Essen/Duisburg. .
Schimanski feiert Jubiläum. Seit 30 Jahren gibt es den wohl beliebtesten deutschen TV-Fahnder. Der aktuelle Schimi-Krimi heißt „Schuld und Sühne“. Warum aber wurde die Figur so populär?
Er ist am Boden, buchstäblich. In einer leeren Fabrikhalle sitzt er, mit zerknittertem Gesicht, den Rücken lehnt er an einen Pfeiler, zieht die Bilanz seines Lebens, eines Lebens als Polizist, erzählt einem unsichtbaren Gegenüber davon, dass er einst Autos knackte, bevor die Seiten wechselte. „Scheiß-Job“, sagt er schließlich, „will ich heute nicht mehr machen.“
Der Mann ist Horst Schimanski ist Götz George. Längst in Rente, gilt er immer noch als beliebtester „Tatort“-Fahnder seit Start der Krimi-Reihe 1970. In diesem Jahr feiert Schimanski ein seltenes Jubiläum: Seit 30 Jahren zeigt das Fernsehen immer noch neue Folgen, auch wenn seit Schimanski nicht mehr zum „Tatort“ gehört, sondern seit 1997 unter eigenem Namen firmiert. Am Sonntag, 20.15 Uhr, zeigt das Erste die 16. Episode der „Schimanski“-Reihe. Vorgeblich geht es um „Schuld und Sühne“, in Wirklichkeit aber geht es um Altern in Würde und Würde im Alter. George, inzwischen 72, darf auf den Beifalls seines Publikums zählen. Schauspieler und Figur sind gesellschaftlicher Konsens.
Das Gegenteil war der Fall, als der WDR seinen Krimi-Helden am 28. Juni 1981 in „Duisburg Ruhrort“ einführte. Regisseure wie Hajo Gies wollten mit dem Polizei-Anarcho „wildes Fernsehen“ machen, wie George-Biograf Torsten Körner urteilt, eine Frischzellen-Kur für den „Tatort“. Vorsichtshalber kündigte das Erste Schimanski als „reichlich unkonventionellen“ Ermittler an.
30 Jahre Schimanski
Ein Ganove? Ein Bulle
Und das war er. Selten wurde eine Fernsehfigur derart präzise in 2:34 Minuten eingeführt wie Schimanski, mit allen Zutaten, die eine leicht wiedererkennbare TV-Ikone braucht. Draußen zeigt die Kamera eine abgerockte Industrie-Kulisse, drinnen eine abgerockte Wohnung, bewohnt von bärtigen Zausel, der zwei rohe Eier schluckt, sich in seine Gammel-Jacke zwängt und die Tür schließt. In dieser Szene fällt kein einziges Wort.
Ein Ganove? Ein Bulle. So jedenfalls trat Schimanski auf. Er pöbelte und prügelte, soff und hurte. Logischerweise legte er sich mit jeder Autorität an, drinnen wie draußen. Für Verbrecher hatte dieser Fernsehfahnder zuweilen mehr Sympathie als für seine Vorgesetzten. Dazu kam seine Sprache - Georges Verdienst. Stand im Drehbuch „Mir knurrt der Magen“, machte er „Ich habe Hunger“ daraus, der „Tollpatsch“ geriet zum „Volltrottel“. „Bild“ zählte gelegentlich nach, wie oft Schimanski „Scheiße“ sagte.
Aus Duisburg wurde „Schimmi-Land“
Nicht nur weite Teile der Presse reagierten empfindlich auf den „Asphalt-Cowboy“, wie ihn eine Zeitung nannte. Auch Duisburger, deren Stadt durch Schimanski zu bundesweiten Bildschirm-Ehren kam, stöhnten auf, anfangs sogar der langjährige Oberbürgermeister Josef Krings (SPD), der erst später das Marketing-Potenzial des TV-Originals für den Stahl-Standort erkannte.
Denn der neue Ermittler-Typ kam an. Schauspieler-Sohn George verkörperte den Pommes-Proll, mal weich, mal hart, mit derartiger Überzeugungskraft, dass Mime und Maske bald miteinander verschmolzen. Für den breitschultrigen Kraftmeier sollte Schimanski zur Rolle seines Lebens werden, gemeinsam mit seinem kongenialen, allzu verstorbenen Partner Eberhard Feik prägte George das Fernsehen der 80er wie sonst niemand - so eindrücklich, dass die Figur sogar im Kino funktionierte. Als Mittvierziger erreichte George gar den Status eines Pop-Stars. Wenn er drehte, schrieen junge Frauen: „Schimmi, Schimmi.“
Warum Schimanski Kult wurde? George schuf eine „Wunsch- und Sehnsuchtsfigur“ (Torsten Körner). Schüler, Lehrlinge und Beschäftigte in unteren Rängen der Hierarchie sahen in Schimanski einen Rebellen, seine Auftritte setzten die Wut des Publikums in kraftvolle Bilder um, sie waren ein Schrei nach Gerechtigkeit. Je mehr Schimanski für Sozial-Romantik stand, desto unwirklicher wurde die Revier-Szenerie. Aus Duisburg wurde „Schimmi-Land“ (Körner), eine Kulisse, die sich von Zeit und Raum löst, sie machte Schimanski zu einem Mythos der Pop-Kultur.