Frankfurt/Main. Der schwedische Erfolgsautor Henning Mankell wäre wohl nicht mit seiner berühmtesten Romanfigur Kommissar Kurt Wallander befreundet. Auch rund 20 Jahre nach dem Erscheinen seines ersten Krimis mit Wallander erinnert sich Mankell sich noch gut an dessen "Geburt".
Mit Kommissar Kurt Wallander hat der schwedische Autor Henning Mankell einen der bekanntesten und beliebtesten Literatur- und Film-Polizisten der Gegenwart erfunden. Nun wurden die drei Wallander-Bücher "Die falsche Fährte", "Die Brandmauer" und "Mittsommermord" erneut verfilmt, mit Kenneth Branagh in der Hauptrolle. Die ARD zeigt die drei neuen Verfilmungen von Mankells Bestsellern am 29. (21.45 Uhr) und 30. Mai (21.40 Uhr) sowie am 1. Juni (21.45 Uhr).
Henning Mankell: Den Unterschied machen die Darsteller. Kenneth Branagh ist, wie auch die schwedischen Schauspieler in den Verfilmungen zuvor, ein wirklich toller Schauspieler, der mir in seiner Interpretation des Charakters Kurt Wallander viele Dinge über die Person und die Geschichten erzählt hat, die ich bislang selbst nicht wusste.
Kenneth Branagh hat gesagt, Sie und er hätten sich zum ersten Mal bei einer Gartenparty auf der Toilette getroffen.
Mankell: Wenn ich mich recht erinnere, haben wir uns schon davor gesehen. Ich glaube, wir haben uns zum ersten Mal auf Farö getroffen, der Insel, auf der Ingmar Bergman vor seinem Tod gelebt hat. Kenneth war dort, um seinen Film "Die Zauberflöte" zu zeigen. Aber bei der Gelegenheit kann ich von einem viel skurrileren Treffen erzählen: Kenneth war vor den Dreharbeiten in Ystad, um sich mit der Atmosphäre vertraut zu machen. Während er durch die Stadt lief, traf er den schwedischen Schauspieler Krister Henriksson, der Wallander in den Fernsehenfilmen spielt, die nicht auf den Romanen basieren. Das muss eine surrealistische Situation gewesen sein...
1990 wurde der erste Wallander-Roman "Mörder ohne Gesicht" veröffentlicht. Erinnern Sie sich noch daran, wann Sie die Idee für Wallander hatten?
Mankell: Ja, sehr gut sogar. 1989 kam ich zurück nach Schweden, nachdem ich viel Zeit in Afrika verbracht hatte. Normalerweise lebe ich drei bis vier Monate in Afrika, dann wieder in Schweden. Aber damals war ich für über ein Jahr nicht in Schweden. Nach meiner Rückkehr war ich besorgt über die starke Zunahme von Fremdenhass und Rassismus. Ich wollte darüber schreiben und entschied mich, eine Kriminalgeschichte zu machen. Dann habe ich bemerkt, dass ich einen Polizisten brauche. Und so wurde Kurt Wallander an einem Tag im Mai 1989 geboren. Seinen Namen habe ich aus dem Telefonbuch von Malmö, wenn ich mich richtig erinnere. Kurzum: Wallander wurde geboren, damit ich eine Geschichte über Fremdenhass erzählen kann. Ich mache das immer so: erst die Geschichte, dann die Figuren.
Wallander verzweifelt oft an der Schlechtigkeit der Welt. Man könnte auch sagen, er ist depressiv. Ist das realistisch für einen Kriminalkommissar?
Mankell: Ja, ich denke schon. Nach den ersten Wallander-Büchern habe ich eine Freundin gefragt, was Wallander für eine Krankheit haben müsste. Sie sagte blitzschnell: "Diabetes. So wir er lebt, muss er Diabetes haben." Also gab ich ihm im nächsten Buch Diabetes - und das hat ihn noch beliebter gemacht. Meine Idee war von Anfang an, einen Man zu zeigen, der wie du und ich ist, der sich durch die Dinge verändert, die ihm täglich passieren. Wie sind morgen ja auch nicht mehr dieselben wie heute. Wenn ich nach den ersten zwei Seiten eines Buches schon weiß, wie eine Figur ist und sie entwickelt sich nicht weiter, dann ist das Mist.
Wie viel Kurt Wallander steckt in Henning Mankell - oder andersherum?
Mankell: Zum einen haben wir exakt das gleiche Alter. Zweitens sind wir beide absolute Liebhaber italienischer Opern. Die dritte und letzte Ähnlichkeit ist, dass wir beide sehr viel arbeiten. Außer diesen drei Dingen haben wir sehr wenig gemein. Wenn Wallander eine leibhaftige Person wäre, wären wir wohl keine Freunde geworden, weil wir doch ziemlich unterschiedliche Charaktere sind.
Ihre Wallander-Bücher sind weltweit erfolgreich. Ist das so, weil Kurt Wallander ein internationaler Charakter ist - oder, weil er eben ein typischer Schwede mittleren Alters?
Mankell: Ich denke, er ist ein typischer Mann mittleren Alters. Er könnte auch braune oder schwarze Haut haben, das wäre egal. Ich denke, dieses etwas Unspezifische ist ein weiterer Grund für seinen Erfolg. Man kann sich mit ihm und seinem Denken in vielen verschiedenen Kulturen identifizieren. Das hat nichts damit zu tun, dass er aus Südschweden kommt.
Demnach könnte Wallander auch im Schwarzwald ermitteln und die Bücher wären erfolgreich?
Mankell: Ja, ich denke schon - mit einigen Änderungen, versteht sich. (ddp)