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Er ist Berufsjugendlicher, aber trotzdem manchmal ziemlich blass um die Nase: Am Dienstag wird Thomas Gottschalk, der Sonnenkönig der deutschen Unterhaltungsshows, 60. „Ich lebe von der Unfähigkeit meiner Mitbewerber“, hat er einmal gesagt.
Es gibt Männer, denen verzeiht man vieles. Dass sie nicht richtig zuhören können, dass sie uns mit ihren komischen Hobbys auf den Wecker gehen. Zugegeben: Es sind die Ausnahmetypen. Einer von ihnen ist Thomas Gottschalk.
Am Dienstag wird er 60. Dabei scheint das Alter wie so vieles bei ihm anderen Regeln zu folgen. Er könnte auch 50 werden oder 65. Bei ihm laufen die Dinge seltsam paradox: Er ist ein Berufs-Jugendlicher, der aber trotzdem manchmal ganz schön blass um die Nase ist. Er gilt als Wunder der Schlagfertigkeit, das aber manchmal die besten verbalen Vorlagen seiner Gäste verstolpert. Er ist längst nicht immer wortwitzig – dennoch ist er der Sonnenkönig der Unterhaltungs-Shows. „Ich lebe von der Unfähigkeit meiner Mitbewerber“, hat er einmal gesagt.
Was das Fernsehen angeht, sind wir berechenbar
Er stapelt tief. Er macht sich klein. Worin denn das Geheimnis seines Erfolgs besteht, wurde er gefragt. Und der Meister des großen Tons räumte kleinlaut ein: „Alles nur durch Geschwätz.“
Das kann nicht jeder sagen, ohne dass man ihm gleich den Saft abdreht. Doch bei einem wie ihm wirken diese Worte wie Magie. Welches Geheimnis dahinter steckt, wissen selbst Fachleute nicht ganz genau. Oliver Fahle, Medien-Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum, sagt, man könne eben nicht alles erklären. Aber eins sei klar: Seine jugendliche Ausstrahlung führe dazu, dass er bei Frauen den Mutterinstinkt wecke. Oder den der Schwiegermutti. „Für Erfolg im Fernsehen ist es wichtig, die Frauen hinter sich zu bringen.“
Über die Frauen wird dann Familienplanung gemacht: Jogginghose, Salzstangen und alle ins Pantoffelkino. „Wetten, dass..?“ Die Tochter freut sich auf Robbie Williams, der Sohn auf Nelly Furtado, Papa auf die Autowette. Und am Montag erzählt man sich beim Bäcker, dass Tommy schon wieder überzogen hat. Totales Klischee? Was das Fernsehen angeht, sind wir berechenbar. „Die Zuschauer spielen die Sendung im Leben weiter“, sagt Ulrich Sollmann, Kommunikationsberater aus Bochum. „Jeder redet drüber.“ Welches Ereignis kann das schon von sich behaupten?
Kunst der Unterhaltung
Dabei kommt es gar nicht auf die Wetten an. Oder können Sie sich erinnern, dass? Wenn nicht gerade die Geschmacksnerven gequält werden – erkennen Sie die Tiere an ihren Exkrementen! – setzt die Gnade des Verdrängens ein. Trotzdem. Das, was Gottschalk macht, ist die hohe Kunst der Unterhaltungsshow mit meist an die zehn Millionen Zuschauer. Es ist gleichfalls die Tragik der großen Showmaster, dass man sich mehr für sie als für die Show interessiert. Das ging schon Kulenkampff so, auch Peter Frankenfeld. Raab und Bohlen geht es anders.
„Gottschalk ist ein Clown im größten Zirkus der Nation“, sagt Sollmann. Mal abgesehen von Karo-Jacken und wilden Tretern, die irgendwie jeden ein bisschen zum Clown machen, sei er „einer, der in jedes Fettnäpfchen tritt, dass es spritzt. Aber an dem nichts kleben bleibt.“
Ob er Schleichwerbung macht oder die Damen tätschelt: „Er bleibt latent unschuldig.“ Ob er die US-Schauspielerin Hillary Swank mit blödem sexistischen Palaver anstößt oder Götz George über den Mund fährt – es bleibt ungestraft. Der Clown lebt von der Wiederholung. Immer wieder saß Iris Berben im Sofa, Boris Becker, Senta Berger. Eine scheinbar ernste Frage, dann ist der Blonde mit den Gedanken schon wieder bei der Hündin, die mit einem vollen Wasserglas die Treppen hochspaziert. Das tiefe Gespräch ist nichts für ihn. Wie auch Witzfilmchen mit Mike Krüger nicht. Und als Nacht-Talker lockte er keinen aus dem Bett. Gut ist er als Teil des Wettspektakels.
Klug und skandalfrei
Außerhalb seiner Sendung sei er „sehr klug“, sagt Wissenschaftler Fahle. Klug heiße auch: „skandalfrei“. Er hält sich schlau auf Distanz. Lebt in Kalifornien. Mehr als dass es seine Frau Thea (64) schon ewig gibt und dass er zwei Söhne (27, 20) hat, weiß man kaum.
Jetzt hat er noch Frau Hunziker dabei, die Gott sei Dank nicht wirklich stört. Sie ist die Kunstfigur. Er ist die Rampensau mit dem bescheidenen Auftritt. Schöner Spagat. Sollmann: „Er spielt beide Parts eines Clownpaares. Er ist Dick und Doof in einer Person.“ Er fällt in Fallen, inszeniert seine Rettungsaktion selbst. Und die Manege tobt. Wenn er mal geht, ist Schluss mit Wetten, dass..? sagt Fahle.
Das Publikum verehrt ihn seit über zwanzig Jahren. Weil er der Beweis ist, dass auch Seichtes seine schönen Seiten hat. Und weil er zeigt, dass es möglich ist: 60 zu sein – und ein Kindskopf zu bleiben.