Essen/Los Angeles. .

Kenneth Branagh ist wieder „Kommissar Wallander“: In drei neuen Mankell-Verfilmungen ist der irische Charakter-Schauspieler in der ARD zu sehen. „Mörder ohne Gesicht“ läuft am zweiten Weihnachtsfeiertag.

Er ist ein Star, keine Frage. Den begehrten amerikanischen Fernsehpreis Emmy hat der Mime schon gewonnen, den Oscar verpasste das Multitalent nur knapp, vier Mal war der 50-Jährige schon nominiert. Wir erreichen den gebürtigen Nordiren in Hollywood. Vor dem Gespräch über seinen Job als „Kommissar Wallander“ (26. Dezember, ARD, 21.45 Uhr) stellte sich die Frage: Wird Kenneth Branagh den großen Mimen raushängen lassen?

Seine Stimme klingt hellwach und angenehm freundlich. Branagh spricht mit der klaren Präzision eines Bühnen-Mannes, bedächtig, aber keineswegs theatralisch. Er hat der ARD-Filmtochter degeto versprochen, Werbung für seine drei Weihnachtskrimis zu machen. Doch wie wird Branagh seiner Verpflichtung nachkommen? Wird der Shakespeare-Mime viel Lärm um nichts machen?

Lange Tage im schwedischen Sommer

© ARD Degeto/Yellow Bird
© ARD Degeto/Yellow Bird © ARD Degeto/Yellow Bird

Die Befürchtungen erweisen als unbegründet. Selbst auf die Frage nach dem Wetter in der kalifornischen Film-Metropole antwortet Branagh verbindlich: „Es regnet so heftig, wie es in Kalifornien noch nie erlebt habe, Sturzbäche laufen die Betonfassaden herab, und der Los Angeles River, den wir beispielsweise aus dem ,Terminator’ kennen, sprudelt mit dem Tempo eines reißenden Gebirgsbachs. Und wenn ich gleich nach Großbritannien zurückfliege, komme ich ins andere Extrem - wenn wir bei den derzeitigen Schneemassen überhaupt in London landen dürfen.“

Von derlei Unbill war bei den Dreharbeiten im Sommer vorigen Jahres nichts zu merken. Branagh genoss die Dreharbeiten im südschwedischen Ystad kurz nach Mittsommar. „Die Tage waren lang, und die Schweden sind heiß darauf, jede freie Minute draußen zu verbringen“, erinnert sich der Charakter-Darsteller an die Dreharbeiten. Der helle schwedische Hochsommer stand in schreiendem Kontrast zu den dunklen Geheimnissen, die Branagh als trübsinniger Kommissar Wallander enttarnt.

„Auf den ersten Blick das exakte Gegenteil eins Superhelden“

Auch interessant

Von DerWesten

Sein Wallander-Debüt im Jahr 2008 war ein Erfolg, in jeder Hinsicht. Das Publikum mochte Branagh als alten Schweden mit Knitter-Gesicht und Drei-Tage-Bart, dies- und jenseits des Atlantiks, in Deutschland sowieso. Die Zuschauer zwischen Flensburg und Füssen lieben die Krimis von Henning Mankell, und so haben sie noch jedem Wallander bereitwillig Asyl geboten.

„Er ist ein Einzelgänger, isoliert, auf den ersten Blick das exakte Gegenteil eines Superhelden“, beschreibt Branagh seine Figur, „er leidet an der Welt, weil er zu viele Leichen gesehen hat. Er ist sich der Vergänglichkeit des Lebens bewusst. Aber: Er ist mutig, brillant in seinem Job und allem Elend zum Trotz warmherzig geblieben.“ Branagh macht eine kleine Pause und fügt hinzu: „Außerdem hat Wallander einen sehr, sehr trockenen Humor.“

„Der einsame Wolf Wallander hat mir klar gemacht, wie wichtig Familie ist“

Branagh sieht auch eine gesellschaftliche Ebene bei seiner Figur: „Wallander ist misstrauisch, auch innerhalb der Polizei. Er hat ein distanziertes Verhältnis zu Autoritäten. Er pflegt, wie Henning Mankell, einen altmodischen Traum, den Traum des schwedischen Modells, den Traum, dass die Sozialdemokratie eine gerechtere Gesellschaft schaffen kann. Und Wallander steht als Symbol dafür.“

Mag sein. Aber macht es wirklich Spaß, einen verzweifelten Fahnder zu spielen? „Es ist faszinierend“, erwidert Branagh, „Spaß im klassischen Sinn macht es nicht. Aber eine derartige Rolle zu spielen, bringt einen dazu, die Welt mit anderen Augen zu sehen, auf die Natur, aber auch auf die Menschen. Mich fasziniert, wie geschärft Wallanders Sinne sind, er kriegt so viel mit, was um ihn herum passiert.“

Ob ihn der traurige Wahrheitssucher verändert habe? Branagh antwortet launig: „Durchaus. Der einsame Wolf Wallander hat mir klar gemacht, wie wichtig Familie ist - und wichtig es ist, mehr als Tiefkühl-Pizza zu essen. Ich jedenfalls möchte Diabetes um jeden Preis vermeiden.“