Essen. Die Gondeln sollten Trauer tragen: das Erste bleibt seinem Kurs treu, ein Dutzend deutscher Mimen am Rialto abzuladen, um echten Italo-Krimis Leben einzuhauchen. Mit "Wie durch ein dunkles Glas" zeigt die ARD am Donnerstag eine weitere Folge mit Uwe Kockisch als Commissario Brunetti.

Man stelle sich das mal vor. Das italienische Fernsehen reist nach Köln, um echt deutsche Krimis zu drehen. Die Hauptdarsteller bringen sie mit, echte Italiener natürlich. Die Regie für einen richtig deutschen Krimi, wo wäre sie besser aufgehoben als in den Hände eines – Italieners.

Und dann würden sie auf der Domplatte stehen, sich urdeutsch anschnauzend, Schnitzel kauend und einander der Glaubwürdigkeit halber Kölsch auf die Jacke gießend: vielleicht Antonio Stravatore als Max Ballauf und Carlo Culinocci als Freddy Schenk. Vielleicht gäbe es im Etat sogar Geld für eine richtig teure Gastrolle. Sophia Loren als echt kölsche Kioskbesitzerin, die – auf Italienisch natürlich – den Schutzmännern zuruft: „Et is noch immer jut jegange!”, während die Kamera zu Karnevalsliedern über die Severinsbrücke schwenkt. Und die Loren gießt ihre Geranien und flickt gedankenverloren eine Lederhose mit Hirschmedaillon.

Regie führt natürlich ein Deutscher

Commissario Brunetti (Uwe Kockisch, li.) und Sergente Vianello (Karl Fischer) staunen über die luxuriöse Wohnung des grünen Politikers Gianluca Fasano. © ARD Degeto/Martin Menke
Commissario Brunetti (Uwe Kockisch, li.) und Sergente Vianello (Karl Fischer) staunen über die luxuriöse Wohnung des grünen Politikers Gianluca Fasano. © ARD Degeto/Martin Menke © ARD Degeto/Martin Menke

Ehe geneigte (und erst recht ungeneigte) Leser den Verfasser dieses Textes für nicht recht bei Verstand erklären, verweisen wir an dieser Stelle auf „Wie durch ein dunkles Glas” (heute, 20.15, ARD).

Es handelt sich um eine weitere Folge jener Donna-Leon-Verfilmungen, die genau das, was sich eingangs so völlig absurd las, praktiziert. Kein italienischer Sender käme darauf, treudeutsche Krimikost selbst zu produzieren (wozu hatte man in aller teutonischen Zuverlässigkeit den triefäugigen Derrick?).

Das Erste dagegen lädt seit Jahren ein Dutzend deutscher Schauspieler in Venedig ab, um dieser ganz speziellen Krimi-Kulisse echt italienisches Leben einzuhauchen. Regie führt natürlich ein Deutscher. Es ist seit Jahren Sigi Rothemund, der dafür sorgt, dass Uwe Kockisch (Commissario Brunetti) und die Seinen letztlich wie Touristen durch die Lagunenstadt stolpern.

Und wie oft sie einen Grappa trinken! Und wie gern sie was aus „La Traviata” summen! Und aus kleinen Kaffeetassen trinken. Na, diese Italiener aber auch, die manchmal sogar Berlinern! Das nennen wir Dolce Vita durch die Brille einer Amerikanerin (Donna Leon) und eines Öffentlich-Rechtlichen Senders (ARD).

Titelmusik von André Rieu

Schöpfer der Titelmusik ist übrigens André Rieu. Er führt uns schunkelnd zum Canale. Ein Holländer! Wenigstens ein paar Gondeln sollten darum Trauer tragen. Die deutsche Brunetti-Serie heimst keine Preise für Qualitätsfernsehen ein, aber beliebt ist sie doch. Weil wir Deutschen, die wir so gern Balsamico und Mozzarella naschen, einfach die besseren Italiener sind?

Oder weil sie an Engagement letztlich alles übertrifft, was die Liebe der Deutschen zu „Bella Italia” seit Jahrzehnten dokumentiert? Der deutsche Commissario steht am Ende einer Kette. Am Anfang stand Willi Hirsekorn aus Castrop-Rauxel. Sein Sohn hieß Kuno, seine Frau Sieglinde. Er fuhr an die Adria. Er fragte nach Bratwurst. Und die Deutschen lernten zu lachen über sich und das, was ihnen Heinz Erhardt über ihre wahren mediterranen Gastspiele in Wirtschaftswunderzeiten erzählte. Ein bisschen italienisch sprach man da auch schon: „Nix krank? Gott sei Dank!”

Das war die Zeit, als der Gipfel der Exotik nicht Shakira hieß sondern Valente, als Hitparaden voll von Vico Torriani und oder Sehnsucht waren, von Capri oder – später – zwei kleinen Italienern.

Das war übrigens der erste Schlager, in dem Gastarbeiter vorkamen. Womit sich der Kreis zu den deutschen Mimen auf der Seufzerbrücke irgendwie schließt.