Essen. "Nuhr so" heißt die ZDF-Reihe, die vom 3. November an dienstags, 22.45 Uhr, Live-Auftritte des Kabarettisten Dieter Nuhr zeigt. Jürgen Overkott sprach mit dem ernsthaften Spaßmacher aus Ratingen über Twitter, Parlamentsfernsehen und Pöbelattacken.
Die digitale Technik erlaubt Ihnen eine neue Form der Impro-Show. Mailen Sie noch, oder twittern Sie schon?
Dieter Nuhr: Das eine schließt das andere nicht aus. Ich twittere, und wie ich gerade sehe, quillt mein Mail-Account über. Ich sehe 100 Mails, das ist grausam.
Ein Meister-Twitterer ist Lance Armstrong, der uns mitteilt, gerade esse ich ein Müsli, und gleich wechsle ich mein Trikot. Was teilen Sie denn der erstaunten Öffentlichkeit mit?
Dieter Nuhr: Sicher nicht den Schweißstand meiner Achselhöhlen oder welche Chemikalien ich in meinen Körper gepumpt habe...
...gerade das verrät er ja nicht.
Dieter Nuhr: Ich teile der Welt mit, was mir gerade durch den Schädel geht.
Die andere Seite der digitalen Wunderwelt ist: Noch nie wurde so viel gepöbelt, weil man sich im Netz so gut verstecken kann. Haben Sie auch schon damit Erfahrungen gemacht?
Dieter Nuhr: Ja. Ich musste mein Gästebuch auf meiner Homepage zumachen. Solange ich nur auf der Bühne stand, hat das gut funktioniert, weil sich dort mein Publikum getroffen hat. Die Leute haben mitgeteilt, wie sie meine Vorstellungen fanden oder ob sie alles verstanden haben. Sobald man aber im Fernsehen auftaucht und sich äußert, melden sich alle möglichen seltsamen Leute: Neonazis, Islamisten, Stalinisten. Diese Leute sind sehr gut vernetzt, die fluten dann ein Gästebuch mit ihrem Müll, und da hört dann Meinungsfreiheit auf. Diese Leute sind dann beleidigt und reden dann von Zensur. Aber meine Homepage ist mein digitales Zuhause, und da ist es mein gutes Recht zu verbieten, dass in meinen Haus Naziparolen vom Stapel gelassen werden.
Was darf die Satire?
Dieter Nuhr: Satire darf alles, außer das, was im Strafgesetzbuch verboten ist. Ich halte mich daran, ich bin kein Rechtsbrecher, außer beim Falschparken. Ich bin Beamtenkind.
Mick Jagger des Kabaretts
Als Beamtenkind wären Sie beinahe auch wieder Beamter geworden, wie Thomas Gottschalk übrigens auch: nämlich Lehrer. Was hat Sie vor diesem Schicksal bewahrt?
Dieter Nuhr: Ich habe mein Studium teilweise schon mit Auftritten finanziert, zwei Jahre lang. Und nachdem das solange erfolgreich lief, habe ich mich entschlossen, daraus einen Beruf zu machen - wie Mick Jagger übrigens auch.
Ist Ihre Devise "You Can't Always Get What You Want?"
Dieter Nuhr: Nee, kann man so nicht sagen. Ich bin ganz zufrieden.
Sehen Sie sich als "Street Fighting Man"?
Dieter Nuhr: Nö, von Straßenkämpfen halte ich wenig, vor allem wenn ich mein Auto da geparkt habe. Autos anzünden ist doof.
Beim ZDF sind Sie auf Kerners Sendeplatz. Geben Sie Kerner, lustige Version?
Dieter Nuhr: Nein, ich rede zwar auch viel, aber nur mit mir selbst. Ich werde keine Verbrauchertipps geben, und in meiner Sendung wird auch nicht gekocht. Aber: Ich war immer gern bei Kerner zu Gast.
Apropos lustig. Norbert Lammert hat beklagt, dass die Öffentlich-Rechtlichen zu wenig Parlament zeigen. Amüsieren wir uns zu Tode?
Dieter Nuhr: Das sehe ich ganz anders. Wenn irgendetwas wenig Zuschauer erreicht, würde ich das erstmal aufs Programm zurückführen. Das Parlament ist vom Unterhaltungsfaktor nicht sonderlich hochwertig, soll es ja auch nicht sein. Die wichtigen Debatten finden eh hinter den Kulissen statt. Da zieht eine Live-Übertragung wenig Publikum.
"Bohlen ist ein großer Satiriker"
Ich nehme das Stichwort Unterhaltung gern auf. Das Bundessozialgericht hat Dieter Bohlen kürzlich zum Künstler erklärt. Sehen Sie ihn als Kollegen?
Dieter Nuhr: Ja, sicher. Er ist ein großer Satiriker - und ein großer Freund des unfreiwilligen Humors.