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Manipulierte Gameshows und gefälschte Dokumentationen gab es im Fernsehen schon immer – neu ist, dass sich TV-Planer nicht mal mehr Mühe geben, ihre Sendungen echt aussehen zu lassen. Rückblick auf einen Dammbruch.

„Bullshit“, hat der Philosoph Harry Frankfurt einmal geschrieben, unterscheide sich von der Lüge darin, dass dem Urheber die Frage nach Wahrheit oder Unwahrheit schlicht und einfach egal ist. Nach dieser Definition war 2010 das Jahr des Bullshit im deutschen Unterhaltungsfernsehen. Noch nie wurden Realität und Täuschung so sehr vermischt, noch nie gaben sich die Sender so wenig Mühe, Gestelltes überhaupt noch zu kaschieren. Und noch nie schienen sich die Zuschauer so wenig daran zu stören.

„Scripted Reality“ nennen Programmplaner Sendungen, die lebensnah aussehen sollen, tatsächlich aber mit Laienschauspielern besetzt sind. Früher war das eine Nische, in der man Gerichtsshows und Krimi-Trash wie „K11“ fand. Inzwischen hat die Realität nach Drehbuch das Prime-Time-Programm erreicht. Und macht richtig Quote.

Freaks werden inzwischen schon aus Übersee eingeflogen

Etablierte Formate sind von dieser Plage nicht verschont. Besonders deutlich wird das an den Castingshows. Freaks werden inzwischen schon aus Übersee eingeflogen, vorzugsweise aus den USA. So konnte man bei „Das Supertalent“ einen kalifornischen Selbstverstümmler beobachten, zu dessen harmloseren Stunts ein durch die Nase gezogener Kleiderbügel gehörte. Ein paar Folgen zuvor trat eine andere Amerikanerin auf, deren „Talent“ darin bestand, mit ihren Brüsten Bierdosen zu zertrümmern. Das kann man niveaulos und traurig finden – interessanter ist, dass hier eingekaufte oder „manipulierte“ Kandidaten neben echten auftreten.

Ob die Zuschauer an die Echtheit der Teilnehmer überhaupt noch glauben, scheint inzwischen zweitrangig. Ein gutes Beispiel ist Sarah Connors „X Factor“. Dort lief, unter anderem, ein deutsch-russisches Zwillingspaar auf. Im Briefing hatte man den Mädchen offenbar eingebläut, im Paris-Hilton-Modus aufzutreten. Das Resultat wirkte derart überzogen, dass man als Zuschauer das Gefühl hatte, der Karikatur einer Karikatur zuzuschauen. (Und zu dem Zeitpunkt war die hysterische Mutter der Mädchen noch gar nicht aufgetreten.)

Beispiele wie diese könnte man in jeder aktuellen Talentshow finden. Das bringt nicht bloß ein Problem der Glaubwürdigkeit mit sich. Die Verwandlung von Casting- in Freakformate unterwandert auch Logik und Spannung der Shows. Da werden echte Talente nach strengen Kriterien beurteilt, während Knallchargen als vermeintliche – oder echte – Quotenbringer im Rennen bleiben. Das Ganze ist ein bisschen so, als würde man die Nationalmannschaft der Faröer-Inseln zur Fußball-WM einladen, weil die Trikots so bunt sind.

„Das Medium“ zählt zu den TV-Lowlights des Jahres

Zyniker werden sagen, dass Echtheitskritik zwecklos ist. Weiß man nicht schon lange, dass gefilmte Realität ein Widerspruch in sich ist? Benehmen Menschen sich nicht immer gestellt, wenn sie im TV sind? Vielleicht. Und doch ist da etwas Neues – der Eindruck nämlich, dass den Machern der genannten Sendungen ihre Produkte inzwischen selbst völlig gleichgültig geworden sind. Manchmal reicht es ja nicht mal mehr für die handwerkliche Basis. So brach in der Esoterik-Show „Das Medium“ ein Erzählstrang mittendrin ab. Laut RTL hatte der Computer die falsche Folge ausgesucht, was erst in der Mitte der Sendung korrigiert wurde. Im Umkehrschluss bedeutet das vermutlich, dass eine halbe Stunde lang kein menschliches Wesen bei RTL Interesse hatte, das eigene Programm zu schauen.

Das kann man im Falle von „Das Medium“ sogar verstehen. Die „Reality“-Show mit dem angeblichen Draht zu den Toten zählte zu den TV-Lowlights des Jahres. Hier konnte man alle Negativtrends gebündelt erleben: Eine Betrugssendung, die nicht einmal vorgab, etwas anderes zu sein, mit einer Scharlatanin als Hauptfigur, ausgenutzten Kandidaten und einer Interesse heuchelnden Moderatorin. Das Ganze wirkte wie ein verfallener Freizeitpark, in dem sich die Betreiber nicht mal mehr darum kümmern, die Fassaden anzustreichen. Mit anderen Worten: 60 Minuten reiner Bullshit.

Bauern suchen eine Frau

Auf dem Scheunenfest lernt der charmante Schweinebauer Harald Janet (re.) aus Nordrhein-Westfalen und Ursula aus Schleswig-Holstein kennen.
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Auf dem Scheunenfest begegnet Lukas, der junge Rinderwirt, Kerstin (re.) aus Schleswig-Holstein und Regina aus Bayern. Nach drei Jahren Einsamkeit wünscht sich der 21-Jährige nun endlich eine feste Freundin.
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Auf dem Scheunenfest lernt Marcel, der herzliche Hesse, Tanja (li.) aus Nordrhein-Westfalen und Katja aus Bayern näher kennen. Für wen wird er sich entscheiden?
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Auf dem Scheunenfest nähert sich der lustige Ackerbauer Willy der hübschen Rosemarie (Mitte) aus Rheinland-Pfalz und Claudia aus Nordrhein-Westfalen. Willy selbst sagt: "In meinem Haus und in meinem Herzen ist genügend Platz!"
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