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Die Show läuft schon lange, meistens zu lange – in 30 Jahren „Wetten, dass..?“ haben drei Moderatoren über 62 Stunden überzogen. Zum Auftakt der Jubiläumsstaffel kam gleich eine halbe Stunde obendrauf, weitere werden folgen – wetten, dass?

Und sie läuft … und läuft… und läuft… Dabei ist sie für viele schon längst kein Renner mehr, diese ZDF-Show, die immer weiter geht, langsam in die Jahre gekommen ist – und sich doch in 30 Jahren Laufzeit kaum verändert hat. „Wetten dass..?“ feiert Jubiläum, eine ganze Staffel lang; Überziehung inklusive. Da störte zum Auftakt in der Münchner Olympiahalle allenfalls die Unterwäsche der Christine Neubauer. Ansonsten gab´s gepflegtes Gottschalk-Geplänkel, Kandidaten mit fragwürdigen Talenten, Stars mit neuen Platten, neuen Filmen, neuer Modekollektion, ein paar Pannen, wie üblich – ein Stück unschuldige Fernseh-Unterhaltung eben, Fünf-Sterne-Bügelfernsehen mit Nostalgieeffekt.

Meckern und Staunen

Trotzdem: Wetten, dass gleich wieder alle meckern – über die Wetten zum Beispiel. Langweilig dieser Balanceakt mit dem Alphorn auf den Lippen, bei dem vielleicht Töne, aber doch kein Lied rauskam. Und dann diese Klassik-Wette. Haben die beim ZDF denn keine Ideen mehr, fällt denen denn nichts mehr ein, müssen die schon den Quatsch von einst recyceln? Und überhaupt: Das war bestimmt zehnlagiges Klopapier, an dem sich Kandidat Mario Marciniak da aus dem Schwimmbecken zum Fünf-Meter-Brett gehangelt hat. Dann die Wettkönige Franz Bayrhof und Manuel Jokisch: niveaulos. Machen Geräusche mit Achseln, Knien und Genick, die, nun ja, an Verdauungsaktivitäten erinnern – und da sollen Sätze bei rauskommen? Da ist doch ein Trick, da muss doch, das kann doch nicht, geht doch gar nicht, oder doch?

Aber erstaunlich war´s schon, wie diese zwei Plappermäuler sich – knarz, knirsch, plopp – via Körpersprache im wörtlichsten Sinne sinnloses Zeug erzählen konnten. Und irgendwie witzig! Als Kind hätte man doch sogleich mit dem Training angefangen, genervte Eltern hin oder her. Und diese Klopapier-Wette zu der sich der Kandidat einst auf dem stillen Örtchen entschieden hat. Hätte man doch nie gedacht, reißfest von wegen, ist doch physikalisch nahezu unmöglich. Er hat´s geschafft, unglaublich! Da können die „Supertalente“ von RTL noch was lernen, schief singen kann schließlich jeder – selbst Sesamstraßenschreck und Wettpatin Katy Perry.

Altherrenwitze mit Charme

Wetten, dass gleich wieder alle schimpfen – über den Gottschalk und die Hunziker. Diesen in die Jahre gekommenen Sonnyboy und seine gackernde Komparsin, blond und blonder eben. Dass sich dieser Thomas Gottschalk auch mit 60 noch für einen Flirtgott hält. Da steigt ja selbst Pastorentochter Katy Perry im glitzernden Badeanzug mit Bommel am Popo die Schamesröte ins Gesicht: „You are ensured, you rest in my arms baby!“ Oder auf Denglisch: „Du makest up your mind und ich sage Dir, was Du machen sollst!“ Alles klar? Ja, er ist nun einmal der Meister des Small-Talks. Plaudert mit Schauspielerin Christine Neubauer im Dirndl über das Holz vor der Hütten, mit Fußballer Arjen Robben übers Verletzungspech und mit Comedian Bülent Ceylan, dem „lustigen Ausländer“, über Integration. So wandert der Finger manches Mal zur Fernbedienung, da wird Bohlens „Supertalent“ auf RTL zur Versuchung, Jörg Pilawa zum Wunschnachfolger, lös´ den Gottschalk ab.

