Frankfurt/Main. Der britische Schauspieler Kenneth Branagh hat während der Dreharbeiten zu den Neuverfilmungen von Henning Mankells Kommissar Kurt Wallander für die ARD regelmäßig Abstand zur Romanfigur gesucht. Branagh zeigt die verletztliche Seite des schwermütigen schwedischen Ermittlers.

Kenneth Branagh als Kommissar Wallander (Kenneth Branagh). © ARD Degeto/Yellow Bird
Kenneth Branagh als Kommissar Wallander (Kenneth Branagh). © ARD Degeto/Yellow Bird © ARD Degeto/Yellow Bird

Bislang war Kenneth Branagh vor allem für seine Shakespeare-Darstellungen berühmt. Nun hat er sich an eine Neuinterpretation des südschwedischen Kommissars Kurt Wallander aus der Feder von Henning Mankell gewagt. Neu verfilmt wurden die drei Wallander-Bücher "Die Falsche Fährte", "Die Brandmauer" und "Mittsommermord". Die ARD Erste zeigt die neuen Spielfilme am 29. (21.45 Uhr) und 30. Mai (21.40 Uhr) sowie am 1. Juni (21.45 Uhr).

Kurt Wallander wirkt in Mankells Büchern oft depressiv. Haben Sie sich am Set auch so gefühlt?

Kenneth Branagh: Ich hatte mich vor Drehbeginn entschieden, die meisten Wochenenden während der Filmaufnahmen in England zu verbringen - das hat geholfen. Ich habe bemerkt, wenn ich auch am Wochenende in Schweden geblieben bin, war das zu viel Wallander. Ich habe es fünf Tage die Woche sehr genossen, ein südschwedischer Kommissar zu sein, aber Wallander ist ein Charakter, von dem man hin und wieder ein bisschen Abstand braucht. Wallander ist ein Mann, der sich sehr viele Sorgen macht und sehr mitfühlt.

Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet? Haben Sie zugenommen?

Kenneth Branagh: Nein, ich habe nicht zugenommen - oder? Zumindest nicht, dass ich wüsste. Ich habe Wallanders Heimatort Ystad vor Beginn der Aufnahmen dort drei Mal besucht. Außerdem habe ich mich vorher mit dem Produzenten der Filme in schwedischen Cafés in London getroffen. Das schwedische Design, das schwedische Essen ist ganz anders als in England. Es ist anders angeordnet, es hat andere Farben. Und, ich habe natürlich auch die Bücher noch mal gelesen.

Wallander (Kenneth Branagh) leidet unter den Verbrechen die er bearbeitet. © ARD Degeto/Yellow Bird
Wallander (Kenneth Branagh) leidet unter den Verbrechen die er bearbeitet. © ARD Degeto/Yellow Bird © ARD Degeto/Yellow Bird

Was mögen Sie seit den Dreharbeiten an Schweden? Den südschwedischen Dauerregen?

Kenneth Branagh: Wir hatten während der dreimonatigen Dreharbeiten nur an zwei Tagen Regen! Da hatten wir wirklich Glück. Insofern kann ich nichts Schlechtes über das Wetter sagen. Besonders mag ich an Schweden die kühle und klare Luft - und diese unendliche Weite.

Es gab mehrere Wallander-Darsteller vor Ihnen. Was ist typisch für Ihren Wallander?

Kenneth Branagh: Ehrlich gesagt, habe ich mir die anderen Wallander gar nicht angeschaut. Ich wollte mich nicht beeinflussen lassen und dann denken: "Oh Gott, so also muss ein echter schwedischer Kommissar sein." Ich wollte die Rolle bewusst aus einer anderen geografischen und literarischen Perspektive angehen. Ich habe in den Wallander-Romanen einen Mann entdeckt, der eine offene Wunde hat. Jedes Verbrechen scheint ihn persönlich zu treffen. Er stellt eine Verbindung zwischen diesen Verbrechen und seiner Verzweiflung über seine Heimatland Schweden und seine Enttäuschung in die Menschheit an sich. Das immer und immer wiederkehrende Element ist, dass Wallander diese Zustände zu ändern versucht.

Vor allem "Die falsche Fährte" ist eine ziemlich brutale Geschichte. Wie wahrt man da als Schauspieler Distanz?

Kenneth Branagh: Ja, das ist wirklich eine aufwühlende Geschichte, vor allem zu Beginn: Ein 15 Jahre altes Mädchen zündet sich selbst an. Wallanders Reaktion auf dieses Verbrechen war der entscheidende Moment für mich, um zu wissen, wie ich ihn spielen muss - er kann kaum damit umgehen und kaum weiter an dem Fall arbeiten. Er steigert sich mehr in den Fall hinein, als es für einen Polizisten gut wäre, er steht die ganze Zeit kurz davor, zusammenzubrechen. Das macht ihn verletzlich. Es ist, als fehle ihm die oberste Hautschicht.

Erinnern Sie sich denn noch an Ihr erstes Mankell-Buch?

Kenneth Branagh: Ich glaube, es war der erste Wallander-Krimi "Mörder ohne Gesicht". Danach habe ich sie alle gelesen, mehr oder weniger in der Reihenfolge ihres Erscheinens. Ich mag an den Büchern, wie es Henning Mankell gelingt, große politische und soziale Themen, eine Debatte über das heutige Schweden, mit Wallanders Gedanken und den Verbrechen zu verknüpfen. Die Bücher sind vermittelnd und reflektierend zugleich, einfach großartig.

Wallander (Kenneth Branagh), Ermittler am Rande des Nervenzusammenbruchs. © ARD Degeto/Yellow Bird
Wallander (Kenneth Branagh), Ermittler am Rande des Nervenzusammenbruchs. © ARD Degeto/Yellow Bird © ARD Degeto/Yellow Bird

Und sie sind weltweit ein Erfolg. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Kenneth Branagh: Vielleicht, weil Kurt Wallander ein typischer Schwede mittleren Alters ist - und damit ein international kompatibler Charakter. Wenn Charaktere eine Art universellen Touch haben, fesseln sie uns. Weil wir dann das Gefühl haben, dass dieser Kerl in dieser kleinen südschwedischen Stadt die gleichen Probleme und Sorgen hat, wie wir. Das Gefühl, das dabei vermittelt wird, ist: Wir sind nicht allein. Das ist toll und macht Wallander so erfolgreich. (ddp)