Wiesbaden/Duisburg. .

„Hallo” sagt die Stimme am Telefon. Nur „Hallo”. Aber das reicht. Sofort ist die Erinnerung wieder da. An die vielen Samstagabende, in denen Dieter Kürten die Zuschauer durch das Aktuelle Sportstudio geführt hat.Der Grandseigneur des ZDF-Sports feiert Freitag seinen 75. Geburtstag.

Vor zehn Jahren hat er sein Amt als „Chefreporter-Sport” bei den Mainzelmännern abgegeben. Hat hier und da noch mal ausgeholfen bei großen Fußballturnieren oder Olympischen Spielen, hat sich ansonsten aber „langsam rausgeschlichen” aus dem Job, den er fast 40 Jahre so liebte. Ohne offiziellen Abschied, ohne große Ehrung. „Genau richtig war das”, sagt Dieter Kürten. Weil er so immer noch ein bisschen da ist und Kontakt zu den Kollegen halten kann, von denen er viele selbst zum ZDF geholt hat.

So wie ihn Wim Thoelke 1963 zum Fernsehen holt. Von der Zeitung, zu der Kürten nur über Umwege gekommen ist. Weil der Vater, selbst ein Journalist, nicht will, dass der Filius in seine Fußstapfen tritt. Dieter träumt von einer Karriere als Musiker, lernt aber Speditionskaufmann. Dann ereilt ihn seine Berufung, wird zu seinem Beruf. Kürten geht zum Zweiten Deutschen Fernsehen, arbeitet erst für den Sport im Tagesgeschehen und die Sportreportage, moderiert die „Sportinformation”. Dabei wird er für das Aktuelle Sportstudio entdeckt

Es gibt Interviews und eine Torwand, auf die die Gäste schießen

Die Sendung ist neu. Und anders. Ganz anders als die Sportschau der ARD jedenfalls. Am späten Samstagabend bewegen sich die Moderatoren auch schon mal durch das Studio, statt stocksteif am Pult zu stehen. Es gibt Interviews und eine Torwand, auf die die Gäste schießen. Drei unten, drei oben. „Unterhaltung mit stark sportlichem Charakter”, nennt Wim Thoelke das Sportstudio gerne. Und kaum jemand ist dafür so geeignet, wie Kürten.

375-mal moderiert „Mister Sportstudio” die Sendung. Vor der Kamera ist er locker, ist er leger. Dabei liebt er die Ordnung, die Genauigkeit. Alles prüft er zwei Mal. Mindestens. „Kümmerer” hat ihn Ex-Focus-Chef Helmut Markwort früher deshalb gern genannt.

„Die Zuschauer mögen Kürten. „Kompetent”, „charmant” und „liebenswürdig” nennen sie ihn. „Zu liebenswürdig” finden Kritiker. Kürten sei zu weich, frage nicht nach, mache keinen Druck. Es ist eine Kritik, die den gebürtigen Duisburger bis heute ärgert. „Ich habe einfach versucht auf andere Weise zu erfahren, was ich wollte. Das ist mir meist auch gelungen.” Zudem hatte die freundliche Art noch einen weiteren Vorteil. „In meine Sendungen sind Leute gekommen, die zu anderen nicht gegangen sind.” Weil sie wussten, dass der Mann mit den früh ergrauten Haaren sie nicht vorführen würde.

„Ich bin dankbar, dass ich bei vielen großen Ereignissen dabei sein konnte“

Ansonsten blickt er ohne Groll zurück. Im Gegenteil. „Ich bin dankbar, dass ich bei vielen großen Ereignissen dabei sein konnte.” So viele waren es, dass es schwer fällt, einzelne herauszupicken. Und die, die Kürten schließlich nennt, sind nicht die, die man erwartet hätte. Es sind nicht die ganz großen Triumphe, es ist auch nicht der Schimpanse, der Johnny Weissmüllers Frau einst vor laufender Sportstudio-Kamera die Perücke vom Kopf riss. „Obwohl das schon ein Klassiker ist.”

Es ist der betagte italienische Fan auf der Tribüne, der während des WM-Halbfinales 1970 zwischen Deutschland und Italien bei jedem Tor auf die Knie fällt und inbrünstig „Mamma Mia” brüllt. Es sind die leisen Interviews mit Menschen, die verloren haben. Ein Spiel, einen Trainerjob, eine Aufgabe. „Das sind Momente, an die ich immer noch denken muss.”

Geschenke möchte Kürten nicht: „Ich habe alles“

Wenn denn mal Zeit ist. Was selten genug der Fall ist. Deshalb stapeln sich im Wohnzimmer auch die CDs, die Kürten schon lange mal hören will. Direkt neben den Büchern, die er endlich lesen möchte. Galas moderiert er und Patientenveranstaltungen zum Thema Lungenkrebs. Und dann sind da ja auch noch die vielen Freunde, deren Namen sich lesen, wie das Who Is Who” des deutschen Sports und Journalismus im 20. Jahrhundert. Netzer, Beckenbauer, Reif, Markwort...

Hätte er mit allen anstoßen wollen, er hätte eine Halle mieten müssen. Vielleicht feiert er deshalb nur „in ganz kleinem Kreis”. Mit der Familie, über die so wenig nach draußen dringt, wie über sein Privatleben im Allgemeinen. Geschenke, sagt Kürten, möchte er nicht. „Ich habe alles.” Dann sagt er „Tschüss”. Wie damals im Sportstudio. Nur dass er dieses Mal nicht wiederkommt am nächsten Samstag.