Essen. Der Rückgang der Werbeeinnahmen löst erneut die Diskussion um die Finanzierung des deutschen TV-System aus. Auch die Schleichwerbung gerät in den Fokus.
Die Krise ist nicht mehr nur Thema, sondern längst auch zur Sorge der Fernsehsender geworden. Für die Privaten mehr, für die Öffentlich-Rechtlichen weniger. Experten schätzen, dass die Erhöhung der GEZ-Gebühren vom Jahresbeginn 400 Millionen Euro in die öffentlich-rechtlichen Kassen spült. Etwa die gleiche Summe könnten Private 2009 an Werbeeinnahmen verlieren. Grund genug, über die Regeln für das gebührenfinanzierte Fernsehen, Grenzen zur Schleichwerbung und neue Geschäftsmodelle zu diskutieren.
Die Ausgangslage etwa für ProSiebenSat1 ist alles andere als rosig: 2008 schloss der Konzern mit einem Verlust von 129 Millonen Euro ab und musste nach einer Kartellstrafe seine Werbezeitenvermarktung umstrukturieren. Auf der Suche nach Einnahmequellen geht Flagschiff ProSieben seit Jahren an die Grenzen. Stefan Raab musste seine „Wok-WM” nach wiederholtem Vorwurf der Schleichwerbung Anfang März erstmals als „Dauerwerbesendung” deklarieren.
Schwieriges Jahr
Auswirkungen der Krise mag man beim Werbezeitenvermarkter SevenOneMedia trotzdem nicht gern thematisieren. Sprecher Andreas Kühner: „2009 wird ein schwieriges Jahr, aber wir sind positiv ins Jahr gestartet.” Zuschauer wollen indes bemerkt haben, dass Sendungen im Abendprogramm von ProSieben bis zu 20 Minuten eher angefangen haben. Weggebrochene Werbezeit? Kühner dementiert. Kleinere Werbeinseln gebe es höchstens in den Randzeiten.
Auch RTL spürt die Krise, will aber nicht mit Preisabschlägen für Werbekunden reagieren. RTL-Sprecher Christian Körner: „Sicher wären unsere Werbeinseln dann voller.” Neue Geschäftsmodelle würden unabhängig von der Krise gesucht. So verfügt RTL mit RTLNow ebenso wie ProSiebenSat.1 (Maxdome) über eine Video-on-demand-Plattform im Internet, wo Filme und Serien gegen Extra-Bezahlung individuell bestellt und gesehen werden können.
Vor dem Hintergrund sinkender Werbeeinnahmen werden wieder Forderungen laut, dass sich ARD und ZDF bei der Reklame einschränken sollen. Einige der für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zuständigen Politiker planen, ab 2013 Sponsoring werktags nach 20 Uhr und an Sonn- und Feiertagen ganz zu verbieten. Dann soll keine Pilsmarke mehr den „Tatort” präsentieren. Einzige Ausnahme: Sponsoring im Umfeld von großen Sportveranstaltungen. Ob dieser Schritt nun mehr Gerechtigkeit schafft, darüber sind die Meinungen geteilt. Schon 2008 hätten die Werbeeinnahmen der Öffentlich-Rechtlichen von insgesamt rund 540 Millionen Euro nur 6,3 Prozent des Gesamtbudgets ausgemacht, sagt Wolf-Dieter Ring, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien. Ring propagiert werbefreies, rein gebührenfinanziertes Fernsehen.
Sponsoring-Verbot
Nicht so der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust (SWR): „Ich glaube nicht, dass ein Sponsoring-Verbot den Interessen der kommerziellen Konkurrenz zugute kommt. Es führt auf deren Seite ja nicht automatisch zu Einnahmezuwächsen”, sagt er zur WAZ. Es werde nicht ohne eine Kompensation gehen – natürlich über eine Gebühren-Erhöhung. Ähnliches ist aus ZDF-Kreisen zu vernehmen.
Trotz der sicheren Gebühren-Einnahmen muss sich gerade die ARD immer wieder gegen Vorwürfe wehren, sich über unlautere Mittel Zusatzeinnahmen zu verschaffen. Etwa bei der Auswahl von schnellen Autos. Annette Gilcher vom SWR zur Pkw-Ausstattung im letzten Stuttgarter „Tatort”: „Alles in Bezug auf die Autos ist künstlerisch, dramaturgisch begründet.” Am Vorwurf der Schleichwerbung sei nichts dran. Mit Autos im Fernsehen sei das nun einmal besonders schwierig, weil man die Marken schnell erkenne. Stuttgarter Autos im Stuttgarter „Tatort”, Wolfsburger Autos im Hannover-„Tatort”. „Da sieht man, wie föderalistisch wir sind”, scherzt Gilcher.
Produktplatzierung
Gar nicht lustig findet das Thomas Langheinrich, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten. Er kritisiert die gelegentlich „unverholene Produktplatzierung” in der ARD. Dazu noch in einer Zeit, in der das System droht, „in eine Schieflage zu geraten”, so Langheinrich bei einem Symposium mit dem denkwürdigen Titel: „Lost in Transition. Überlebensstrategien für das private Fernsehen”.