiven Schall-Attacken zur Fernbedienung. Aber nicht nur der Kontrast zwischen Werbung und Normalprogramm gibt zu Beschwerden Anlass. Auch zwischen den Sendern gibt es oftmals lästige Schall-Schwankungen.

Neue Norm tritt zum 1. September in Kraft 

Um dem abzuhelfen, hat die EBU, der 74 überwiegend europäische Sendeanstalten angeschlossen sind, eine Empfehlung erarbeitet, die Ton-Norm EBU R 128. Ziel ist eine einheitliche, gleichmäßige Beschallung über das vollständige Programm. Entscheidend ist nicht mehr der punktuelle Spitzenpegel, sondern die “Gesamtlautheit”.

Zur Internationalen Funkausstellung in Berlin (IFA) tritt die Norm am 1. September in Kraft: In Deutschland und Österreich werden dann öffentlich-rechtliche wie private Sender ihre Akustik nach dem neuen Verfahren auspegeln. Andere Länder, wie zum Beispiel die Schweiz und Frankreich, haben das zum Teil schon früher getan.

Zuschauer werden die Umstellung nur allmählich mitbekommen

Zu einem späteren Zeitpunkt soll auch im Hörfunk für einen gefälligeren, weil gleichmäßigeren Klang gesorgt werden. Ob dafür die EBU-Tonnorm das geeignete Instrument darstellt, ist aber unter Fachleuten umstritten. Die Werbefilm-Produzenten und die Tontechniker der Sendeanstalten bereiten sich schon seit Monaten auf die Akustik-Umstellung vor, mit genauen Anweisungen, welche Sendungen und Spots zu welchem Zeitpunkt in welchem Format anzuliefern sind.

Den Zuschauer auf der Wohnzimmer-Couch ereilt der neue Wohlklang hingegen eher schleichend: Weil die Sender auf großangelegte Info-Kampagnen verzichten wollen, werden die meisten Kunden zuhause wohl erst nach und nach realisieren, dass ihre Ohren nunmehr von den akustischen Überfall-Angriffen der Vergangenheit verschont bleiben.