Moskau. Alexander Rybak hat sein "Fairytale" wahr gemacht: Beim Eurovision Song Contest in Moskau sang er sich für Norwegen unangefochten an die Spitze der europäischen Sänger. Und brachte damit ohne skandalöse Kostüme oder Bühnenshow wieder einmal Glanz in die angestaubte Musikveranstaltung.

Knappe Kostümchen, schrille Töne, sexy Bühnenshow: Hauptsache auffallen schien das Motto vieler Künstler der vergangenen Jahre beim Eurovision Song Contest zu sein – so schräg, dass man sich fast sehnsüchtig „ein bisschen Frieden“ im europäischen Gesangswettbewerb zurückwünschte.

Den hat der niedliche Norweger uns am Samstagabend zurückgebracht, mit einem munter-naiven Liedchen, das aus fast allen Ecken Europas das gleiche Echo hervorrief: „Norway, 12 points!“ Doch nicht nur der skandinavische Beitrag verlieh dem Grandprix in diesem Jahr neuen Glanz. Ein nachträgliches Voting.

Mediale Inszenierung: Null Punkte

Keine Punkte gibt es an diese Stelle für: Wladimir Putin und seinen Inszenierungsplan. Der Eurovision Song Contest in Moskau – da witterte der russische Ministerpräsident seine große Chance. Mit einer Eröffnungsshow, die sich an der Pekinger Olympia-Gala messen lassen sollte, mit einer immensen Bühne und Lichttechnik, wollte der Welt beeindrucken. Leider erinnerten aber auch die Zensierung des georgischen Beitrags und die Zerschlagung einer Demonstration von Homosexuellen am Tag der Show stark an chinesische Vorbilder.

1 Punkt geht an dieser Stelle an die bemühte Zwischenmoderation der russischen Reporterin, die sich zwar etwas zwängig, aber doch ironisch über russisches Brauchtum lustig machte. Wo andere europäische Länder Werbung einspielten, blieb die ARD auf singenden Polizisten und Taxifahrern hängen – alles Chormitglieder statt Passanten, erfuhr der Zuschauer später. Es wäre wohl auch inkonsequent gewesen, an dieser Stelle mal nicht zu inszenieren.

Dita nicht im Bild

2 Punkte für den bosnisch-herzogovinischen Clown bei der Punktevergabe. Das slavische Pendant zu Daniel Küblböck nutze seine zwei Minuten des Ruhms voll aus und verteilte auch die Punke nach Kroatien mit einem Augenzwinkern – eine schöne Geste der Völkerverständigung.

3 Punkte für das kurze T-Shirt des schönen Griechen - was er gesungen hat, konnte man am Ende gar nicht mehr wirklich erinnern...

4 Punkte für die russische Regie und Dita van Teese, die sich so gar nicht ins Bild bringen ließ. Im Vorfeld wegen ihres zu knappen Outfits kritisiert, schienen die Gastgeber die deutsche Tanzeinlage schlicht ignorieren zu wollen. Erst der swingende Alex rückte sie schließlich ins Rampenlicht – dafür hat sich die Reise nach Moskau nun wahrlich nicht gelohnt

Wir sind nicht mehr letzter

5 Punkte fürs das Voting: 14 Cent pro Anruf und Punktevergabe ohne die obligatorischen 15 Minuten Spannungspause – das kann der geplagte DSDS-Zuschauer kaum fassen. Hier zeigt sich: Stimmung ist manchmal wichtiger als Spannung.

6 Punkte für schräges Beiwerk auf der Bühne. Auch wenn sich wohl jeder fragte: Was genau soll uns der mintgrüne Spiderman sagen?

7 Punkte für den tapferen Optimismus bei der deutschen Punkte-Ernte: So hat eine Halle nach einem deutschen Auftritt lange nicht gebrodelt, hieß es zunächst. Und als die zwölf, zehn, ja sogar die acht Punkte kontinuierlich an dem deutschen Duo vorbeigingen: Könnte im Mittelfeld mitspielen. Auch das klappte nicht. Und so blieb er klägliche Trost: Wir sind nicht mehr letzter! Das No Angels-Trauma ist damit wohl nicht überwunden – vielleicht aber ein bisschen therapiert.

Das Herzchen aus Norwegen

8 Punkte gehen an die schöne Britin Jade Ewen und ihre noch schönere Stimme – was auf jeder anderen Bühne wohl unangefochten den Sieg eingebracht hätte, geht hier ein bisschen unter. Dennoch: Ein Moment der wirklich Gänsehaut hervorrief.

10 Punkte für... Tim Frühling. Freunde der Grandprix-Legende Peter Urban mögen es verzeihen, aber dieser Vertretungskommentar brachte wirklich neues Feuer in die angestaubte Veranstaltung. Statt Statistiken und Lebensläufe zu zitieren, blieb Frühling knapp und erfrischend sarkastisch. Und traf dabei immer wieder genau ins Schwarze. Ein bisschen mehr Kondition sollte er sich wohl noch zulegen, aber 42 Votings ohne Überraschungen lassen auch wirklich schwer als spannendes Stechen kommentieren.

12 Punkte gehen auch an dieser Stelle nach Norwegen. Wem dieser niedliche Harry Potter-Verschnitt an der Geige nicht das Herz öffnete, ist selbst Schuld. 387 Punkte sahnte der 23-Jährige für das selbst geschriebene Märchenlied am Ende ab. Herzlichen Glückwunsch!

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