Essen. Germany's Next Topmodel traut dem Zuschauer nicht viel zu: Die Musik soll Gefühle an- und ausknipsen, die Mädels sind gezwungen, das Offensichtliche immer wieder in Worte zu fassen. Und soviel Verwandlungskunst, wie die Macher von den Kandidatinnen verlangen, besitzt ohnehin kein Mensch.

Mit „Germany’s Next Top Model“ verhält es sich ein bisschen wie mit alten Tierdokus. Hüpfen Antilopen durch die Savanne, läuft der Marsch aus „Carmen“, pirscht sich der Löwe ran, heben bedrohliche Streicher an, bei stolpernden Pinguinen wird Benny-Hill-Musik gespielt, bei Pandababys erklingt ein süßes Klavierthema u.s.w.

Emotionen lieber dem Zuschauer überlassen

Auf GNTM übertragen, heißt das: Bei Coldplay im Hintergrund hat jemand etwas Rührendes gesagt, bei Kritik hört man Zerstörergeräusche wie bei „Das Boot“, bei sentimentalen Rückblenden läuft Enya, und wenn es am Ende doch ein Foto gibt und alle sich in den Armen liegen, kommt – sagen wir – „High“ von James Blunt.

Wenn man sich ein paar Folgen dieser Sendung anschaut, dann versteht man jedenfalls, wie Lars von Trier und andere je darauf kommen konnten, einen Verzicht auf musikalische Untermalung im Kino zu fordern. Jetzt ist „Germany’s Next Top Model“ natürlich kein Arthouse-Film, sondern Fernsehunterhaltung, ein paar Emotionen könnte man aber ruhig den Zuschauern überlassen.

Das Offensichtliche sagen. Immer wieder.

Die Regie geht aber lieber auf Nummer sicher und legt großen Wert darauf, dass das, was man sieht, auch extra deutlich rüber kommt. Und so müssen Off-Kommentar und Models regelmäßig das wiederholen, was man gerade gesehen hat. Gibt es z.B. Kritik, dann folgt grundsätzlich der Schnitt hin zur Kandidatin, die erzählt, dass sie gerade kritisiert wurde. Sieht man jemanden weinen, lautet die Interview-Frage stets, ob sie nun traurig sei. Manchmal erinnert das an Fußball-Übertragungen, bei denen der Elfmeterschütze sagen soll, wie er sich nun fühle, nachdem er den Schuss vergeigt hat und seine Mannschaft raus ist.

Bei dieser Dramaturgie darf man sich über wiederkehrende O-Töne nicht wundern. In der gestrigen Folge fielen z.B. gefühlte 83 Mal die Phrasen „Jetzt muss ich alles geben/mich noch mal reinhängen/die Jury überzeugen“ u.s.w. Der von Klum & Co. verlangte „pep talk“ wirkt mittlerweile wie das Ergebnis einer mittelprächtigen Rhetorikschulung, die besagt, dass man Niederlagen stets zu „Herausforderungen“ umdeuten sollte, um ja nicht als Defätist dazustehen.

Aus Maria lässt sich kein Joghurette-Model machen

Dabei sind manche Anforderungen in dieser Sendung wirklich hanebüchen. Dass Models wandlungsfähig sein müssen – gebongt. Dass sie jeden denkbaren Typ draufhaben müssen – Schokoladen-Covergirl, Unterwäsche-Model, Rockstar – na ja. Für solche Aufgaben würde man im wirklichen Leben ja auch drei unterschiedliche Model-Typen buchen. Da kann Heidi Klum sich auf den Kopf stellen: Aus Rehkitz Marie wird einfach kein Rockstar, aus Maria kein Joghurette-Model und aus Sara keine Galionsfigur für Victoria’s Secret. Manche Charaktereigenschaften kann man einfach nicht verbiegen. Zum Glück.

Insofern kann man der gestern ausgeschiedenen Ira nur zurufen: Beim Imitieren einer Punkrock-Band zu scheitern, ist keine Schande. Wahrlich nicht.

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