Köln. .

Mit Robbie Williams als Gast-Juror blitzten bei „Popstars“ zwei völlig ungewohnte Phänomene auf: Humor und Selbstironie. Wenn auch nur kurz.

30 Minuten lang sah es so aus, als seien die Popstars am Ende. Nicht die Kandidaten, sondern die Sendung. Es sei denn, man definiert „Popstar“ als jemand, der Werbe-Jingles für Kleenex einsingt. Genau darum ging es in der ersten halben Stunde nämlich. Zugegeben, die Regie gab sich alle Mühe, von der Tristesse der Aufgabe abzulenken, quartierte die Kandidatinnen in einem Südstaaten-Traumhaus ein und ließ sie in einem Tonstudio antreten, das eher nach Ballsaal aussah. Mit umgekehrtem Effekt – die malerische Kulisse ließ die gestellte Aufgabe nur noch banaler wirken.

„Es ist eine große Ehre, das hier singen zu dürfen“, sagt ein Mädchen, als hätte ihr gerade jemand ein verlorenes Notenblatt von Frank Sinatra in die Hand gedrückt. „Du hast toll abgeliefert,“ antwortet die Taschentuch-Managerin in simulierter Jugendsprache. Als Zuschauer möchte man an dieser Stelle am liebsten selbst zum Kleenex greifen, so traurig ist die Selbsthypnose aller Beteiligten auf dem Bildschirm.

Man muss diesen Prolog erzählen, um zu erklären, warum Robbie Williams bei Pro Sieben wirklich etwas gut hat. Der ehemalige Take-That-Sänger rettete schlicht und einfach die Show. Er brachte alles mit, was dieser Sendung sonst fehlt: Selbstironie, Leichtigkeit, unabgegriffene Sprüche. Man kann von Robbie Williams, dem Musiker, halten, was man will – er allein hat mehr Charme als die drei Mitglieder der Popstars-Jury kombiniert.

Das Bett als Sprungbrett

Ganz selbstlos war der Auftritt natürlich nicht. Im Umfeld wurde für seine Musik geworben, später sah man ihn auch noch als Werbeträger für Digitalkameras. Das hätte man ihm vorwerfen können, wenn der Auftritt so lustlos verlaufen wäre, wie man es von echten Popstars in Castingshows erwarten würde. Aber so kam es nicht. Williams wirkte ausgeschlafen und nahm sich von allen Anwesenden am wenigsten ernst. „Wenn es mit dem Talent nicht hinhaut, müsst Ihr Euch hochschlafen“, riet er den Kandidatinnen, „so hab ich’s auch gemacht.“ Selbst die Beurteilungen und Tipps wirkten authentisch und freundlich. Beim schüchternen Gothic-Mädchen Meike hält Williams sogar Händchen und lässt sie den Songtext von einem Zettel ablesen, den er zwischen die Zähne gesteckt hat. Kommentar: „Ich habe ein Herz für Underdogs“. Man nimmt es ihm ab.

Apropos Meike – es mag unwahrscheinlich klingen, aber im Laufe dieser Sendung lernt man die Ruhe dieser Kandidatin irgendwie zu schätzen. Das liegt auch an der hyperventilierenden Konkurrenz – am ständigen „Oh mein Gott!“, „Ich glaub’s nicht!“ und generellen Tinnitus-Umfeld der Mädchen-WG. Manche der Teilnehmerinnen setzen selbst für Casting-Verhältnisse neue Kreischstandards. Bezeichnend, dass das Gothic-Mädchen den gemeinsamen Auftritt mit Williams als einzige nicht wie ein religiöses Erlebnis schildert.

Besser als das Original

Was man allen Kandidatinnen lassen muss, sind ihre Stimmen. Einen Ausfall sucht man vergeblich. Und so ist die Jury nicht zu beneiden, als am Schluss der Sendung drei Girl-Bands beurteilt werden müssen. Der Gesang klingt durchweg erstklassig – zwischendurch hat man sogar den Eindruck, dass sich manche Stücke besser anhören als die Vorlagen (das gilt besonders für „These Boots Are Made for Walkin’“ in der Version von Jessica Simpson – ohnehin nicht das Original).

Am Ende muss Kandidatin Sonni unter vielen Tränen gehen. Und plötzlich weiß man wieder, warum Sendungen wie diese doch etwas Amoralisches haben – weil sie 18-Jährigen vorgaukeln, eine Lebenschance verpasst zu haben. Beim ganzen Spaß mit Robbie Williams hatte man das kurz vergessen.