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Der erste „Tatort“ aus der Schweiz nach langjähriger Pause. Die Erwartungen waren hoch, doch der Krimi ist flach. Vor allem Episoden-Star Sofia Milos („CSI: Miami“) nervt mit Dauerlächeln.

„Wunschdenken“ haben sie ihn genannt, den ersten Schweizer „Tatort“ (ARD, Sonntag, 20.15 Uhr) seit fast zehn Jahren. Und der Titel, soviel sei verraten, ist hier wirklich Programm.

Drehbuchautor Nils-Morten Osburg sowie der Regisseur und Grimme-Preisträger Markus Imboden mögen beseelt davon gewesen sein, dass irgend jemand ihrer komplizierten Geschichte um einen Toten in der Reuss und einen entführten Politiker folgen kann. Ruth Hirschfeld, verantwortlich bei der Besetzung beim Schweizer Fernsehen, mag geglaubt haben, dass das Engagement der Gastermittlerin Abigail Lanning (Sofia Milos), die als Detective Yelina Salas in „CSI: Miami“ bekannt wurde, ein fantastischer Coup wäre. Alles Wunschdenken, muss man ärgerlich nach eineinhalb irritierenden Stunden vor dem Fernseher den Verantwortlichen attestieren.

Doch der Reihe nach. In der Reuss in Luzern wird die Leiche des Ex-Häftlings Anton Widmer (Andreas Matti) gefunden. Während Kripochef Ernst Schmidinger (Andrea Zogg) beginnt zu ermitteln, wird der Politiker Pascal Kreuzer (Marcello Montecchi) als entführt gemeldet.

Sofia Milos aus „CSI: Miami“ gibt die amerikanische Ausstauschpolizistin

Da Schmidinger sich nicht in der Lage sieht, beide Fälle aufzuklären, muss der Neue ran: Kommissar Reto Flückiger. Schauspieler Stefan Gubser hatte bereits zweimal eine Gastrolle als Flückiger, Chef der Thurgauer Seepolizei, in den vom Schweizer Fernsehen koproduzierten SWR-Tatorten „Seenot“ (2008) und „Der Polizistinnenmörder“ (2010). Jetzt rückt er zum Chef auf.

Zwar wollte Flückiger vor seinem Amtsantritt in Luzern beim Segeltörn auf dem Vierwaldstättersee entspannen. Doch daraus wird nichts. Statt Erholung sucht er mit der amerikanischen Austauschpolizistin Abby Lanning nach dem Entführten und seinen Entführern. Das Duo findet schnell heraus, dass es zwischen den beiden Fällen eine Verbindung gibt. Nach einer geplatzten Geldübergabe und der Vermutung, dass der Tote aus der Reuss der Entführer des Politikers ist, beginnt für sie ein Lauf gegen die Zeit.

Ein echter Aufreger: Die Dialoge schmerzen, Schauspielerische Leistung tendiert gegen Null

Zwei Folgen pro Jahr

Das Schweizer Fernsehen war von 1990 bis 2001 am „Tatort“ beteiligt. In dieser Zeit wurden zwölf Folgen produziert. Seit Januar dieses Jahres strahlt das SF die Reihe wieder am Sonntagabend aus. Die Schweizer wollen in Zukunft zwei Folgen im Jahr beisteuern.

Wer sich aufregen möchte am Sonntagabend, sitzt bei diesem Tatort in der ersten Reihe. Allerdings wird der Adrenalinspiegel nicht hochgepeitscht, weil der Fall so spannend, spektakulär oder außergewöhnlich ist. Die Dialoge schmerzen zum Teil, und die schauspielerische Leistung von Sofia Milos tendiert gegen null. Das Ex-Model stakst mit dem immer gleichen unerträglichen Lächeln durch die Handlung. Zuweilen scheint eine Daily-Soap wie „Verbotene Liebe“ mit all ihren Niederungen ein fast schon intellektuelles Alternativprogramm.

Dabei wissen auch die Verantwortlichen beim Schweizer Fernsehen um die Schwächen des Stücks. Der Tatort, der bereits am 17. April ausgestrahlt werden sollte, wurde im Februar von Kulturchefin Nathalie Wappler zurückgezogen. Grund: Die Leistung von Episoden-Star Sofia Milos lasse zu wünschen übrig. Der Folge fehle es zudem an Witz, Spannung, Lokalkolorit. In der Kritik an Milos stimmte sogar Regisseur Imboden ein. Milos habe sich als Fehlbesetzung erweisen, erklärte er. Ihr sei es in erster Linie darum gegangen, gut auszusehen.

Das SF verlangte Nachbesserungen. Wenn man das grausige Ergebnis nun sieht, fragt man sich allerdings: War das auch nur Wunschdenken?