Doch halt! Ein Altherrenwitz geht noch. Warum einen ernst nehmen, der über sich selbst lacht? Der über die eigene Nase herzieht, sich von vergangenen Outfits – Jeansanzug mit Lederapplikationen – schmunzelnd distanziert, mit Selbstironie punktet. Routiniert ist er nicht, noch immer nicht, nicht nach zwanzig Jahren. Pannen gehören zum Konzept, mangelnde Vorbereitung irgendwie zum Charme – und manchmal scheint ihm alles zu entgleiten: „Ich habe die Kontrolle über die Veranstaltung verloren“, doch er hat´s im Griff. Und Michelle Hunziker? Die kann holländisch sprechen.

Die verlorene Ehre der Christine Neubauer

Neues Konzept „Klassik-Wetten“

Vier Menschen, das hält doch keine Badekappe aus. Eine wirklich enge Mütze, die am Ende platzte – Wette verloren. Ein Mann gegen ein Pferd: durch einen Parcours für Springreiter. Da siegte die Pferdestärke gegen Manpower, vier Beine gegen zwei. Schon erklingen schiefe Misstöne, zerfließt blaues Logo zu Brei: Wette verloren, „Wetten, dass..?“

Alte Wette, neue Chance: In der Jubiläumsstaffel (30 Jahre „Wetten, dass..?“) haben Zocker mit seltenen Talenten nun die Chance, gute Ideen in die Tat umzusetzen. 30 verlorene „Klassik-Wetten“ hat das ZDF zum Recycling ausgewählt. Ambitionierte Fans können einen Blick auf die Website zur Sendung werfen (wettendass.zdf.de), Wetten angucken und besser machen – am besten vor einer Videokamera. Und dann bewerben: per Post (ZDF, Redaktion „Wetten, dass..?“, 55111 Mainz) oder online. In jeder Folge der aktuellen Staffel wird ein Klassiker wiederbelebt.

Wetten, dass alle entsetzt sind – über die verlorene Ehre der Christine Neubauer? Übertrieben haben sie es diesmal beim ZDF, keine Frage. Vorbei die Zeiten, wo der Star selbst über sein Schicksal entscheiden konnte, auf der Couch war Mut gefragt, prominenter Frust die Folge. Da wurde Bülent Ceylan im rosigen Dirndl samt langer Mähne und Brusthaar im Ausschnitt zum Oktoberfest verfrachtet: Brotzeit ranschaffen für alle. Auch Katy Perry wusste kaum wie ihr geschah, als ein grinsender Gottschalk ihr eine Seilbahnfahrt am Karabinerhaken anpries hoch über dem Olympiastadion. Sie wollte nicht, sie musste nicht, der Frau Neubauer sei Dank. Die wurde von Gottschalk kurzerhand auf das 7,50-Meter-Brett hoch über dem Olympiastadion komplimentiert, sollte ins Wasser springen – samt Dirndl. Doch während Gottschalk sich bis zur weißen Boxershorts entblößte und sich tapfer in die Fluten stürzte, streikte Frau Neubauer. Sie wollte sich keine Blöße geben, nicht vor der deutschen Fernsehnation die unpassende Unterwäsche zur Schau stellen, sich nicht unters Kleid gucken lassen. Und so buhte das Publikum, ein hilflos planschender Gottschalk rief verzweifelt nach seiner Michelle – und packte schließlich Katy Perry ins Dirndl und Christine Neubauer auf die Seilbahn.

Unterhaltsam war´s, garniert mit ein bisschen Fremdschämen. Da fragt sich ja nun halb Deutschland, was die Dame für Wäsche anhatte. Nun ja, über Niveau lässt sich ja bekanntlich streiten, hier war´s wohl ein bisschen tief – sei´s drum.

Alles beim Alten

Wetten, dass doch wieder alle zugeschaut haben? Nicht alle, aber jeder zehnte Deutsche bestimmt, ein Fernsehvolksfest eben. Manche haben vielleicht auch erst später zugeschaltet, wollten eigentlich das „Aktuelle Sportstudio“ sehen. Dass dieser Gottschalk auch wieder eine halbe Stunde überziehen musste. Erst um Viertel nach elf läutete die Eurovisions-Hymne das Ende ein, zurück blieben nur ein paar Chipskrümel und Kinder, die dringend ins Bett mussten. Dass war schon vor dreißig Jahren so. Wird auch so bleiben. Wetten, dass..?