Essen. Zwischen der Wirklichkeit und ihrer Inszenierung können viele Fernseh-Zuschauer offenbar nicht mehr unterscheiden.

Es spiegelt den Triumph des Fernsehens wider, wenn sich Menschen im Gerichtssaal so aufführen, wie es ihnen das Medium vorgeführt hat. Die Wirklichkeit ist das, was man aus ihr macht: In der Manipulation haben es die Privatsender zu wahrer Meisterschaft gebracht.

Die „Reality soaps”, die das Programm überfluten, vermischen soziokulturelle Welten mit Inszenierungen. Die Fiktion schleicht sich durch die Hintertür: Man soll sich als Zuschauer einer Dokumentation wähnen und ist doch nur Betrachter eines Konstrukts, das sich den gängigen Unterhaltungsprinzipien verschreibt, weil es nicht um Aufklärung, sondern ums Geldverdienen geht. Wer auch immer beim „Frauentausch”, bei „Teenager außer Kontrolle” oder „Erwachsen auf Probe” dem dauerkonsumierenden Publikum zum Fraß vorgeworfen wird: Dramaturgische Hilfsmittel müssen mindestens den Rahmen schaffen.

Das perfide Spiel funktioniert längst auch andersherum. Wer auf Mallorca am Strand in Ballermann-Nähe gefilmt wird, weiß, was man von ihm erwartet, welche Rolle er ausfüllen muss. Da bedarf es keines Regisseurs mehr. Die Kunst imitiert nicht mehr das Leben, sondern das Leben die Kunst. Die letzte Stufe der medialen Vereinnahmung ist damit erklommen.