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Wie setzt man sich von DSDS, Popstars und Co. ab? Das war die Frage beim Start von „X Factor“. RTL setzte auf erhöhten Taschentuchverbrauch. Bei Sarah Connors Talentsuche jagte ein Rührstück das andere.
So langsam erhärtet sich ein Verdacht. Werden DSDS, Popstars, „Germany’s Next Topmodel“ und „X Factor“ mit einer einzigen Software erstellt? Dem „Casting Show Construction Kit“? Es kann eigentlich nicht anders sein. Wie soll man die immergleichen Elemente dieser Sendungen sonst erklären?
Auch X Factor deklinierte 100fach Gesehenes durch. Da fährt die ultraprofessionelle und knallharte Jury zu Carmina-Burana- (wahlweise Star-Wars-)Klängen vors Studio, im Hintergrund stehen die unvermeidlichen Jubel-Teenager Spalier. Schnitt auf die Vorrundenkandidaten, die grundsätzlich in vier Kategorien fallen. Da ist die Minderheit der normal Sozialisierten und manchmal sogar Talentierten. Dann die Egomanen und Quotenfreaks und schließlich die Teilnehmer mit Rührstory.
Der Ton ist vergleichsweise human
Letztere scheinen von X Factor besonders angezogen zu werden. Kaum ein Kandidat, der nicht sein Päckchen zu tragen hätte – der arbeitslose, dreifache Familienvater, der Langzeit-Barkeeper, der seiner Freundin in der Sendung einen Heiratsantrag macht, das in armen Verhältnissen aufgewachsene Einwandererkind und einige mehr. Wenn man Sendungen wie diese schaut, könnte man glatt meinen, Deutschland sei eine Art Riesen-Bronx, aus der man nur via Castingshow ausbrechen kann. Dazu passt, dass die Juroren bei X Factor auch Coaches sind, die ihre Schützlinge auf Vorzeigbarkeit trimmen. („My Fair Lady“ lässt grüßen.) Das Ganze findet in Gründerzeitvillen mit Parkettboden statt, die bei RTL interessanterweise als „boot camps“ durchgehen.
Immerhin, zwei Dinge muss man X Factor zugute halten. Der Ton ist vergleichsweise human, und die ganz Untalentierten werden nur im Schnelldurchlauf präsentiert. Anders als bei DSDS scheint die öffentliche Demütigung hier nicht im Vordergrund zu stehen. Was wiederum nicht heißt, dass man hier ständig die nächste Leona Lewis oder den nächsten Dean Martin sehen würde. Ganz ohne Freaks geht es nicht, logisch.
Ein besonders niedliches Pokémon
Und so lernen wir zum Beispiel die Zwillinge Alina und Emilija kennen. Die beiden 17jährigen erinnern ein bisschen an Paris Hilton und präsentieren sich mit den Worten „wir sind geboren, um auf der Bühne zu stehen.“ Für ihr Alter haben sie recht wenig an. So geht’s nicht, denkt Jurorin Sarah Connor und prangt den Lolita-Look an. Das Ganze endet mit Rauswurf und einer auf Russisch fluchenden Mama. Spätestens an dieser Stelle beschleicht selbst den gutgläubigsten Zuschauer das Gefühl, dass hier jemand fürs Casting gecastet worden ist.
Von den übrigen Kandidaten fällt vor allem die junge Japanerin Natsumi auf, die zwischen zahlreichen „ahhs“, „oohss“ und Verbeugungen wirkt wie ein besonders niedliches Pokémon. Jury-Mitglied Till Brönner ist sichtlich gerührt und winkt das Mädchen mit einem Satz auf Japanisch durch, der soviel bedeutet wie „ich liebe dich, aber kann dich nicht heiraten.“
Das war es aber auch schon. Viel mehr bleibt nicht hängen von der ersten Folge dieser Show. Im Trailer heißt es „Das X steht für das Besondere.“ Was das genau gewesen sein soll, ist nicht ganz klar. Es sei denn, es geht um besonders viele Tränen.