Essen. Wieviel Auto darf man sehen? Product Placement im Fernsehen ist demnächst unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Das sieht der gerade beschlossene 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vor, der die neuen Werbe-Regeln festschreibt.

Die letzte große PR-Show, wie Kritiker formulierten, leistete sich der WDR: Im Oktober wurde in der Dokumentation „Heilung unerwünscht” ein Neurodermitis-Mittel vorgestellt. Schleichwerbung? Verbotene Produktplatzierungen? Damit stand bereits das Team vom „Marienhof” in der Kritik, damit landete Stefan Raab sogar vor Gericht. Mit dieser Art von Zuschauer-Irritationen soll jetzt Schluss sein. Die Ministerpräsidenten schrieben Werbe-Regeln fürs TV im 13. Rundfunkstaatsvertrag fest.

Kostenlose Bereitstellung bleibt erlaubt

„Damit schaffen wir optimale Wettbewerbsbedingungen und Rechtssicherheit für Sender und Dienste der Informationsgesellschaft”, erklärte Kurt Beck (SPD), Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder. NRW-Medienminister Andreas Krautscheid sekundierte auf Anfrage der WAZ, die neuen Regeln dienten dem "Schutz der Verbraucher". Für die Sender seien sie "praktikabel". Da das Regelwerk zukünftigen Produktionen gelte, können sich die Sender Krautscheid zufolge darauf einstellen und es gar in ihre Geschäftsbedingungen aufnehmen.

Fernsehschaffende indes sind mit der Neuregelung nicht glücklich. Denn „klare Handlungsvorgaben” gibt es nur in einem Bereich: Die öffentlich-rechtlichen Sender dürfen Werbung nur vor 20 Uhr schalten, an Sonn- und Feiertagen überhaupt nicht.

Das ist nicht wirklich neu. Angetreten waren die Ländervertreter, um europäische Vorgaben auf nationaler Ebene umzusetzen. Wenn in einer Sendung in Zukunft Produkte beworben werden, muss das gekennzeichnet werden. „Beworben heißt in diesem Zusammenhang aber immer: Die Produktionsfirmen oder Sender haben für die Platzierung der Produkte Geld bekommen”, erläutert Hartmut Schultz, Pressesprecher des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT). Im Umkehrschluss bleiben sogenannte kostenfreie Beistellungen auch weiterhin erlaubt. Dazu zählt zum Beispiel der Einsatz des Traumschiffes oder die Fahrzeugstaffel der Tatort-Kommissare. Sie müssen nur im Vor- und Abspann der Sendung benannt werden. „Das kann zu umfangreicheren Abspännen führen", vermutet Eva-Maria Michel, stellvertretende Intendantin und Justiziarin des WDR. Und: Man müsse aufpassen, dass die Vor- und Abspänne in Zukunft nicht selbst zu Werbeträgern werden. Verboten sind diese Beistellungen zukünftig in Nachrichten, zeitgeschichtlichen, politischen, Ratgeber- und Kindersendungen.

Ultralanger Nachspann

Der VPRT kritisiert, dass die Länder darüber hinaus Auflagen verabschiedet haben, die weit über die EU-Richtlinie hinausgehen. So sollen Produktplatzierungen – „falls zumutbar” – dem Zuschauer gegenüber auch kenntlich gemacht werden, wenn die Filme im Ausland eingekauft wurden. „Das ist wirklichkeitsfremd und im Übrigen bei den Fernsehveranstaltern falsch adressiert. Wir sollen nun für Inhalte haften, die wir weder produziert noch beauftragt haben”, erklärte VPRT-Präsident Jürgen Doetz. „Wie sollen wir wissen, ob für die Erdnussbutter, die in einer angekauften amerikanischen Serie auf dem Tisch steht, vom Hersteller gezahlt wurde?”, ergänzt Helmut Schultz. „Das ist eine ziemlich absurde Regel”, sagt auch Eva-Maria Michel. „Wir müssen schauen, wie wir praktikabel damit umgehen.”

Als nicht leistbar, schätzt der medienpolitische Sprecher der Grünen im NRW-Landtag die Aufgabe ein. „Ich weiß überhaupt nicht, warum diese Regelung in den Rundfunkänderungsstaatsvertrag aufgenommen wurde. Das mögen sich die Zuschauer auch fragen, die demnächst mit ultralangen Nachspännen oder kurzen Werbeeinblendungen bombadiert werden. Laut einer Umfrage des Mediendienstes „Quotenmeter.de” haben 62 Prozent nichts gegen Schleichwerbung im TV.

Zeitgleich verständigten sich die Länderchefs auf einen Zeitplan für die Umstrukturierung der Fernsehgebühren. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Juni 2010 soll eine Entscheidung – in der Diskussion ist eine pauschale Haushaltsgebühr – fallen.